Nur die Sprache macht ihm zu schaffen

Leverkusen - Es hat sich herumgesprochen, dass Bayer Leverkusen über die Jahre eine hochbegabte Mannschaft zusammengestellt hat. Ziemlich jung, technisch reif, ein Team voller Persönlichkeiten. Kein Wunder, dass regelmäßig Späher aus Spanien und England auf der Tribüne sitzen. Wenn sie dann wieder abreisen, ist aber meist nur ein Name dick unterstrichen: Arturo Vidal. "Er ist für ganz große Clubs interessant geworden", sagt der Torhüter René Adler über den 23-Jährigen.

Der Trainer Jupp Heynckes bezeichnet Vidal mittlerweile als seinen "wichtigsten Spieler", neun Treffer hat er in dieser Saison bereits erzielt, neun weitere aufgelegt. Damit belegt er hinter Mario Gomez Platz zwei in der Scorerliste und ist gemeinsam mit Julian Schieber der beste Vorbereiter der Liga. "Er ist erwachsen geworden", sagt der Kapitän Simon Rolfes, denn es gibt noch einen weiteren statistischen Wert, der Vidals Entwicklung beschreibt. Nachdem er 2007 für gut fünf Millionen Euro vom chilenischen Club Colo Colo nach Deutschland wechselte, sah er in den ersten drei Bundesligajahren in 84 Spielen 30 gelbe Karten. Oft drohte schon weit vor der Halbzeit ein Platzverweis, Vidal war ein Problem. In der laufenden Saison wurde er in 22 Partien erst einmal verwarnt - ein eindeutiges Zeichen von Reife.

Vidal sorgt für Torgefahr


Bruno Labbadia ersann einst den Namen "kleiner Krieger" für Vidal, und Michael Ballack ist tief beeindruckt: "Arturo hat das gewisse Etwas, er hat die richtige Mentalität, hat Persönlichkeit, er ist ein Heißsporn, unberechenbar und genial." Vidal erobert Bälle, macht taktisch fast alles richtig, spielt fantastische Pässe und sorgt für Torgefahr. Meistens wird er im defensiven Mittelfeld eingesetzt, ein Stück weiter vorne auf der Zehnerposition spielt er aber ähnlich stark, und bei der WM in Südafrika verrichtete er wertvolle Dienste als linker Außenverteidiger bei den Chilenen.

Das Aufblühen des Dynamikers hat viel mit der Empathie von Jupp Heynckes (einst Trainer in Bilbao, bei Teneriffa oder Real Madrid) zu tun. "Es ist wichtig, dass er mir Dinge auf Spanisch erklären kann, in deiner Landessprache ist der Tonfall anders, dadurch erfährt man Wertschätzung", sagt Vidal. Sein Deutsch ist auch im vierten Jahr eher mangelhaft, "die anderen lernen schneller Spanisch", hat er einmal gescherzt, und das ist auch der Grund, warum er jenseits des Platzes nur selten im Mittelpunkt steht.

Im Zentrum einer Dokusoap


In Chile ist das ganz anders, dort ist er ein Superstar, ein Held. Vor einiger Zeit stand er im Zentrum einer TV-Dokusoap, in der sein Lebens- und Erfolgsweg nachgezeichnet wurde. Vidal ist als eines von sechs Kindern in San Joaquin, einem Armenviertel von Santiago de Chile, aufgewachsen, der Vater ist früh verschwunden, die Mutter musste die Familie alleine ernähren. "Ich musste mich von klein auf durchsetzen. Es war bei uns gefährlich. Drogen spielten eine große Rolle. Und: man musste aufpassen, dass nichts geklaut wurde. Meine Mutter Jaqueline musste immer schauen, wo wir was zu Essen herbekommen", hat er einmal in einem Interview der "Bild"-Zeitung erzählt.

Jetzt ist Vidal der Mann, der die Familie ernährt, der Mutter hat er ein Haus gekauft, die Geschwister sind regelmäßig in Deutschland zu Besuch. Wie Vidal mit dieser Rolle als Familienoberhaupt umgeht, ist beachtlich, er lässt sich aber zu keinen Allüren hinreißen. Und anders als viele andere Hochbegabte kokettiert er bisher nicht mit einem schnellen Wechsel zu einem europäischen Topclub.

Die Verhandlungen sind kompliziert


Eigentlich ist er sich über eine Vertragsverlängerung bis 2014 einig, doch die Leverkusener hätten dann auch gerne die alleinigen Transferrechte, an denen Colo Colo noch 30 Prozent hält. Die Verhandlungen sind kompliziert. "Der Verein ist wie eine Familie, es läuft sportlich sehr gut - ich bin super zufrieden in Leverkusen", sagt Vidal.

Damit das so bleibt, sollte die Werkself,die nach dem 4:0-Sieg in Charkow so gut wie sicher im Achtelfinale der Europa League steht, sich möglichst rasch für die Champions League qualifizieren. Denn bei aller Dankbarkeit will sich Vidal auf höchstem Niveau mit den Besten messen - dort gehört er schließlich hin.

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