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Der gläserne Spieler

Zur Spielanalyse und Trainingssteuerung setzt Bayer 04 auf ein System mit Wärmebildkameras. Erfasst werden so für jeden Spieler unzählige Werte und Aktionen. Bei der Gegneranalyse kommen andere Methoden zum Einsatz.

Spätestens 24 Stunden nach einem Heimspiel von Bayer 04 blinkt bei vier Männern im Werksclub eine neue Nachricht im E-Mail-Postfach auf. Der Absender sitzt in Nizza an der Côte d'Azur. Die Datei im Anhang ist klein. Keine 20 Kilobyte groß. Aber sie enthält einen allumfassenden Leistungsnachweis eines jeden Leverkusener Spielers. Bereit zur Auswertung durch die zuständigen Männer im Verein.

Co-Trainer Peter Hermann, Konditionstrainer Holger Broich sowie Jonas Boldt und Simon Lackmann aus der Scouting-Abteilung sind die Männer, die die E-Mail aus der Zentrale des französischen Unternehmens "Sport Universal Process" (SUP) erhalten. Dieser Dienstleister nimmt über acht im Dachumlauf der BayArena installierte Wärmebildkameras sämtliche Bewegungen und Ballberührungen jedes Bayer-Profis auf.

Das sind laut SUP und seinem deutschen Tochterunternehmen "Mastercoach" aus Düsseldorf knapp 2500 Ballkontakte sowie 4,5 Millionen Einzelpositionen pro Partie. "Jede der acht Kameras erfasst einen von acht Sektoren des Spielfeldes", sagt Lackmann. Je drei Kameras hängen im Verlauf der Haupttribüne und Gegengerade, je eine auf der Nord- und Südseite. Was sie registrieren, speisen Mitarbeiter in Nizza in den PC ein. Die gesammelten Daten wandern per E-Mail nach Leverkusen.

Bayer 04 arbeitet bereits seit der Saison 2003/2004 mit der SUP-Software "Amisco", die eine Abbildung aller Spiel- und Spielerbewegungen als zweidimensionale Animation ermöglicht. Seit einigen Jahren wird die so genannte "Passive Tracking"-Methode über die Kameras verwandt. Quantitative sowie qualitative Leistungsparameter wie die Gesamtlaufleistung, die Durchschnittsgeschwindigkeit, die Anzahl der Sprints oder die Sprintstrecken können so pro Team, pro Spieler und pro gewünschtem Zeitraum ausgewertet werden. Zusätzlich steht Bayer eine Videoaufzeichnung der 90 Minuten zur Verfügung. Alle Materialien werden anschließend in einer Datenbank archiviert.

Aus der Fülle dieser Daten und nach Auswertung über die Software können Hermann und Broich das Training gezielt steuern und an Schwachpunkten arbeiten. Chefcoach Jupp Heynckes wird dabei nicht mit Statistik-Botschaften überladen, vielmehr werden die Erkenntnisse aus den gewonnenen Zahlen "subtil" in den Trainingsalltag eingebaut. "Heutzutage gewinnt man keine Spiele mehr durch Zufall. Professionelle Arbeit erfordert ein professionelles Werkzeug" – mit diesen Worten zitiert die SUP-Website Bayer-04-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser. Über Zahlen spricht Bayer traditionell nicht, aber der Hamburger SV zahlte 2005 für drei Jahre Amisco-Nutzung 150 000 Euro. Die Installation der Kameras war den Hanseaten noch einmal 25 000 Euro wert.

Vor acht Jahren war Leverkusen einer der Vorreiter in der Bundesliga, was computergestützte Spielanalysen angeht. In der laufenden Saison nutzen nach Angaben von Mastercoach acht Bundesligisten Amisco. Auch in England, Spanien und Frankreich ist das System weit verbreitet. Der DFB ist ebenfalls Kunde bei Mastercoach. Seite 2006. Er verlängerte den Vertrag im Dezember vergangenen Jahres um weitere 24 Monate. Auch bei der Frauenfußball-WM wird der DFB das System nutzen. Die Kameras im Leverkusener WM-Stadion sind ja stets einsatzbereit.

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