Der nächste Gegner: VfB Stuttgart

Es war an der Zeit, ein Zeichen zu setzen, und das tat Robin Dutt. Er stellte sich auf der Jahreshauptversammlung demonstrativ hinter seinen Coach Alexander Zorniger und verteidigte den im Sommer eingeschlagenen Weg. „Wir brauchten einen Mann, der bereit war, in der ersten oder zweiten Liga zu arbeiten, der sich für eine Vernetzung von Profis und Nachwuchs einsetzt“, sagte der Sportvorstand. In Stuttgart will man eben etwas aufbauen, und dafür lässt man sich auch von den vielen Startschwierigkeiten nicht beirren. Mit dem jüngsten 1:0-Sieg gegen den FC Ingolstadt folgte prompt das dringend benötigte Erfolgserlebnis, nun sollen die Ansprüche peu a peu steigen. Für viele galten die Stuttgarter vor der Saison gar als Geheimtipp für die internationalen Plätze.

Grund dafür war der frische Wind, den Zorniger aus Leipzig mit an den Neckar gebracht hat. Die Art und Weise, wie der aus der Region stammende Coach spielen lassen wollte, beeindruckte Fans und Experten. Zorniger-Fußball ist eben Power pur, Pressing und dazu perfektes Umschaltspiel. Zumindest in der Theorie. Erst zwei Siege hat der VfB in dieser Spielzeit eingefahren und schon 19 Gegentreffer kassiert – Minuswert! Oft wurden die offensiv wie entfesselt aufspielenden Stuttgarter von schwächeren Gegnern gnadenlos ausgekontert. Der Ertrag? Gleich null! „Wir brauchen natürlich Punkte, aber die Spielweise ist alternativlos“, erklärte Zorniger erst jüngst. Eine klare Absage gegen vorschnelle Panik, der Coach glaubt an seine Idee vom neuen Stuttgarter Spielstil.

Wo ist die Konstanz?

Seine Vorgesetzten ebenfalls. Und auch die Fans sind erstaunlich ruhig, die Bruddler - also die Nörgler, wie man im Schwabenland sagt - sind bisher in der Unterzahl. Das ist nicht gerade üblich in Bad Cannstatt. Zorniger jedoch hat das Vertrauen. „Wofür stand der VfB in den letzten Jahren?“, fragte der Coach. Was rhetorisch gemeint war, bringt das Hauptproblem der jüngeren Vergangenheit auf den Punkt, Konstanz und Stuttgart verknüpft man zurzeit nämlich allerhöchstens als zwei Städte in Baden-Württemberg. Das soll sich mit Zorniger ändern. „Wir wollen etwas schaffen, mit dem sich der VfB-Fan total identifizieren kann“, sagt der. Aber Veränderungen brauchen eben Zeit.

Und es wird nicht unbedingt einfacher, denn künftig muss Zorniger auf einen seiner wichtigsten Spieler verzichten. Daniel Ginczek, der wuchtige Stürmer, der schon drei Mal gescored hat, fällt mit einem Bandscheibenvorfall wohl die restliche Hinrunde aus. Gut also, dass der von Bayer 04 ausgeliehene Robbie Kruse nach seinem Muskelfaserriss wieder eine Option sein kann. Und auch gut, dass die Youngster Jan Kliment und Timo Werner beim 2:2 in Hoffenheim vor zwei Wochen als Torschützen auf sich aufmerksam machten, auch wenn Werner, einer der besten Kumpel von Julian Brandt, im Anschluss den Zorn des Trainers auf sich zog.

Küssen verboten!

Sekunden nach seinem Tor hatte er noch den Siegtreffer auf dem Fuß, aber „konnte ihn nicht reinmachen, weil er noch mit Küsschen, Küsschen verteilen beschäftigt war“, wie Zorniger erklärte. Was für eine Ansage! Dutt ist‘s recht. „Mit einem Kuschelkurs kommen wir nicht aus der Krise“, sagt er. „Die Mannschaft darf nicht nur dann Höchstleistungen bringen, wenn ihr das Wasser bis zum Hals steht“, ergänzt er – als Anspielung auf den furiosen Schlussspurt im Abstiegskampf der vergangenen Saison unter Huub Stevens.

Dieses Jahr soll alles besser werden. Das Potenzial ist allemal vorhanden. Gerade in der Offensive ist der VfB stark besetzt, Daniel Didavi, Martin Harnik und der noch an einem Muskelfaserriss laborierende Filip Kostic sind Spieler mit herausragenden Fertigkeiten, über einen Antreiber wie Christian Gentner würden sich sicher auch viele Trainer freuen. Doch allen haftet in dieser Saison ein Manko an: die Abschlussschwäche, kaum ein Team vergibt so viele Großchancen. Gerade deswegen steht unterm Strich so wenig zu Buche. „Im Fußball kannst du eben fast alles richtig machen und verlierst trotzdem. In der Rhythmischen Sportgymnastik machst du fast alles richtig und gewinnst den Wettkampf“, sagt Zorniger. Kann man so stehenlassen.

Quelle: Bayer04.de