Die Werkself-Rakete: ein Bär, ein Ass, ein Tah!

Von Null auf hundert: Der erst 19-jährige Jonathan Tah schlug bei Bayer 04 als Innenverteidiger voll ein und machte alle 28 Spiele über 90 Minuten.

Eigentlich hätte wohl nur noch ein Moment dieses für ihn fantastische halbe Jahr toppen und krönen können: Dann, wenn er kurz vor Schluss mit seinem von der Strafraumgrenze abgefeuerten Blattschuss gegen Barca das 2:1 gemacht und sein Team damit in der Champions League gehalten hätte. Der Ball flog einen guten Meter am Kasten vorbei und Bayer 04 schließlich aus der Königsklasse, doch der Schütze steht nach der Hinserie da wie Persil am Himmel: Jonathan Tah schoss aus dem Nichts in hohe Leistungsgrade vor, und das mit gerade mal 19 Jahren.

Der Kicker führt ihn in seiner aktuelle Rangliste des deutschen Fußballs bereits an Position sechs bei den Innenverteidigern der Bundesliga, nicht weit hinter seinem großen Vorbild Jerome Boateng. Und manche Kritiker und Beoachter sagen ihm bereits eine spätere Zukunft in der Nationalmannschaft an der Seite des überragenden Bayern-Profis voraus. Als Bayer 04 Jonathan Tah im Sommer dieses Jahres vom Hamburger SV verpflichtete, da galt der damalige Kapitän der U19-Nationalelf als großes Talent mit gewaltiger Perspektive. „Seine Verpflichtung ist eine tolle Investition in die Zukunft, aber Jonathan hat auch die Klasse, uns sofort weiterzuhelfen“, hatte Rudi Völler bei Tahs Verpflichtung Mitte Juli gesagt.

Wie recht der Sportchef der Werkself mit dem zweiten Teil seiner Einschätzung liegen würde, zeigte sich rasch. Der dunkelhäutige Modellathlet mit der körperlichen Attitude eines Schwergewichtsboxers katapultierte sich auf Anhieb in höchste Qualitätsgefilde. „Er ist unser Bär, unser Schlachtschiff“, hatte Christoph Kramer durchaus beeindruckt nach den ersten Trainingseindrücken über seinen neuen Kollegen gesagt. „Jona“ startete aus dem Stand voll durch und vermittelte der Werkself nach den schweren Verletzungen von Ömer Toprak und Tin Jedvaj Stabilität in der zentralen Defensive.

Die feine Klinge im Zweikampf

Für Tah sprechen neben seiner physischen Wucht von 1,94 m Körpergröße und 98 kg Gewicht die für sein Alter unglaubliche Präsenz und Abgeklärtheit auf dem Platz. Und vor allem: Zahlen! Seine 2520 Minuten auf dem Platz schaffte keiner: 28 Pflichtspiele, 17 in der Liga, acht in der Champions League inklusive Quali und drei im DFB-Pokal. Kein Spieler absolvierte mehr Pflichtspielminuten im deutschen Profifußball. Das besonders Bemerkenswerte: Tah sah in allen Bundesligaspielen nur eine Gelbe Karte. Die Grätsche ist nicht sein Werkzeug, er bevorzugt die feinere Klinge im Zweikampf: gut stehen, viel ablaufen mit enormer Schnelligkeit – und den Gegner zur Not auch einfach mal an seinem massigen Körper abprallen lassen.

Das ist außergewöhnlich, für einen Jungspund ohne bisherige Bundesliga-Erfahrung erst recht. Ein Bär, ein Ass, ein Tah: Diese raketenartige Beschleunigung seiner Karriere hat alle überrascht, selbst ihn. „Ich bin natürlich happy, dass ich immer gespielt habe. Es ist ein Traum“, sagt er mit ruhiger Stimme und fügt in aller Bescheidenheit hinzu: „Aber es ist in jedem Bereich noch Luft nach oben bei mir.“ Auch Rudi Völler ist begeistert. „Seine Bilanz ist unglaublich. Das war so nicht zu erwarten.“

Jetzt, über die Weihnachtstage und den Jahreswechsel, urlaubt Tah in Miami. Dort, wohin es ihn auch schon im vergangenen Sommer gezogen hatte: Da hatte er, kurz bevor sein Wechsel zur Werkself in trockenen Tüchern war, mit einem renommierten US-Personaltrainer an seiner Fitness gearbeitet, um den künftigen Anforderungen in Leverkusen möglich gut gewachsen zu sein.

Ein Bär, ein Ass, ein Tah. Aus diesem Holz sind wohl Große geschnitzt.

Quelle: Bayer04.de