Mäuser ist neuer VfB-Präsident



Es ging um Programme und Personen. Und es ging um einen neuen Präsidenten. Aber die Wahl entwickelte sich zum Krimi - mit einem guten Ende für den Kandidaten und vielen offenen Fragen. Es ist nie ein Fehler, wenn ein Sportverein einen Rekord vermelden kann. 2657 stimmberechtigte VfB-Mitglieder waren gestern in der Schleyerhalle mit am Ball, als Erwin Staudt nach acht Jahren seine Laufbahn als Präsident des VfB Stuttgart beendete. So viel wie noch nie bei einer Mitgliederversammlung des Fußball-Bundesligisten. Es gab ja auch einiges zu bereden. Etwa die Frage, wer künftig das Aushängeschild baden-württembergischer Sportkultur führen soll. Es gab Pfiffe, wütende Zwischenrufe, über 30 Wortbeiträge und gegenseitige Vorwürfe in einer sehr emotional geführten Debatte. Kurz vor 21 Uhr gab die Mitgliederversammlung dann nach neun Stunden die Antwort auf die wichtigste Frage des Tages: Der neue Präsident des VfB Stuttgart heißt Gerd Mäuser. Es war ein Zittersieg. Neu in den Aufsichtsrat gewählt wurde mit 69,9 Prozent Ex-Profi Hansi Müller, der in Zukunft als Bindeglied zwischen dem Kontrollgremium und dem Vorstand fungieren soll.

In einer der turbulentesten Mitgliederversammlungen der Vereinsgeschichte drohte Aufsichtsratschef Dieter Hundt sogar die Abwahl. Die Mitglieder setzten einen entsprechenden Antrag mit einer Mehrheit von 65,3 Prozent auf die ergänzende Tagesordnung. Nach hitzigen Diskussionen und intensiven Warnungen vor den Konsequenzen, unter anderen von Erwin Staudt („das wäre für den Verein desaströs“), stimmten 50,7 Prozent der Mitglieder für die Abwahl. Die notwendige Zweidrittelmehrheit wurde damit verpasst. Es war knapp, und es war auch eine schallende Ohrfeige für den von vielen Fans ungeliebten Aufsichtsratschef.

Aufatmen am Vorstandstisch, der Krimi ging nach acht Stunden Sitzung in die nächste Runde: die Wahl des Präsidenten. Die Stimmung in der Schleyerhalle war nicht gerade förderlich für einen Durchmarsch von Gerd Mäuser, der vielen Fans als Marionette von Hundts Gnaden gilt. Er wehrte sich in einer sachlich gehaltenen Rede gegen diesen Vorwurf: „Ich bin keine Marionette, und ich war nie eine Marionette. Ich bin immer aufrecht durchs Leben gegangen – und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.“ Es sei aber auch die Pflicht einer Vereinsführung, mit den Ideen und Wünschen der Fans offen und transparent umzugehen. Und er versprach: „Wenn Sie mich wählen, dann werde ich diese Aufgabe engagiert und voller Stolz ausfüllen.“

Die Rede kam offenbar an. Von 2159 abgegebenen Stimmen entfielen 1268 Jastimmen auf Gerd Mäuser, 58,7 Prozent. Der 53-jährige Ex-Porsche-Manager aus Bietigheim-Bissingen reagierte erleichtert: „Ja, ich nehme die Wahl an.“ Später gestand er: „Klar habe ich gezweifelt und auch gezittert. Die Stimmung war nicht sehr freundlich. Aber man kann ja nicht weglaufen, wenn es schwierig wird.“

Der neue VfB-Chef wird nun viel damit zu tun haben, die Gräben unter den unterschiedlichen Fanlagern zuzuschütten. „Ich werde die Beziehungen zu den Mitgliedern intensivieren. Der sportliche Erfolg wird uns dabei helfen“, sagte Mäuser, der heute um 9 Uhr seinen Dienst beim VfB antreten wird. Am Dienstag reist er ins Trainingslager nach Längenfeld/Tirol. „Das Wichtigste ist jetzt, dass wir eine gute Hinrunde spielen“, sagte Mäuser und fuhr nach Hause. „Ich gehe jetzt erst mal eine Runde mit meinem Hund spazieren.“ Dieter Hundt wirkte nachdenklich: „Mit dem Ergebnis bin ich zufrieden. Aber der Verlauf der Mitgliederversammlung gibt Anlass, grundsätzlich Gedanken anzustellen.“ Die Weichen in eine erfolgreiche Zukunft seien mit der Wahl Mäusers gestellt, trotzig fügte er hinzu: „Mein Ergebnis belastet mich persönlich überhaupt nicht.“

Erwin Staudt wies in seiner engagierten Abschiedsrede darauf hin, unter welch schwierigen Bedingungen die Führungs-crew 2003 den Verein übernommen habe. „Heute redet niemand mehr vom hoch verschuldeten VfB“, rief Staudt und schilderte mit Nachdruck die wirtschaftliche und sportliche Entwicklung des Vereins für Bewegungsspiele. „Unsere Umsatzerlöse haben sich in den acht Jahren mehr als verdoppelt“, sagte der scheidende VfB-Chef. Mit breiter Brust erzählte er von den Meilensteinen in der Infrastruktur wie dem Carl-Benz-Center und dem Umbau des Stadions. Sportlich zähle der VfB zu den Topclubs der Liga. „Drei Teilnahmen an der Champions League, vier in der Europa-Liga, die deutsche Meisterschaft. So schlecht kann unsere Transferpolitik doch nicht gewesen sein“, sagte er mit geballter Faust. Dann wies er gestenreich in den Saal und bedankte sich bei der weiß-roten Gemeinde. „Das alles haben wir gemeinsam geschaffen. Der VfB gehört zu den Top 30 in Europa. Darauf können wir stolz sein“, betonte Staudt, der im Finale seiner Amtszeit noch einmal zu großer Form auflief. Zum Abschluss versicherte er: „Mein Herz schlägt weiter rot.“ Die VfB-Mitglieder dankten es ihm mit lang anhaltendem Applaus. Manager Fredi Bobic skizzierte den künftigen Weg des VfB – mit Schwerpunkt auf der eigenen Jugend, einer attraktiven Spielphilosophie und klaren strukturellen und personellen Vorgaben. Nach seinem Amtsantritt sei ihm schnell klargeworden, dass der VfB voll gegen den Abstieg spiele. „Es gab Machtkämpfe innerhalb der Mannschaft und Egoismen“, verriet Bobic. „Wir werden dafür sorgen, dass sich so etwas nicht wiederholt. Wer unseren Weg nicht mitgehen will, soll sich eben einen anderen Verein suchen – so wie Ciprian Marica“, betonte Bobic und forderte die Fans dazu auf, den VfB nicht kleiner zu machen, als er sei. „Ich bin im Fußball viel herumgekommen, ich habe den Vergleich“, sagte Bobic.

Die Rede von Aufsichtsratschef Dieter Hundt wurde von gellenden Pfiffen und wütenden Buhrufen begleitet. „Wir alle können mit dem sportlichen und wirtschaftlichen Ergebnis dieser Spielzeit nicht zufrieden sein, aber das hat nichts mit einem Paradigmenwechsel in der Vereinspolitik zu tun“, sagte Hundt. Natürlich habe man sich in den vergangenen Jahren erfolgreichere Vorrunden gewünscht, noch dazu mit weniger Trainerwechseln. Doch trotz aller Probleme stehe unter dem Strich eine positive Bilanz. Hundt lobte die Arbeit von Erwin Staudt. Den Umbau des Stadions nannte er einen „Jahrhundertkampf“. Er bezeichnete Staudt als Teamplayer und Visionär, der für den VfB in jeder Hinsicht Hervorragendes geleistet habe.

Dann wurde Hundt deutlich und nahm sich seine Kritiker zur Brust, die unter Verdrehung von Tatsachen in den vergangenen Wochen Diskussionen angezettelt hätten, "die dem Verein geschadet haben. Eine Einmischung des Aufsichtsrats ins operative Geschäft des Vorstands hat es nie gegeben.“ Er wehrte sich vehement gegen Vorwürfe einer undemokratischen Vereinsführung. Der Aufsichtsratschef warf sich für den vom Kontrollgremium satzungsgemäß vorgeschlagenen Präsidentschaftskandidaten Gerd E. Mäuser ins Zeug. Er sei allen anderen Bewerbern haushoch überlegen. Etliche Redner warfen in einer phasenweise sehr hitzig geführten Diskussion Dieter Hundt vor, zu spalten statt zu versöhnen, forderten ihn zum Rückzug auf und verglichen den VfB mit politischen Systemen aus Zeiten, die längst untergegangen seien.

Der frühere VfB-Torhüter Helmut Roleder bekannte sich zu seiner Bewerbung und forderte einen Präsidenten mit sportlicher Kompetenz. „Notfalls auch über den Weg einer Satzungsänderung.“ Er scheiterte.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


Mummi [Linked Image]