Bundesliga

Erste Risse in Labbadias Neubau



Es gibt Tage, da wäre ein Trainer vielleicht ganz gern ein Journalist. Dann müsste er das Malheur nur beschreiben. Oder Prophet. Dann hätte er eine Ahnung davon, welche Lösung die beste ist. Gestern zuckte der VfB-Coach erst mal mit den Achseln. Das Leben ist kein Wunschkonzert.

Als ihn am Montagabend die schlechte Nachricht erreichte, zischte Bruno Labbadia nur kurz in sein Handy. "Na, super", seufzte er - und legte mit einem vorwurfsvollen Blick gen Himmel wieder auf. Dort zogen dunkle Wolken vorüber. Als hätte sich die Kulisse der trüben Stimmung auf dem Cannstatter Wasen schon mal angepasst.

Eigentlich herrschte Optimismus

Es ist ja auch zum Mäusemelken. Der VfB-Trainer hatte sich das alles so fein ausgedacht. Serdar Tasci und Georg Niedermeier, die beiden Innenverteidiger, sollten den Kern des Fundaments bilden, auf dem das Spiel des neuen VfB Stuttgart ruht. In allen Trainingseinheiten während der Vorbereitungszeit arbeiteten die beiden zusammen. Und was das Trainer-Team sah, gab durchaus Anlass zu Optimismus. "Die beiden haben immer besser harmoniert", sagt Labbadia. Das mussten sie auch. Denn genau von dort, im Abwehrzentrum, hatte sich vergangene Saison der Abwärtsstrudel in Gang gesetzt, der den VfB in die zweite Liga zu zerren drohte.

Jetzt, kurz vor dem ersten Pflichtspiel im DFB-Pokal am Freitag (20.30 Uhr/Sky live) beim SV Wehen Wiesbaden, zeigt Labbadias Neubau erste Risse, die den Pessimisten kalte Schauer über den Rücken jagen. Hört das denn nie auf?

Serdar Tascis Oberschenkel zwickt. Wenn es dumm läuft, kann er am Freitagabend nicht spielen. Die Sprintübungen im Training am gestrigen Dienstag ließ er vorsichtshalber aus. Am Donnerstag, so hofft Labbadia, kann er wieder voll mit der Mannschaft trainieren.

Niedermeiers Ausfall - "Das ist bitter"

Noch viel bitterer aber ist: Georg Niedermeier liegt sechs bis acht Wochen flach - mit den Vorboten eines Ermüdungsbruchs. Zugezogen hat er sich die Verletzung im Testspiel gegen die Stuttgarter Kickers (1:1). Er klagte nach einem Zusammenprall über Schmerzen. Erst jetzt belegte die Kernspintomografie die ganze Tragweite des Problems. "Das ist wirklich sehr bitter", sagt der Trainer und verzieht das Gesicht, "für Georg und für die Mannschaft."

Und für die beiden Architekten des neuen VfB-Spiels.

Manager Fredi Bobic und Trainer Bruno Labbadia müssen nun ihre Pläne noch einmal überarbeiten. Doch der finanzielle Handlungsspielraum, daran lässt Präsident Gerd Mäuser keine Zweifel, ist so eng wie selten. Die rosa Zeiten bei den Roten sind Vergangenheit. Die Personalprobleme dagegen brandaktuell.

Kapitän Matthieu Delpierre hatte sich schon im Mai für den Rest dieses Jahres abgemeldet: Sehnenriss im Hüftbeuger. Maza, dem Neuzugang aus Mexiko, wollte Labbadia eigentlich noch ein paar Wochen Zeit geben, um sich einzugewöhnen und vollends fit zu werden. "Wir hätten ihn gern noch ein bisschen aufgebaut", bestätigt der Trainer. Jetzt muss der baumlange Innenverteidiger schon in Wehen zeigen, wozu er in der Lage ist. "Er schafft das, er hat ja viel Erfahrung", sagt Labbadia und gibt sich alle Mühe, unbeirrt zu blicken. Er ist kein Träumer, er weiß: Es könnte ziemlich ungemütlich werden im Pokalspiel bei einem der Topfavoriten der dritten Liga. "Die Mannschaft ist gespickt mit Zweitligaspielern, die haben hohe Ziele. Da müssen wir unser ganzes Können abrufen", meint Labbadia.

Boulahrouz ist noch gesperrt

Falls auch noch Serdar Tasci abwinken sollte, muss Ermin Bicakcic oder Patrick Bauer ins erste Glied, denn Khalid Boulahrouz ist im ersten Pokalspiel noch gesperrt. "Dann dürfen die Jungen ran, dafür haben wir sie ja", sagt der VfB-Coach, warnt aber zugleich: "Das ist ein K.-o.-Spiel, da müssen wir mit der besten Mannschaft spielen."Was schwierig wird, denn auch die Flügelzange mit Shinji Okazaki und Timo Gebhart geht noch ein wenig am Stock. Die beiden sind nach ihren Verletzungen nicht zu hundert Prozent belastbar.

Weshalb sich die Frage aufdrängt, ob es nach dem Wechsel von Christian Träsch nach Wolfsburg nicht ein Gebot der Vernunft ist, über Verstärkung in der Abteilung Abwehr nachzudenken.

Ob der vereinslose Ex-VfB-Verteidiger Andreas Hinkel vielleicht doch noch eine Chance bekommt? Fredi Bobic jedenfalls ist von dieser Idee nicht gerade elektrisiert. Er fürchtet, Hinkel habe sich seit seinem Weggang 2006 nach Spanien spielerisch nicht weiterentwickelt. "Der Ausfall von Georg Niedermeier tut uns sehr weh, aber wir verfallen jetzt nicht in Aktionismus", sagt der Manager, "wir werden weiterhin den Markt beobachten und wenn sich eine Möglichkeit bietet, zu finanziell erschwinglichen Konditionen einen Spieler zu holen, der uns sofort weiterhilft, werden wir uns das überlegen."

"Freuen uns auf die neue Arena"

Auch der Trainer bewahrt die Ruhe - zumindest gegenüber der Presse. "Es ist ja bekannt, dass die Finanzen wenig zulassen", sagt Labbadia. Dann deutet er mit der Hand in Richtung Stadion. "Wir dürfen uns jetzt nicht aus dem Konzept bringen lassen. Wir sind vergangene Saison durch manches tiefe Tal gegangen. Jetzt freuen wir uns auf die neue Spielzeit und die neue Arena."

Mit Rissen im Fundament, aber mit dem festen Willen, die Aussicht zu genießen.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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