Bundesliga

Das gefährliche Spiel des Stürmers Cacau



Wenn Cacau mit sich und der Welt im Reinen ist, dann ist es für seine Mitmenschen, speziell seine Mitspieler, eine Wonne mit ihm. Zurzeit ist der Stürmer des VfB Stuttgart aber mal wieder die Unzufriedenheit in Person. Das schafft ein Reizklima - auch in der Mannschaft.

Die beiden Profis in den roten Trainingsjacken boten ein Bild der Harmonie und Eintracht. Cacau und Christian Gentner, durch das gemeinsame Pech einer muskulären Verspannung im Oberschenkel vereint, trabten am gestrigen Dienstag Seite an Seite über die Trainingsplätze des VfB. Natürlich, so hat das zu sein in einer Interessengemeinschaft, der nichts über den gemeinsamen Erfolg geht.

Wobei - vergangenen Freitag hatte das ganz anders ausgesehen. Auch da spielten Cacau und Gentner die Hauptrolle. Allerdings glich der Einakter eher einer Kurzversion von "Kabale und Liebe". Bei der 1:2-Niederlage gegen den Hamburger SV gerieten die beiden heftig aneinander. Cacau giftete, Gentner giftete zurück. Mitspieler und Fans staunten: Auch das ist Fußball, vor allem dann, wenn es nicht gut läuft.

Gegen den HSV lief es nicht gut für den VfB

Gegen den HSV lief es nicht gut für den VfB, und für Cacau läuft es schon seit längerem nicht mehr nach Wunsch. Weshalb die Beteiligten inklusive Fredi Bobic bemüht waren, die Wogen rasch zu glätten. "Ich hoffe, dass das noch viel häufiger passiert", sagte der Sportdirektor - weil Reibung nicht nur Hitze erzeugt, sondern zuweilen auch eine Leistungssteigerung bewirkt. "Diskussionen auf dem Platz sind normal", sagte Cacau, "ich will gewinnen, Christian auch." Bei Gentner allerdings klang das anders: "Die Chancenverwertung ist schon die ganze Saison ein Problem bei uns. Gegen Freiburg war es wieder gut, gegen Hamburg hat es uns drei Punkte gekostet." Da durfte sich Cacau (30) als Angreifer an vorderster Front direkt angesprochen fühlen.

Zumal er seit geraumer Zeit in der Bringschuld ist. Seit 464 Spielminuten wartet der deutsche Nationalspieler auf einen Torerfolg - eine Ewigkeit für einen Stürmer seiner Reife, seiner Güte und seines Anspruchs. Und eine Bedrohung für sein Umfeld. Mitspieler wissen, was solche Situationen bedeuten: Vorsicht, Explosionsgefahr!

Gegen den HSV hatte Cacau die Riesenchance zum 2:0. Es hätte die große Befreiung sein können, für den VfB und für ihn. Stattdessen knallte er den Ball gegen den Pfosten, in der Folge wurden die Roten immer unsicherer - und Cacau immer unwirscher. Er schimpfte und zeterte und führte sich auf, wie man ihn an seinen schlechten Tagen kennt. Dann verändert er auch sein Spiel, seine Laufwege, sein Passverhalten. Im Bemühen, den Ball zu erobern, lässt er sich gern zu Aktionen hinreißen, die nach Aktionismus aussehen. Er verkrampft und wird nur noch ungehaltener.

Egotrip von Cacau kommt nicht gut an

Das liegt zum einen an seinem Ehrgeiz, aber von der Hand ist auch nicht die Tatsache zu weisen, dass er liebend gern 2012 mit der Nationalmannschaft zur EM nach Polen und in die Ukraine reisen möchte und in dieser Woche die Nominierung von Bundestrainer Joachim Löw für die EM-Qualifikationsspiele in der Türkei (7. Oktober) und gegen Belgien (11. Oktober) ansteht. Da hätte ihn ein Tor als Empfehlung geschmückt. So aber wertet der eine oder andere Mitspieler seine unwirsche Art als Egotrip, der alles andere als mannschaftsdienlich ist. Das schürt Ressentiments, zumal Cacau als aktueller Kapitän mehr als andere dem Gemeinwohl verpflichtet wäre. In den Augen mancher Kollegen kommt er seiner Vorbildfunktion nur unzureichend nach, wenn er sich wie ein Berserker aufführt. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass der eine oder andere VfB-Profi lieber den Russen Pawel Pogrebnjak in der Sturmmitte sähe, weil der weniger egoistisch denkt, dafür aber berechenbarer in seinen Aktionen und Reaktionen ist. Allerdings hat der lange und eher ungelenke Blonde, anders als Cacau, beim VfB noch nie den Torriecher nachgewiesen, der ihn befähigte, dauerhaft die alleinige Spitze zu bilden.

Das schafft auch für Trainer Bruno Labbadia ein Problem. Solange beide nicht treffen und Cacau den Motzki gibt, ist der Angriff der Roten weitgehend lahmgelegt. Da fehlen dann auch die Argumente, länger auf die beiden zu setzen. Es sei denn, es gibt keine Alternativen. Das ist der schlimmste Fall. Dann bleibt nur die vage Hoffnung auf ein Ende der Ladehemmung, und das ist deutlich zu wenig für einen Verein mit gehobenen Ansprüchen, wie sie der VfB hat.

Auch deshalb hat Labbadia am gestrigen Dienstag dazwischengefunkt und mit der gesamten Mannschaft das Thema Körpersprache behandelt: Wie wirke ich auf Mitspieler und Fans durch Gesten und Mimik, wie verpacke ich Wut oder Enttäuschung in positive Ausdrucksformen? "Cacau weiß ja, dass die Mannschaft das Wichtigste ist", sagt der Coach. Warum er dann nicht konsequent danach handelt? "Weil man seinen Charakter nicht grundlegend verändern kann. Deshalb muss er sich immer wieder zurückbesinnen auf das, was gefragt ist." Zuweilen ermahnt sich Cacau selbst, ruhiger und besonnener zu agieren - bis er wieder in das negative Verhaltensmuster verfällt. "Als Spieler musst du immer wieder versuchen, deine Gedanken und dein Handeln ins Positive zu wenden", sagt Bruno Labbadia, "manchmal merkt man es selbst gar nicht, dass man auf dem falschen Weg ist. Dann braucht es andere Menschen, die einen darauf hinweisen."Menschen wie Labbadia.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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