Sven Ulreich

"Mein Ziel ist die Nationalmannschaft



Vor dem Südderby gegen Bayern München am Sonntag (17.30 Uhr/Sky und Liga total) steigt das Adrenalin - auch bei Sven Ulreich (23). "Wir wollen unseren Fans mit einem Sieg ein Weihnachtsgeschenk machen", sagt die Nummer eins des VfB Stuttgart.

Herr Ulreich, Anfang der Woche hatte Sie ein grippaler Infekt erwischt. Sind Sie jetzt wieder auf dem Damm?
Ja, mir geht es wieder gut. Am Dienstag lag ich komplett flach. Seither habe ich viele Vitamine zu mir genommen und das Essen nachgeholt, das ich nicht zu mir nehmen konnte.

Am Sonntag werden Sie gegen die Bayern alle Kräfte brauchen.
Das schätze ich auch. Das wird eine sehr schwere Aufgabe, aber das sind auch die schönsten. Vielleicht tut uns dieser Gegner gut, weil wir über uns hinauswachsen müssen. Jeder hat den Ehrgeiz, die Bayern zu ärgern.

Was tun Sie als Torhüter dafür? Wie fokussieren Sie sich im Allgemeinen - und speziell auf solche Gegner?
Die Spannung steigt die ganze Woche über. Zu Beginn ist das Torwarttraining etwas lockerer. Je näher das Spiel kommt, desto mehr konzentriere ich mich. Da achte ich im Training darauf, dass ich mir durch gute Aktionen die Sicherheit hole. Zwei Tage vor dem Spiel gibt uns Trainer Bruno Labbadia letzte Details, und ich gehe mit unserem Torwarttrainer Andreas Menger Stärken und Schwächen der gegnerischen Spieler durch.

Hilft das wirklich? Im Spiel geht es doch so schnell, da bleibt Ihnen doch kaum Zeit, Ihr Wissen abzurufen.
Für einen Torhüter ist es schon wichtig zu wissen, welcher Stürmer mit welchem Fuß den Abschluss sucht. Schießt er rechts, links oder beidfüßig? Auf solche Fakten lege ich Wert. Entsprechend schiebe ich im Spiel meine Vorderleute auf die Gegenspieler.

Und am Spieltag, sind Sie da locker oder in einer Art Tunnel?
Von einem tiefen Tunnel würde ich nicht sprechen. Aber ich gehe da in mich, wie jeder Spieler. Da ist die ganze Mannschaft ruhiger, da ist nicht mehr alles lustig, und es wird kaum noch geredet.

Als letzter Mann hängt von Ihnen noch mehr ab als von Ihren Mitspielern. Wie anstrengend ist es, sich ständig auf höchstes Niveau zu pushen, gerade psychisch?
Wenn man die 34 Spiele in der Liga plus die Pokalspiele nimmt, ist es schon recht anstrengend. Nicht physisch, sondern mental. Wenn jetzt die letzten drei Partien dieses Jahres vorbei sind, freue ich mich wirklich über eine Woche Weihnachtsurlaub.

Inwieweit schulen Sie Ihre Konzentrationsfähigkeit?
Ich habe über die Jahre hinweg eine Art Routine entwickelt. Ich weiß, dass ich mich immer wieder fokussieren kann. Und ich kann mich darauf verlassen, dass ich dieses Können immer abrufen kann. Das beruhigt.

Sie haben ohnehin die Ruhe weg, oder?
Ja, Muffensausen habe ich nie. Eher eine Grundruhe, die tut mir gut. Ich bin froh, dass Gott mir diese Gabe mitgegeben hat.

Sie haben immer beteuert, dass Bernd Leno und seine mögliche Rückkehr zum VfB Sie auch kaltgelassen haben. Waren Sie wirklich so cool?
Ich bin noch nicht so lange Profi-Torhüter. Aber ich habe gelernt: Es bringt nichts, auf andere zu schauen. Ich wusste: Wenn ich mich auf mich und meine Leistung konzentriere, hat es Bernd schwer, wenn er zurückkommt.

Hat es Sie gestört, dass zumindest unterschwellig der Eindruck entstand, Ihre Leistungen seien nicht gut genug für den VfB?
Vom VfB hat niemand diesen Eindruck erweckt. Und was das Umfeld angeht, kann man es nie allen recht machen. Aber ich denke, ich habe in den vergangenen beiden Jahren Jens Lehmann gut ersetzt.

Hatten Sie eigentlich mal Kontakt zu Leno?
Nein. Wir hatten uns ja erst im Sommer kennengelernt. Außerdem liegen vier Jahre zwischen uns.

Leno ist in Leverkusen für den verletzten René Adler eingesprungen. Der war 2010 Nummer eins in der Nationalelf, jetzt muss er sich im Sommer einen neuen Verein suchen. Haben Sie Mitgefühl mit ihm, gibt es so etwas im Haifischbecken Profifußball?
Fußball ist Tagesgeschäft, da steckt man nie drin. Sicher ist das eine schwierige Situation für René, aber er hat genug Klasse, um einen starken Verein in Europa zu finden, wenn es in Leverkusen nicht klappt.

Was lehrt Sie sein Beispiel?
Man sieht, wie vergänglich alles ist. Man kann nichts für garantiert nehmen. Deshalb muss man die Zeit genießen, in der es gut läuft, und das Beste für sich rausziehen.

Nun ist Bayern-Torhüter Manuel Neuer, Ihr Gegenüber am Sonntag, die Nummer eins in der Nationalelf. Können Sie sich von ihm etwas abschauen?
Ich beobachte immer andere Torhüter, das ist immer lehrreich. Früher habe ich viel von Timo Hildebrand abgeschaut. Zum Beispiel, wie lange er in Eins-gegen-eins-Situationen stehen bleibt, das habe ich von ihm übernommen. Ich denke, das ist mir auch gut gelungen.

Nehmen Sie den gegnerischen Torhüter während des Spiels eigentlich wahr?
Teils, teils. Ich bin da so im Spiel drin, und es ist so ein weiter Weg zum anderen Tor, da sieht man nicht, ob der andere beim Gegentor einen Fehler gemacht hat.

Und wenn er fünf, sechs Bälle fantastisch rausfischt?
Das nimmt man dann schon wahr.

Hinter Neuer werden Namen wie Ron-Robert Zieler und André ter Stegen fürs deutsche Tor gehandelt. Ihr Name fällt nicht, obwohl sie permanent starke Spiele abliefern.
Ich muss einfach weiter gute Leistungen bringen, damit ich vielleicht auch auf die Liste der Kandidaten komme. Ich habe ja schon für die U 21 gespielt, das war eine große Ehre für mich. Ganz klar, mein Ziel ist die A-Nationalmannschaft. Ich träume davon, für Deutschland zu spielen.

Da kommt Ihnen der FC Bayern und der direkte Vergleich mit Neuer gerade recht?
Nicht nur deshalb. Wir wollen unseren Fans mit einem Sieg gegen die Bayern ein Weihnachtsgeschenk machen. Die ganze Mannschaft ist heiß. Sie brennt darauf, die Münchner zu schlagen.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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