Bundesliga

Die neue Stuttgarter Kompaktklasse



Es sind Kleinigkeiten, die zeigen können, wie eine Fußballmannschaft funktioniert. Sie kommen in keinem Jahresrückblick vor, meist ist nicht mal im Zusammenschnitt der Höhepunkte des Spiels ein Platz für sie frei. Sie erscheinen unwichtig und irgendwie selbstverständlich – doch manchmal können sie entscheidend sein. Beim VfB gab es jüngst mal wieder so einen Moment – es war beim Auswärtssieg beim FC Augsburg. Die Roten führten 2:1, doch Mitte der zweiten Hälfte drohte ihnen das Spiel zu entgleiten. Die Kompaktheit fehlte. Die Mannschaftsteile standen zu weit auseinander. Und der FCA war drauf und dran, den Ausgleich zu erzielen.

Doch dann kam der Auftritt von Mittelfeldmann Christian Gentner.

Er dauerte nur ein paar Sekunden. Doch er ebnete den Weg zum Sieg. Gentner stand vor einem Abschlag der Roten im Mittelkreis . Dann lief er vor, ermahnte die Offensivkräfte um Vedad Ibisevic per Handzeichen, ein paar Schritte weiter zurückzukommen. Dann ging er zu den Abwehrspielern und forderte sie wieder per Handzeichen auf, ein paar Schritte weiter ­hinten rauszurücken.

Gentners Gesten zeigten Wirkung

Gentners Gesten zeigten Wirkung: In der Folge trat der VfB wieder als kompakte Einheit auf. Wenige Minuten später erkämpften sich die Roten den Ball und erzielten das 3:1. Die Sache war gegessen – und Manager Fredi Bobic freute sich „über die Geschlossenheit, die uns den Sieg brachte“.

Die neue Stuttgarter Kompaktklasse sorgte für den Erfolg in Augsburg – und sie ist entscheidend dafür, dass die Roten nach acht Partien ohne Niederlage nacheinander kurz vor dem Sprung in die Europa-Liga stehen. Und das Beste: Die Mannschaft ist – das zeigt das Beispiel Gentner – mittlerweile sogar in der Lage, bei Missständen korrigierend einzugreifen. Das macht einen Trainer besonders glücklich, weshalb Bruno Labbadia sagt: „Solche Siege wie gegen Augsburg sind fast noch schöner und wertvoller als jene, bei denen man nur spielerisch glänzt. Wir haben dagegengehalten, sind kompakt gestanden – das war im Stile einer Spitzenmannschaft, und so etwas macht mich unglaublich froh.“

Die Heiterkeit soll anhalten – am nächsten Freitag (20.30 Uhr/Sky und Liga total) steigt schon das Duell mit einem Konkurrenten um die Europa-Liga-Plätze. Werder Bremen, vier Punkte hinter dem Tabellenfünften VfB, kommt nach Stuttgart. „Das wird ein Spiel für Europa“, sagt Fredi Bobic, „wir können einen Kontrahenten auf Distanz halten, das ist eine tolle Ausgangslage.“ Dass die Roten mit Zuversicht auf das Saisonfinale schauen können, zeigten die vergangenen Wochen – und der Auftritt in Augsburg lieferte neben der Geschlossenheit noch ein paar weitere Belege für den Aufschwung.

Überfallartige Angriffe: Balleroberung, Steilpass – Tor. So einfach ging das zweimal in Augsburg, so einfach kommen die Roten mittlerweile zum Erfolg. Durch die Kompaktheit gelingen im Mittelfeld Ballgewinne. Und dann hat der VfB einen klaren Plan. Die Stürmer um Vedad Ibisevic und Martin Harnik starten in die Tiefe – die Mittelfeldspieler um Tamas Hajnal und Christian Gentner passen die Kugel steil in den Raum. Weil der Gegner nach Ballverlusten nur langsam reagieren kann, sind die Räume für die Angreifer offen. Die Trainingsarbeit der vergangenen Wochen, bei der Labbadia die Pass- und Laufwege einstudierte, zahlt sich aus. Und weil die Stürmer zurzeit wenige Chancen für ein Tor brauchen, springen Siege heraus.

Der Wille: Völlig abgekämpft seien seine Spieler in der Kabine gesessen, berichtete Labbadia nach dem Sieg in Augsburg. Aufopferungsvoll hatten sie dagegengehalten und unbändigen Willen gezeigt. „Die Jungs haben zurzeit eine unglaubliche Gier, etwas erreichen zu wollen“, sagt Fredi Bobic.

Die Ergänzungsspieler: „Wir sind in der Breite sehr gut aufgestellt“, meint Labbadia. Die Einwechselspieler sind Erfolgsgaranten. Da ist Christian Gentner, der das 4:4 bei Borussia Dortmund erzielt und in Augsburg die Vorlage zum 3:1 gibt. Da ist Linksverteidiger Cristian Molinaro, der beim BVB und in Augsburg hinten sicher steht und Dampf nach vorne macht. Und da sind Profis wie Maza oder Cacau, die laut Labbadia „bei den meisten anderen Bundesligisten von Beginn an spielen würden“. Der VfB kann von der Bank zulegen – ein wichtiger Erfolgsfaktor. All das führt dazu, dass Labbadia jetzt sogar das Wort „Spitzenmannschaft“ im Zusammenhang mit seinem Team in den Mund nimmt. Und dass einige im Umfeld des VfB trotz sieben Punkten Rückstand auf den Vierten Mönchengladbach von der Champions League träumen. „Ich lasse jeden träumen“, sagt Labbadia und grinst, „aber ein bisschen muss ich darüber schmunzeln.“

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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