Mercedes-Benz-Arena

Stadion besteht Stimmungs-Test



Das Heimspiel gegen den Hamburger SV hat der VfB Stuttgart am Freitagabend verloren. Wir haben derweil die umgebaute Mercedes-Benz-Arena auf Herz und Nieren geprüft. Das Ergebnis: Die Mercedes-Benz-Arena ist ein Fußballstadion, das sich durchaus sehen lassen kann. An manchen Stellen hakt es noch, aber vor allem in Sachen Stimmung hat sich einiges getan.

Die Anreise



Schon vor dem Umbau in ein reines Fußballstadion herrschte an Spieltagen im Cannstatter Verkehr Ausnahmezustand. Nach der Fertigstellung ist die Kapazität auf 60.000 Zuschauer erweitert worden. Das sorgt nicht gerade für eine Entlastung des Verkehrs. Die einfachste und beste Möglichkeit, das Stadion zu erreichen, ist die Sonderlinie U11 der Stadtbahn. Die ist zwar rappelvoll, bringt die Zuschauer aber schnell und auf direktem Weg zum Stadion. Alternativ fährt die S1 zum Neckarpark. Auch vom Cannstatter Bahnhof ist der Fußweg zur Mercedes-Benz-Arena nicht weit. Rund um das Stadion stehen 12.000 Parkplätze zur Verfügung, die mit einem Verkehrsleitsystem ausgezeichnet sind. Schwierig wird es an Spieltagen wie am Freitag gegen den Hamburger SV: Gleichzeitig mit dem Spiel wurde das Volksfest eröffnet, in der Porsche-Arena gab's einen Zirkus, in der Schleyerhalle eine Messe - und dann noch einen schweren Verkehrsunfall in der Mercedesstraße. Die Partie musste zehn Minuten später beginnen.


Die Sicherheit im Notfall



Vor dem Umbau war es ganz einfach. Die Fans, die aus den Blöcken in der Cannstatter Kurve und der Untertürkheimer Kurve das Stadion verlassen wollten, gingen durch die Ausgänge und waren draußen. Heute ist das anders. Die Mercedes-Benz-Arena besitzt einen erhöhten Umlauf, den man zunächst betritt, wenn man die Blöcke im Unterrang der Kurven verlässt. Gegenüber ist entweder die Scharrena oder der Fantreff und eine große Wand. Wer nun aus dem Block kommt, muss nach links oder rechts, um zu einer großen Treppe zu kommen, die aus dem Umlauf nach draußen führt. Wenn nach dem Spiel Tausende von Menschen aus dem Stadion wollen, wirkt dieses Szenario sehr eng und bewirkt bei manchem Fan ein flaues Gefühl in der Magengegend. Was, wenn eine Panik ausbricht? Kein Problem, sagt Winfried Geiger. Der Echterdinger Sicherheitsberater hat den VfB beim Stadionbau beraten: "Das ist alles schon in der Planung sauber durchgerechnet worden", sagt er. "Baurechtlich wurde alles vorher mit der Stadt abgesprochen, im Notfall sind die Rettungswege und die Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Notärzten komplett aufeinander abgestimmt." Das Gefühl der Enge beim Verlassen des Stadions entsteht dadurch, dass die Fans sich nach der Partie noch über das Spiel unterhalten, dabei langsam gehen und vielleicht ab und zu noch an einem Stand stehen bleiben, um sich noch etwas zu trinken zu kaufen. In einem Panikfall würde jeder Besucher das Stadion schnell über die großen, sehr breiten Treppen verlassen können.


Die Toiletten



Jeder Fußballfan hat während des Besuchs in der Mercedes-Benz-Arena natürlich auch gewisse Bedürfnisse - und damit sind nicht Stadionwurst und Bier gemeint. Ein stilles Örtchen wird man an einem Ort, an dem sich 60.000 Menschen zur gleichen Zeit ein Fußballspiel ansehen, wohl auch nicht finden. Trotzdem wird der Gang zur Toilette im umgebauten Stadion für Männer, die ganz dringend Wasser lassen müssen, zum Genuss. Zumindest auf dem Oberrang. Vorbei sind dort die Zeiten, in denen man aushalten musste, bis endlich Halbzeit oder das Spiel vorbei war, damit man ja keine wichtige Szene verpasst. Durch spezielle Sichtfenster an den Pissoirs können Männer seit dem Umbau während sie pinkeln einen herrlichen Blick auf das Spielfeld genießen. Das ist bisher einzigartig in Fußballstadien und klingt nach einer innovativen Idee der Fans in der Cannstatter Kurve. "Das haben aber unsere Architekten entwickelt, die das wirklich toll gemacht haben", sagt ein VfB-Sprecher. Die Toiletten in der Cannstatter Kurve: nachahmenswert!


Der Service



Die Fankarte ist in der Tasche und aufgeladen. Was nun logisch ist, ist für viele ein Ärgernis. Zwar gibt es direkt neben der Karten-Station Stadionwurst und Getränke, aber wer etwas kaufen möchte, muss sich erneut anstellen. Der Weg vom Kartenkauf bis zum Leberkäsweckle dauert zehn Minuten. Verlängert wird das Anstehen durch Besucher, die nur Bargeld dabeihaben und mit den Verkäufern diskutieren. Oder durch solche, die das Pfand für ihren Becher zurück haben wollen, mangels entsprechender Hinweisschilder aber umherirren. Einer von ihnen ist Volker aus Hamburg, der VfB-Fan ist. "Ich stehe hier seit zehn Minuten und hoffe, dass mir jemand ein Bier mitbestellt", sagt er geknickt an der Kasse. Wer doch ein Bier bekommt, ist nicht immer zufrieden. Es kommt seit dieser Saison nicht mehr aus Stuttgart, das ärgert viele. Das Service-Personal versucht trotz ständiger Beschimpfungen freundlich zu bleiben und schafft das meistens auch. Die Rote Wurst ist nur lauwarm und ziemlich fettig, das Steak ist sehnig, das Leberkäsweckle dagegen gar nicht schlecht. Zurück im Block steht es mittlerweile 1:1, die 55. Spielminute läuft.


Die Stimmung



Die ehemals flache Bauweise des Stadions war auch der Stimmung nicht zuträglich. Während die Gäste in der Untertürkheimer Kurve nur wenig von den VfB-Fans mitbekamen, hörte man in der Cannstatter Kurve meist nichts von den Gegnern. Heute ist das anders. Im Stimmungsblock hört man zwar immer noch nichts von der Gegenseite, das liegt aber an der gewaltigen Lautstärke im großen Stehplatzrang. Von der Haupttribüne aus zeigt sich dann die beeindruckende Stimmung der Cannstatter Kurve. Der "VfB"-Wechselgesang aus der Kurve mit dem Rest des Stadions war bisher nur in der Champions League möglich. Im geschlossenen Fußballstadion klappt das bei jedem Spiel, und zwar in ohrenbetäubender Lautstärke. Schön anzusehen auch: Die im Takt zu Fangesängen hüpfende Cannstatter Kurve in der Breite des 16-Meter-Raums. Stuttgart wird zur Stimmungshochburg.


Die Sicht in der Kurve



Viel zu flach sei das Stuttgarter Stadion gebaut. Da sieht man von keinem Platz aus wirklich gut, man ist viel zu weit weg, und es kommt keine richtige Stimmung rüber. Vorwürfe, die man sich vor dem Umbau nicht nur von den Gästefans anhören musste. Zwar hatte die Mercedes-Benz-Arena mit Laufbahn ein ganz eigenes Flair, trotzdem wird ihr wohl niemand mehr nachweinen. Nach dem Umbau sind die Ränge in den Kurven steiler wiederaufgebaut worden. So sind die Besucher des Oberrangs trotzdem nah genug am Spielfeld dran, um gut sehen zu können. Hoch oben, nah am Dach des Stadions, bietet sich ihnen zudem ein guter Überblick über das Spielgeschehen. Die Fans im Unterrang der Kurven dürfen sich über eine Nähe zum Spielfeld freuen, wie sie es vorher fast nur von Spielen in England kannten. Seit dem Umbau sind die Kurven so nah am Spielfeldrand wie in kaum einem anderen reinen Fußballstadion in Deutschland. Mehr Fußballatmosphäre geht nicht.


Die Fankarte



Nach wie vor ist die Fankarte ein Ärgernis für Fans, die nur selten ins Stadion gehen und sich eine Karte kaufen müssen, wenn sie etwas essen oder trinken wollen. Für 20 Euro bekommt der Stadionbesucher eine Prepaid-Kreditkarte mit einem Guthaben von 15 Euro, das er nicht nur im Stadion verwenden kann. Die Karte ist an 80 Stationen im Stadion erhältlich und kann dort aufgeladen werden. Zurückgeben kann man sie zurzeit zwar noch nicht, das soll sich aber ändern (die Stuttgarter Nachrichten berichteten). Bis das so ist, verweist der VfB auf die Vorteile der Fankarte. "Dauerkartenbesitzer haben ohnehin eine Fankarte, und die können sie bequem zu Hause aufladen", sagt ein VfB-Sprecher. Ob die Karte wirklich so ein großes Problem ist, zeigt der Praxistest. Halbzeit: Aus dem Block in der Cannstatter Kurve geht es raus zur Verkaufsstation. Nach etwa viereinhalb Minuten ist die Karte gekauft. Ärgerlich wird es dann am Imbissstand. Die Warteschlange ist ellenlang. "Das Problem ist, dass an manchen Ständen eine riesige Schlange ist, während an der Station nebenan niemand ansteht", sagt ein VfB-Sprecher. Leider war so eine Station aber weit und breit nicht zu sichten.


Die Polizeistation



Hoch oben auf der Gegengeraden befindet sich die Polizei-Befehlsstelle der Mercedes-Benz-Arena. Etwa 3,5 Stunden vor der Stadionöffnung beginnt dort die Arbeit der Beamten. Stephan Widmann, Leiter der Behelfsställe: "Unsere Hauptaufgabe ist es, den Besucherstrom vor dem Spiel sicher ins Stadion zu leiten." Dazu beobachten die Polizisten die ankommenden Fans mit Hilfe von Kameras, die die Wege zum Stadion abdecken. "Wichtig ist es, dass sich VfB-Fans und Gästefans nicht über den Weg laufen", sagt Widmann. Im Stadion selbst ist die Polizei dann nicht mehr zuständig. "Da gibt es den privaten Dienst. Wir würden nur eingreifen, wenn eine Situation eskaliert." Bisher ist das in Stuttgart aber nicht passiert. Ohnehin gibt es seit den Abstiegen des Karlsruher SC und der Eintracht aus Frankfurt keine Risikospiele mehr. Je nach Situation hat die Polizei zwischen 150 und 500 Kräfte im Einsatz. "Bei einem Freitagabendspiel gegen weit gereiste Hamburger haben wir aber ein eher ruhiges Spiel", sagt Widmann.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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