HSV, 96, Bern und Sanogo: Die Posse des Jahres

Hannover 96 stand laut "kicker"-Informationen bereits kurz vor der Verpflichtung von Sekou Sanogo. Dann machte der Hamburger SV dem Ivorer schöne Augen und lotste ihn zu Gesprächen an die Elbe. Es wurde Einigkeit erzielt. Doch der Wechsel des Berner Mittelfeldmanns scheiterte wegen einer E-Mail, die 240 Sekunden zu spät beim HSV eintraf.

Der Schriftzug "The Power of Dreams" ("Die Kraft der Träume") ziert die gelben Trikots der Young Boys Bern. Sekou junior Sanogo, Angestellter des schweizerischen Erstligisten, muss das Jersey nun weiter überstreifen, obwohl sein Traum geplatzt ist. Zumindest erst einmal. Der 26 Jahre alte Fußball-Profi wünscht sich, in die Bundesliga zu wechseln. Am Montag war der Mittelfeldakteur seinem Ziel ganz nah. Er hatte zunächst geplant nach Hannover zu fliegen, um mit 96 zu verhandeln. Ein Ticket lag schon bereit. Dann aber zeigte auch der andere HSV, der aus Hamburg, Interesse an ihm.
Berns E-Mail kommt zu spät beim HSV an

Sanogo buchte um und landete um 14 Uhr mit zwei Beratern an der Elbe. Es folgten der obligatorische Medizincheck und die Einigung mit den Hanseaten. Der Rest, so waren sich alle Parteien eineinhalb Stunden vor der Schließung des Transferfensters (18 Uhr) einig, würde nur noch Formsache sein. Sie sollten sich gewaltig irren. Weil die E-Mail der Schweizer mit der Vereinbarung beider Clubs erst um 18.04 Uhr bei den Hamburgern einging, platzten der Deal und Sanogos Traum. Was bleibt, sind zwei Vereine, die sich gegenseitig die Schuld für die peinliche Panne zuschieben und ein frustrierter Fußballer.
Knäbel: "Das ist sehr ärgerlich"

Der HSV war bereits kurz nach dem Scheitern des Geschäfts bemüht, die Eidgenossen dafür verantwortlich zu machen. "Am heutigen Nachmittag waren wir uns über das Leihgeschäft einig. Leider wurden die für den Transfer erforderlichen Dokumente in Bern zu spät versendet und erreichten uns nach 18 Uhr. Das ist sehr ärgerlich", wurde Sportchef Peter Knäbel in einem am Montagabend auf der Homepage des Bundesligisten veröffentlichten Interview zitiert. Die Verantwortlichen der Young Boys äußerten sich zunächst nicht. Das konnte zumindest als Indiz gewertet werden, dass sie tatsächlich die elektronische Post zu spät versendet hatten. Knäbel, der die Verhandlungen führte, hätte in diesem Fall sein Gesicht gewahrt. Doch ist der Schilderung der Schweizer Boulevard-Zeitung "Blick" vom Dienstagmorgen Glauben zu schenken, trägt der HSV-Sportchef zumindest eine Mitschuld an dem Transfer-Theater.

"Definitive Version" um 17.51 Uhr verschickt

Laut Berns Sportlichem Leiter Fredy Bickel habe Knäbel erstmals am Sonntagmittag wegen Sanogo mit ihm Kontakt aufgenommen. Am Montagnachmittag sei dann eine Einigung erzielt worden. "Knäbel bat uns, die Vereinbarung aufzusetzen, er komme nicht mehr dazu", erklärte der 50-Jährige dem "Blick". Dies sei um 16.31 Uhr der Fall gewesen. Um 17.35 Uhr haben die Schweizer Bickel zufolge die Vereinbarung zum HSV gemailt, letzte Details wurden dann noch fixiert. 16 Minuten später sei dann die "definitive Version" des Vertrags losgeschickt worden. Kurz darauf habe er einen Anruf aus Hamburg erhalten, dass die Mail nicht angekommen sei. Auch der nächste Versuch, das Papier an den Empfänger zu schicken (17.54 Uhr), sei gescheitert. Weitere folgten. Aber erst vier Minuten nach der Schließung des Transferfensters kam der Kontrakt beim Bundesligisten an. Zu spät, um ihn noch an die Deutsche Fußball Liga (DFL) weiterzuleiten. Statt der Verpflichtung von Sanogo gab der HSV bald darauf überraschend die des schwedischen Nationalspielers Nabil Bahoui bekannt. Der Außenangreifer war zuvor nicht ein einziges Mal mit den Norddeutschen in Verbindung gebracht worden.
Wird die Schuldfrage je geklärt?

Sanogo hingegen musste die Rückreise nach Bern antreten. "Mir tut es leid für den Spieler, der gerne für den HSV gespielt hätte", erklärte Knäbel. "Auch mir tut es für Sekou enorm leid", sagte Bickel. Zumindest darin, dass der Ivorer der größte Verlierer in dieser Posse ohne Sieger ist, sind sich die Streithähne einig. Wer letztlich die Schuld an dem Scheitern des Transfers trägt, wird vermutlich nie endgültig geklärt oder an die Öffentlichkeit gelangen.
Drmic und Bahoui statt Wunschkandidat Mané

Fakt ist jedoch, dass die Hamburger nicht nur im "Fall Sanogo" eine unglückliche Figur abgegeben haben. Bereits die über Tage anhaltenden und letztlich gescheiterten Gespräche mit Sporting Lissabon über eine Ausleihe von Carlos Mané hatten den Eindruck erweckt, dass es den HSV-Verantwortlichen an Verhandlungsgeschick mangelt. Dass in Josip Drmic sowie dem zuletzt in Saudi-Arabien kickenden Bahoui erst am letzten Tag der zweiten Transferperiode zwei neue Akteure verpflichtet wurden, darf ebenfalls zumindest kritisch hinterfragt werden. Die Bundesliga-Rückrunde hat bekanntermaßen bereits vor zwei Wochen begonnen und nach den Spieltagen 18 und 19 ein neues, altes Sorgenkind: den Hamburger SV.

https://www.ndr.de/sport/fussball/Bundesliga-Hamburg,hsv16304.html


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