Beiersdorfer: Das enttäuschende "zweite Mal"

Die eigene Entlassung zunächst einmal unkommentiert hinzunehmen und das Tagesgeschäft pro forma fortzuführen, war der letzte Dienst, den Dietmar Beiersdorfer seinem HSV erweisen konnte. Der 53-Jährige erfuhr von seinem Aus bereits am vergangenen Dienstag, wollte aber - wie auch der Aufsichtsrat - die Vorbereitungen aufs Heimspiel gegen Augsburg nicht zusätzlich belasten. Am Tag danach ließ sich die Nachricht entgegen der ursprünglichen Planung aber nicht mehr zurückhalten. Beiersdorfer muss als Vorstandschef für Heribert Bruchhagen Platz machen. Das Ende einer Geschichte voller enttäuschter Erwartungen auf beiden Seiten.

Als der einstige Kapitän des Klubs 2014 den Posten des Vorstandsvorsitzenden übernahm, wurde er wie ein Heilsbringer empfangen. Und das durchaus nicht unbegründet: Beiersdorfers Ära als Sportchef von 2002 bis 2009 war schließlich in bester Erinnerung. So hatte er bei Spielertransfers regelmäßig ein glückliches Händchen bewiesen, Profis wie Rafael van der Vaart, Daniel van Buyten, Nigel de Jong, Vincent Kompany, Ivica Olic oder Marcell Jansen wurden sportlich sowie durch Weiterverkäufe auch wirtschaftlich zu Volltreffern. Zudem personifizierte der unprätentiöse Franke einen nachhaltigen, von Werten geprägten Führungsstil. Genau das schien dem HSV fünf Jahre nach der ersten Trennung schmerzlich zu fehlen. Doch bei Beiersdorfers "zweitem Mal" wurde alles anders.

Gescheiterte Transferpolitik

Vor allem seine einstige Kernkompetenz, die Transferpolitik, kam in Beiersdorfers Amtszeit als Vorstandschef überhaupt nicht mehr zum Tragen. In fünf Transferperioden produzierte der Bundesliga-Dino ein Minus von 48,77 Millionen Euro - und blieb dennoch auch sportlich ein Sanierungsfall. Im Geschäftsjahr 2014/15, als der Klub sich auf den allerletzten Drücker via Relegation in der Erstklassigkeit hielt, stand zugleich ein Rekordminus von 16,9 Millionen Euro zu Buche. Das Leben auf Pump wurde unter Beiersdorfer fröhlich kultiviert: So nahm der HSV eine 40-Millionen-Euro-Anleihe bei Privatanlegern auf, um alte Schulden abzulösen.

Befremdliche Personalpolitik

Alles andere als solide auch Beiersdorfers Personalpolitik auf Ebene der Führungskräfte. Erst entließ er Sportdirektor Oliver Kreuzer, dann ließ er auch den als seinen absoluten Wunschkandidaten vom Schweizer Verband rekrutierten Peter Knäbel nach rund eineinhalb Jahren wieder fallen. Der aktuelle Coach Markus Gisdol ist bereits der vierte Trainer seit Beiersdorfer Rückkehr, zuvor entließ der Boss Mirko Slomka, Joe Zinnbauer und Bruno Labbadia. Speziell bei Letztgenanntem, kurz zuvor noch als "Retter" umjubelt, irritierte überdies die Stillosigkeit des Vorgehens. Ebenso befremdlich: Beiersdorfers Agieren auf der Suche nach einem neuen Sportchef, die diverse Kandidaten hervorbrachte (Hoogma, Heldt, Hochstätter) aber letztlich immer unter teils kuriosen Umständen scheiterte.

Gisdol als entscheidende Weichenstellung?

Nachvollziehbare Argumente, das Kapitel Beiersdorfer zu beenden, gab es für den Aufsichtsrat also genug. Dass er seinen Nachfolgern als Vorstandsvorsitzender und Sportchef dennoch günstige Einstandsvoraussetzungen hinterlassen hat, wirkt da wie eine Ironie des Schicksals. Schließlich zeigte sich in jüngster Vergangenheit: Gisdol als Trainer zu installieren, könnte eine entscheidende Weichenstellung für eine erfreulichere Zukunft gewesen sein. Und: Sollte der eingeleitete Trend anhalten, würde automatisch auch die Kaderzusammenstellung in einem helleren Licht erscheinen. Für Beiersdorfer selbst käme das indes zu spät.

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