HSV: Man darf sich Sorgen machen

Noch kein Saisonsieg, lediglich zwei Tore in sechs Spielen, Tabellenplatz 18 mit einem Punkt: Die Bundesligasaison 2016/2017 ist noch jung, aber eines ihrer größten Sorgenkinder ist altbekannt: der HSV. Der dritte Existenzkampf des Bundesliga-Dinos innerhalb von vier Jahren scheint programmiert. Es sei denn, Neu-Trainer Markus Gisdol kann das Ruder schnell herumreißen.

Der erste Auftritt der Hamburger unter Bruno Labbadias Nachfolger Gisdol in Berlin war eine Art Mogelpackung: von außen betrachtet ganz nett anzusehen, trotz der 0:2-Niederlage. Schaut man etwas genauer, sind die HSV-Baustellen riesig, womöglich gar nicht zu beheben. Offensiv lief es im 4-4-2-System mit zwei Stürmern besser. 16 Torschüsse, in den fünf Partien zuvor waren es zusammen sechs gewesen, feuerten Startelf-Debütant Pierre-Michel Lasogga und Co. ab. Allein, keiner fand den Weg ins Tor der Hertha. Die Abschlussschwäche der "Rothosen" ist eklatant.

Viel Aufwand für minimalen Ertrag
Was zudem auffiel: Für diesen spielerisch ordentlichen Offensiv-Auftritt musste die Gisdol-Elf einen extremen Aufwand betreiben. Das ging vor allem in der Schlussphase zu Lasten der Defensive. Neben den beiden Toren von Vedad Ibisevic verzeichneten die kompakten Berliner noch fünf Großchancen gegen die löchrige Abwehr der Hanseaten. Das vordergründig Mut machende Gisdol-Debüt hätte in den letzten Minuten auch in einem Debakel enden können.

Hausgemachte Probleme in der Zentrale
Dabei hat der neue Coach Kader-Probleme geerbt, für die er keine Verantwortung trägt, sie aber irgendwie in den Griff bekommen muss. In der dünn besetzten Innenverteidigung hat der HSV zwei verletzungsanfällige Spieler (Johan Djourou und Emir Spahic). Alternative Cleber ist ein Unsicherheitsfaktor. Auf der "Sechser"-Position sind die Dauerläufer Lewis Holtby und Albin Ekdal alles andere als dynamische Spielantreiber. Die Schultern von Talent Gideon Jung sind noch etwas schmal, als dass sie die Verantwortung auf dieser Position tragen könnten. Unter dem Strich bleibt die Erkenntnis: In der Zentrale ist der HSV-Kader trotz 30 Millionen Euro Transferausgaben vor der Saison besorgniserregend besetzt, während es auf den Außenbahnen großes Gedrängel gibt.

"Politikum Alen Halilovic"
Und da wäre noch das "Politikum Alen Halilovic" (O-Ton Gisdol), mit dem es umzugehen gilt. Der junge Kroate wurde vom Boulevard schnell zum "Mini-Messi" hochgejazzt, dessen Nichtberücksichtigung für die Startelf schon Labbadia ein ums andere Mal in die Bredouille gebracht hat. Dass der 20-Jährige technisch herausragende Anlagen hat, war nach seiner Einwechlsung gegen Berlin erneut zu sehen. Dass ihm allerdings auch noch einiges an Wettkampfhärte und Erfahrung fehlt, um dem sich suchenden HSV wirklich weiterhelfen zu können, ebenfalls. So oder so, das Thema Halilovic wird eine HSV-Baustelle bleiben.

Furchteinflößender Spielplan

Der Kroate ist einer von sieben HSV-Profis, die in der Länderspielpause für ihre Nationalteams unterwegs sind. Mit Spahic, Ekdal, Filip Kostic oder auch Bobby Wood fehlen Gisdol nun wichtige Akteure, wenn es darum geht, seine Idee vom Fußball dem Team zu vermitteln. Eine Herkulesaufgabe für den Neuen, der einen ungeduldigen Chef Dietmar Beiersdorfer im Nacken ("Wir müssen mal Punkte holen und Spiele gewinnen") und einen furchteinflößenden Spielplan vor der Brust hat. Nach der Länderspielpause muss der HSV wieder auswärts ran, beim Champions-League-Teilnehmer Borussia Mönchengladbach (15.10.). Es folgt das Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt (21.10.), ehe die schweren Aufgaben bei den Himmelsstürmern aus Köln (30.10.) und zu Hause gegen die Angriffsmaschinerie von Borussia Dortmund (5.11.) anstehen.

Gegen Dortmund an Uwes 80. Geburtstag
Zurzeit wandeln die Hamburger auf den Spuren ihres bisher schlechtesten Saisonstarts. In der Serie 1972/73 hatten sie nach zehn Spieltagen fünf Punkte auf der Habenseite. Ob es am 5. November mehr sein werden? Um es in den Worten von Club-Ikone Uwe Seeler zu sagen, der am Tag des Heimspiels gegen die Dortmunder seinen 80. Geburtstag feiert: Man darf sich Sorgen machen.

https://www.ndr.de/sport/fussball/Bundesliga-Hamburg-HSV,hsv17306.html


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