„IHR HABT ES DOCH SO GEWOLLT“

Beiersdorfer besucht die HSV-Rebellen



Am Tag nach dem Derby-Sieg gegen Bremen (2:1) besucht Dietmar Beiersdorfer (52) die Meisterfeier vom HFC Falke (9. Liga) – dem Verein, den Fans aus Enttäuschung über die Ausgliederung der HSV-Profiabteilung vor zwei Jahren gegründet hatten. Für SPORT BILD setzen sich der HSV-Boss und Falke-Präsidentin Tamara Dwenger (30) zum Doppelinterview über Fußballkultur, Anteilseigner und ihre schwarz-weiß-blauen Wurzeln auf die Falke-Trainerbank.

SPORT BILD: Meisterfeier beim HFC Falke, die HSV-Rettung mit dem Derby-Sieg vom HSV. Wie fühlt sich das an, Herr Beiersdorfer?

Dietmar Beiersdorfer: Es ist noch nicht zu Ende. Mit solchen Prognosen bin ich immer sehr zurückhaltend, wenn noch nicht der Strich drunter ist. Aber es war natürlich ein großer Schritt für uns. Ich erwarte, dass wir jetzt den nächsten in Mainz machen.

Tamara Dwenger: Ich gehe zwar nicht mehr ins Stadion, aber auch ich habe auf einen Sieg gehofft. Sonst hätte sich Didi bei uns die ganze Zeit anhören müssen, was beim HSV schon wieder los ist.



Wie sehr ärgert es Sie, dass Sie die härtesten HSV-Fans vor zwei Jahren verloren haben, Herr Beiersdorfer?

Beiersdorfer: Man muss das einfach akzeptieren. Die große Mehrheit der Mitglieder war 2014 der Überzeugung, dass es für das Fortkommen des Klubs besser ist, die Profiabteilung auszugliedern. Eine Gruppe von HSVern, die dem Verein jahrzehntelang die Treue gehalten hat, wollte das leider nicht mittragen. Das ist eine Einstellungssache zur Fußballkultur. Wichtig ist es, die Unabhängigkeit zu akzeptieren. Ich glaube, dass alle den HSV noch ein Stück weit im Herzen tragen.

Dwenger: Die tiefe Bindung zum Verein kann man nicht einfach streichen. Wir sind auch nicht der Anti-HSV, wie es am Anfang so oft hieß. Die Ausgliederung hat bei mir am Ende eigentlich nur den letzten Schubs gegeben. Mir hat der Umgang im Verein, vor allem in der Ausgliederungsdebatte, nicht gefallen. Es hat weh getan, mit was für Mitteln damals gekämpft wurde.

Beiersdorfer: Ich glaube, dass wir dieses Thema aufgenommen haben. Bei meinem Amtsantritt habe ich gesehen, dass es im Klub einen Clash of Culture gab. Es ist ein täglicher Kampf, diese zusammenzubringen.

Wie sieht der aus?

Beiersdorfer: Wir haben viel Arbeit und Liebe im Detail eingebracht, um uns mit den Menschen im und um den Verein herum auseinanderzusetzen. An der einen oder anderen Stelle hieß es zuletzt: Warum muss der HSV ein Leitbild entwickeln? Es mag einige nerven, das zu hören: Aber dem Klub hat die Orientierung gefehlt.
Ist die unter Ihnen zurückgekehrt?

Beiersdorfer: Du kannst es nicht von heute auf morgen drehen! Der HSV ist wie ein riesiger Tanker. Wir haben viele Mitarbeiter, Zuschauer, Mitglieder, so viele Einflüsse von außen. Man muss das navigieren können.

Bitte konkreter.

Beiersdorfer: Man sieht an der Mannschaft, dass es nicht von heute auf morgen geht. Natürlich sagt man: Ihr müsst mal ein paar Tore mehr schießen. Aber die kommen nicht zwangsweise von neuen Spielern. Selbst wenn du einem Spieler zehn Millionen Euro Gehalt gibst – wenn er keine Orientierung im Klub hat, wenn die Mannschaftsstruktur nicht stimmt, dann wird er keinen Wirkungsgrad erreichen, der 10 Millionen rechtfertigt.

Dwenger: Beim HSV hat man jahrelang jemanden gebraucht, der diesen Verein führt und dem man abnimmt, dass er ihm emotional verbunden ist. Mit Didi hat man ihn gefunden. Er muss nicht sagen: Ich bin HSVer. Er strahlt es aus. Vor der Relegation konnte jeder sehen: Da hat jemand eine Woche nicht geschlafen. Er leidet genau wie wir.



Sie haben das Gefühl, unter Beiersdorfer gab es eine Wende?

Dwenger: Ja, auf jeden Fall.

Ist dann auch eine Rückkehr zum HSV ein Thema?

Dwenger: Ich sage es mal so: Ich lebe in Scheidung und verstehe mich mit dem Mann weiter sehr gut. Aber deswegen würde ich ihn nicht wieder heiraten. Das Gleiche gilt auch für den HSV. Der HFC wird immer ein schwarz-weiß-blaues Gen in sich tragen. Nicht ohne Grund spielen wir samstags um 12 Uhr. So hat jeder, der möchte, die Möglichkeit um 15.30 Uhr zum Anpfiff im Volkspark zu sein. Ich verfolge den HSV aus der Ferne weiter. Mit dem Abstand von zwei Jahren kann ich jetzt über einiges schmunzeln...

Zum Beispiel?

Dwenger: Wenn der vermeintliche Großinvestor sich wieder zu Wort meldet, denke ich: Ihr habt es doch alle so gewollt!

Sie sprechen Herrn Kühne an, der 11 Prozent der Anteile an der HSV Fußball AG hält. Wäre auch ein finanzielles Engagement beim HFC denkbar?

Dwenger: Im Bereich Sponsoring sind uns zwei Dinge wichtig: Ein gewisser lokaler Bezug soll da sein. Zweitens sollte es jemand sein, der dem Fußball-Umfeld verbunden ist. Angenommen, jemand wie Herr Kühne möchte uns gerne unterstützen, dann können unsere Mitglieder basisdemokratisch darüber entscheiden. Es ist wichtig, dass sich jedes Mitglied dieser Verantwortung bewusst wird. Basisdemokratie muss auch gelebt werden.



Ein Diskussionsthema unter den Falke-Fans ist die Diskrepanz der Summen: 1,5 Prozent der HSV-Anteile kosten 4,03 Mio. Euro. Das reicht nicht mal für die Ablöse von Ekdal (4,5 Mio.)....

Beiersdorfer: Da passen in der Tat die Relationen nicht mehr zusammen.

Dwenger: Das ist allgemein ein Problem im Profifußball. Und es ist unter anderem genau das, was wir beim Thema Ausgliederung kritisiert haben. Der HSV ist nicht der FC Bayern München, der deutlich erfolgreicher ist, und zig Millionen für seine Anteile fordern kann. Und wenn man dann den Druck hat, verkaufen zu müssen? Am Ende will jeder mit seinen drei Prozent mitreden.

Beiersdorfer: Es ist nicht so, dass einer unserer Investoren Einfluss üben kann. Aber es ist doch unsere Pflicht, mit ihnen zu sprechen, zumal wir einen sehr vertrauensvollen Umgang mit ihnen pflegen. Sie haben ihr Geld investiert und das in der schwierigen Situation der letzten zwei Jahre. Natürlich ist es richtig, dass wir zu dem Zeitpunkt, als die Entscheidungen getroffen wurden, nicht in der Situation des FC Bayern München waren. Sonst hätten wir die Entscheidung nicht getroffen.

Hier ertönen gerade „Europapokal“-Sprechchöre. Wann gibt es beim HSV mal wieder Großes zu feiern?

Beiersdorfer: Es braucht ein bisschen, aber es kommt schon. Ich kann mir ja hier Appetit holen. (schmunzelt)

Dwenger: Es gibt einem unglaublich viel, in die glücklichen Gesichter zu schauen.

Beiersdorfer: Das war beim Derbysieg auch der Fall. Wir sind nicht Meister geworden. Aber trotzdem haben wir viele glückliche Menschen gesehen.

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