JOVANOVS HSV: NEUER AUFSICHTSRAT GESUCHT

Spätestens im Frühjahr 2018 sollen fünf neue Kontrolleure gewählt werden. Für den HSV ist diese Wahl aus mehreren Gründen richtungsweisend.

In meiner Zeit als Sportreporter habe ich viel über Fußball gelernt. Aber wahrscheinlich noch viel mehr über Vereinspolitik. Ein Thema, das mich früher überhaupt nicht interessierte. Ich kannte weder Namen von Aufsichtsräten, noch wusste ich um ihre Funktion, Bedeutung und ihren Einfluss. Erst mit dem zunehmenden Einblick habe ich ein Verständnis dafür entwickelt, warum der Hamburger SV so ist, wie er ist. Und wie schwer die Arbeit in einem Fußballklub sein kann, dessen Führung regelmäßig mehr Chaos stiftet als gute Entscheidungen zu treffen.

Genau aus diesem Grund stimmten am 25. Mai 2014 fast 9000 Mitglieder für eine grundlegende Reform, der HSV wollte sich neu aufstellen. Und ich erinnere mich noch genau daran, wie ich auf dem Rasen stand, auf die volle Tribüne blickte und eine Euphorie verspürte, die ich in dieser Form danach nie wieder verspürt habe. Ich war mir sicher: Hier tut sich etwas. Leider lag ich falsch.
Die großen Ziele des Konzepts HSVPlus sind bisher nicht erreicht

"Dieses Votum ist die Startlinie. Von heute an geht es los in dem Konzept HSVPlus. [...] Wir wollen in drei Jahren eine solide Mannschaft haben, die auch Nachwuchsspieler auf dem Rasen sieht. Wir wollen einen Verein, der in der Lage ist, in der Transferperiode mit breitem Kreuz aufzutreten, weil die Finanzen wieder geordnet sind." Gesagt hat diese Worte Karl Gernandt, bis Ende 2016 Vorsitzender des Aufsichtsrates der damals neu gegründeten HSV Fußball AG.

Getan hat sich seither viel. Allerdings im negativen Sinne. Fast keines der damaligen Versprechen wurde eingehalten. Der HSV hat - gemessen an der Performance der letzten drei Jahre - alles andere als eine solide Mannschaft, eigene Nachwuchsspieler sind vom Bundesligakader noch weit entfernt und über die Finanzen ist bereits viel gesagt und geschrieben worden. Die Lage ist niederschmetternd.
Warum ich dieses Thema jetzt aufgreife? Weil in den kommenden Wochen erneut richtungsweisende "Wahlen" anstehen. Der HSV sucht nämlich einen neuen Aufsichtsrat. Und so läuft das Procedere: Die neuen Mitglieder des Aufsichtsrates werden auf der derzeit noch nicht fix terminierten Hauptversammlung der Anteilseigner (der HSV e.V. hält die meisten Anteile) der HSV Fußball AG gewählt. Diese Versammlung soll in einem Zeitfenster von November 2017 bis Februar 2018 abgehalten werden.
Der Präsident des HSV e.V., Jens Meier, gehört dem Aufsichtsrat als sogenanntes geborenes Mitglied automatisch an. Die weiteren fünf Mitglieder schlägt das Präsidium des HSV e.V. nach Zustimmung durch den Beirat zur Wahl vor. Vereinfacht: Das Präsidium schlägt sich quasi selbst Kandidaten vor und wählt diese anschließend. Eine umfangreiche Liste mit Bewerbern soll bereits vorliegen. Namen will das Präsidium aber erst sechs Wochen vor der Wahl kommunizieren.
Schaffen es mehrere Kühne-Ablehner in den Aufsichtsrat?

Ob Klaus-Michael Kühne als größter Geldgeber erneut einen Vertrauten in das Gremium entsenden darf, steht derweil noch nicht fest. "Laut Ausgliederungsdokumentation besteht für keinen Aktionär mit Ausnahme des HSV e.V. ein Sonderrecht. Über darüber hinaus gehende Vertreter wurde nicht entschieden," erklärt Jens Meier.
Für die zukünftige Ausrichtung des HSV hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Kühne ist die Wahl neuer Aufsichtsratsmitglieder von großer Bedeutung. Schaffen es mehrere Kühne-Ablehner in den Rat - wovon im Umfeld des HSV ausgegangen wird - könnten sie, sofern sie die Mehrheit bilden, neue Deals mit dem Investor blockieren. Das wiederum hat Einfluss auf die Personal- und Transferpolitk der sportlichen Leitung.
Zu spüren bekommen hat Sportchef Jens Todt die Auswirkungen am Anfang und am Ende der Wechselperiode. Denn aus eigener Kraft können die Rothosen so gut wie keinen Transfer mehr stemmen. Sie sind viel zu sehr von Kühnes Geld abhängig geworden. Gleichzeitig ist es jedoch die Pflicht des Aufsichtsrates, die Finanzen des Klubs im Auge zu behalten und einer Überschuldung oder gar einer Insolvenz rechtzeitig entgegenzuwirken. Deshalb gab es am Anfang des Sommers die Ansage, zunächst den Personaletat zu senken und Einnahmen zu generieren. Später knickte der Aufsichtsrat aufgrund des öffentlichen Drucks ein und korrigierte seine Vorgaben.

Kühne kann auch Teil der Lösung sein

Einfacher wird die Lage beim HSV in den nächsten Wochen und Monaten nicht. Die Verantwortlichen brauchen eine Lösung, um aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit auszubrechen. Oder eine Idee, wie Kühne in den Aufbau eines nachhaltigen Konzeptes integriert werden kann. Ich habe einen naiven Vorschlag: Wie wäre es, wenn er sich in den nächsten Jahren viel stärker im Nachwuchs engagiert und dabei hilft, die besten A-, B- und C-Junioren des Landes nach Hamburg zu holen? Wie wäre es, wenn der HSV die Ausbildung, Entwicklung, Förderung und den späteren Verkauf vielversprechender Talente zur Sanierung fest in seiner Strategie verankert und die gesamte Transferpolitik darauf ausrichtet?
Andere Klubs machen vor, wie es gehen kann. Aber ich höre die Stimmen derer, die das für nicht umsetzbar halten, schon jetzt. Hamburg sei nun mal nicht Freiburg, Leipzig oder Hoffenheim, werden sie sagen. Nur: Warum hat nie jemand den Versuch gewagt, so zu werden? Weil die Erwartungshaltung eine andere ist? Das halte ich für einen großen Irrtum.

Der neue Aufsichtsrat wird nicht nur über sportliche und finanzielle Strategien grübeln müssen, sondern auch darüber, wer diese umsetzen soll. Schließlich läuft der Vertrag von Heribert Bruchhagen am Saisonende aus. Es ist naheliegend, dass sich der HSV zeitnah nach einer jüngeren Alternative umsehen muss. Seit einiger Zeit gibt es das Gerücht, dass e.V.-Präsident Meier sein Interesse daran bekundet haben soll, Bruchhagens Posten nach Ablauf seines Vertrages zu übernehmen.
Ob er sich das wirklich vorstellen kann? "Ich kommentiere keine Gerüchte. Fakt ist: Wir haben einen exzellenten Vorstandsvorsitzenden, der das vollste Vertrauen des Präsidiums genießt. Grundsätzlich wird der Vorstandsvorsitzende in einer Aktiengesellschaft vom Aufsichtsrat ausgewählt und bestellt", antwortet Meier. Ein Aufsichtsrat, über dessen Zusammenstellung er maßgeblich mitentscheiden kann. Als Dank springt vielleicht ein neuer Job für ihn raus. So läuft nun mal Vereinspolitik. Das habe ich in den letzten Jahren gelernt.

http://www.goal.com/de/meldungen/jovanovs-hsv-neuer-aufsichtsrat-gesucht/ig8uyndzpvi312wztdwvb8qxs

Falls sich noch jemand fragt, warum der Hamburger SV so kaputt ist und HSV Plus eine katastrophal falsche Wahl war.


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