HSV, was nun? "Aufstieg ist kein Selbstläufer"

Der lange Abschied des Hamburger SV kam gleich doppelt grausam. "Das muss man alles erst einmal verarbeiten", sagt Aufsichtsratchef Bernd Hoffmann nach dem ersten Abstieg in der Clubgeschichte, der begleitet war von vermummten Chaoten mit Böllern, Rauchbomben und Bengalos. Der Glaube an die "Unabsteigbarkeit" versiegte - und das Plakat mit der Raute in Hoffmanns Händen symbolisierte nur mehr das trotzige Versprechen: In einem Jahr sind wir wieder da in der Fußball-Bundesliga. Doch so einfach wird das nicht, sagen Experten. Und Tradition allein hilft nicht weiter, wie der 1. FC Kaiserlautern gerade beweist, der 1998 als Aufsteiger noch Meister wurde und künftig in Liga drei zu Hause ist.

Auch HSV-Legende Uwe Seeler warnt: "Ein Selbstläufer ist der Aufstieg sicher nicht. Ich weiß, wie schwer es ist, wieder aufzusteigen." Ähnlich argumentiert Holger Hieronymus, ehemaliger HSV-Profi und -Sportvorstand: "Ich habe noch keine Argumentationskette gesehen, dass ein Abstieg heilsam sein kann. Die Unterschiede zwischen Erster und Zweiter Bundesliga sind enorm."

Vorsätze schon vergessen?
Allein der Absturz kommt einem Desaster gleich: Sportlich, wirtschaftlich und für die Marke, die sich als "Dino der Liga" positioniert hatte. Alte Zöpfe sollen im Zuge des Neubeginns radikal abgeschnitten werden, hat Hoffmann für den Fall der Fälle angekündigt. Doch der Dino macht als Maskottchen weiter, obwohl er doch als ausgestorben gilt. Und auch die Uhr tickt als Zeichen der Tradition weiter, obwohl sie beim Abstieg aus der Eliteliga stehenbleiben sollte. Vorsätze schon vergessen? "Wir müssen viele Steine umlegen, um wieder in die Spur zu kommen", sagt Hoffmann und verweist im NDR Sportclub auf "viele falsche Entscheidungen in der Vergangenheit. Dass wir acht Wochen nach außen ein gutes Bild abgegeben haben, reicht mir persönlich nicht aus."

Sportchef dringend gesucht
Immerhin ist die Trainerfrage geklärt: Coach Christian Titz wird seinen Posten behalten. Wie es mit den anderen vakanten Positionen in der Chefetage der Hamburger aussieht, steht derweil in den Sternen - oder in Hoffmanns Notizbuch. Der Erfolg in einem Profi-Club habe damit zu tun, ob alle wichtigen Positionen topbesetzt sind, sagt der alte und neue "Macher und Alleinunterhalter" (Mäzen Klaus-Michael Kühne). "Wir brauchen eine Trend-Umkehr. Unser Fokus muss wieder viel mehr auf dem Sport liegen. Das ist unser Versäumnis gewesen."

Besonders dringend gesucht ist ein Sportchef mit Sitz im Vorstand, den allzu gerne Bernhard Peters einnehmen würde. Mit seinem Vorstoß per Interview mitten im Abstiegskampf hat sich der frühere Hockey-Bundestrainer offenbar aber disqualifiziert. "Jeder darf seine Ambitionen intern äußern", sagt Hoffmann im NDR süffisant. Holstein Kiels Ralf Becker soll ein heißer Kandidat sein. Neben einem Marketing-Experten fahndet der HSV zudem nach einem Vorstandsvorsitzenden. Frank Wettstein soll nun zurück ins Finanzressort.

Sparen müsste das Gebot der Stunde sein

Nordrivale Hannover 96 musste vor zwei Jahren erfahren, was ein Abstieg bedeutet. Hannover machte in seiner Zweitliga-Saison einen Verlust von zwölf Millionen Euro. "Ein zweites Jahr mit diesen hohen Kosten und Verlusten hätten wir aber nicht durchstehen wollen und auch nicht können", betont Clubchef Martin Kind. Beim Hamburger SV sind rote Zahlen in dieser Größenordnung programmiert. Hoffmann: "Auch in der Bundesliga hatten wir zuletzt jedes Jahr ein zweistelliges Millionenminus; dieses Jahr 13,4 Millionen Euro." Das müsse sich komplett ändern, zumal Verbindlichkeiten von 105,5 Millionen Euro den Verein belasten. "Wir werden mit Sicherheit nicht weiter Unsinnspreise zahlen, wie wir das in der Vergangenheit teilweise getan haben."

Überdurchschnittlicher Zweitliga-Etat
Während Kind den durchschnittlichen Kaderetat der Zweitligisten mit zwölf bis 15 Millionen Euro beziffert, kalkuliert der HSV angeblich mit 30 Millionen Euro (zuletzt waren es 55 Millionen Euro). In welcher Form sich Logistik-Milliardär Kühne weiter engagieren wird, ist unklar. Sparen wird erstes Gebot für die Hanseaten sein. Hoffmann: "Immer dann, wenn es uns schlecht geht, zu Herrn Kühne zu rennen", sei keine Lösung. "Wir müssen uns von ihm im Kopf unabhängig machen."

Millionen-Minus bei TV-Geldern
Sparen und besser haushalten sei das Gebot der Stunde. "Wir können nicht weiter über unsere Verhältnisse leben", so Hoffmann. Die 296 HSV-Mitarbeiter sollen zwar bleiben, aber das Minus bei den TV-Geldern (Kind: "Das ist der größte Hammer.") macht die Planungen nicht leichter. Kassierte der HSV in dieser Saison noch 34,145 Millionen Euro, werden es in der kommenden Zweitliga-Saison nur noch 20,714 Millionen Euro sein. Hinzu kommen Einbußen bei den Sponsorenverträgen sowie niedrigere Eintrittspreise (Dauerkarten sollen 15 Prozent billiger werden) und sinkende Erträge im Merchandising und in der Arena. Dass die Bezüge der Topverdiener um 30 bis 40 Prozent sinken sollen, ist dabei wohl nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Was wird aus den Topverdienern?

Bestverdiener dürfte der zuletzt an Leeds United ausgeliehene Pierre-Michel Lasogga sein. Sein Vertrag würde auch in der Zweiten Liga mit 3,4 Millionen Euro honoriert. Selbst Bobby Wood bekäme trotz Abstiegs-Gehaltskürzungen noch zwei Millionen Euro pro Jahr überwiesen. Neuverpflichtungen werden nur im bescheidenen finanziellen Rahmen möglich sein. Mit Stürmer Manuel Wintzheimer, der ablösefrei vom FC Bayern München kommt, und Abwehrspieler David Bates von den Glasgow Rangers wurden zwei Talente schon verpflichtet. Ob Fiete Arp bleibt, ist jedoch ebenso unklar wie die Zukunft von Großverdienern wie Aaron Hunt, Lewis Holtby oder Kapitän Gotoku Sakai, der schon angekündigt hat, seinen Vertrag verlängern zu wollen. "Wir müssen uns den Gegebenheiten der Zweiten Liga anpassen", sagt Hoffmann. Damit die Stadionuhr nicht irgendwann die Zeit des HSV im Unterhaus der Bundesliga anzeigt.

https://www.ndr.de/sport/fussball/Fussball-Zweite-Bundesliga-HSV-Aufstieg-kein-Selbstlaeufer,wiederaufstieg100.html


Mal ein Artikel, der diverse Probleme, die anstehen anreißt. Viel zu viele nehmen den direkten Wiederaufstieg für Selbstverständlich und mit so einer Einstellung kann man nur auf die Schnauze fliegen. In Zeiten, in der man eine Chance hat, Ballast los zu werden, fehlt jede Spur von nötiger Demut.


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