Was sich beim HSV für eine bessere Zukunft ändern muss

Es gibt noch Hoffnung für den HSV und die Fans, dass der Verein es schafft, sich aus den unteren Tabellen-Regionen zu befreien.

Es wird viel bewegt rund um das Volksparkstadion in dieser Woche. Auf der Ostseite der HSV-Arena stehen Baufahrzeuge und schaufeln Erde raus, auf der Westseite rein. Nicht nur ein neuer Stadionrasen wird in diesen Tagen verlegt. Auch der Innenbereich zwischen dem Spielfeld und den Rängen soll komplett erneuert werden. Neben dem Stadion arbeitet eine Baufirma an dem neuen Kunstrasenplatz, der direkt neben dem HSV-Campus entsteht. Die Kosten für diese infrastrukturellen Maßnahmen liegen im siebenstelligen Bereich und werden finanziert durch die Anleihe, die der HSV vor neun Monaten auf dem Kapitalmarkt platziert hat.

Es verändert sich etwas im Volkspark. Am kommenden Dienstag eröffnet auf dem Campus die neue Alexander-Otto-Akademie für 16 HSV-Talente. Von Juli an werden im Volkspark alle Nachwuchsmannschaften von der U 16 an trainieren. Wenn man so will, könnte man von einer neuen Zeitrechnung sprechen beim HSV. Eine Zeitrechnung, die mal wieder mit einem Wort verknüpft sein wird: Hoffnung.

Bei keinem anderen Bundesligaclub wird dieses Wort so maßlos in den Mund genommen wie beim HSV. Es steht stellvertretend für all die Fehler, die der Club in den vergangenen acht Jahren begangen hat. Es steht für all das, was falsch gelaufen ist seit 2009, als der HSV in der europäischen Clubrangliste noch in den Top 20 lag.

Beim HSV wurde viel gehofft

So zuverlässig wie die Krisen und Querelen den HSV in diesen Zeiten heimsuchten, so zuverlässig keimte auch immer wieder dieses eine Wort auf. Hoffnung. An jedem Tiefpunkt lag die Hoffnung. Und nach der Hoffnung kam der Tiefpunkt. So lassen sich die vergangenen Jahre des HSV trefflich beschreiben. Die Hamburger haben das Kunststück vollbracht, nahezu alle Negativrekorde zu brechen, die man in dieser Zeit brechen konnte, ohne dabei abzusteigen. Sie haben den Zuspruch des Fußballgotts auf eine neu zu definierende Art in Anspruch genommen. Und sie haben auch nach dem vierten Abstiegskampf in Folge die Hoffnung nicht verloren, dass in der nächsten Saison alles besser wird. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Wie aber kommt der HSV raus aus diesem Teufelskreis der Hoffnung und Hoffnungslosigkeit?

Gehofft haben in den vergangenen acht Jahren viele HSV-Verantwortliche. Bernd Hoffmann hoffte, dass er alles allein schafft. Carl Jarchow hoffte, mit einem Dreijahresplan in die Champions League zu kommen. Dietmar Beiersdorfer hoffte, dass sich alle lieb haben. Heribert Bruchhagen hoffte, dass am Ende schon irgendwie alles gut geht. Und wenn keiner mehr hoffte, hoffte zumindest noch HSV-Idol Uwe Seeler.

Die völlig missglückte Saison 2016/17 ist noch nicht einmal zwei Wochen vorbei, da hofft auch Investor Klaus-Michael Kühne schon wieder auf eine große Zukunft. Nicht sofort, aber in drei Jahren könne man doch mal wieder auf einen Titel hoffen, sagte der seit Freitag 80 Jahre alte Unternehmer im Interview mit dem Abendblatt.

HSV zahlte 15 Millionen für Abfindungen

Will man die Fehler des Clubs in den vergangenen Jahren zusammenfassen, muss man sich nur die Herkunft des Wortes Hoffnung erschließen. Es geht hervor aus dem mittelniederdeutschen Wort hopen für hüpfen und bedeutet im ursprünglichen Sinne so viel wie "vor Erwartung unruhig zappeln". Eine Definition, die den HSV nicht besser beschreiben könnte.

Die hausgemachten Erwartungen ließen die Verantwortlichen des HSV seit 2009 derart unruhig zappeln, dass in diesen Jahren eine Reihe von beispiellosen Zahlen zustande kam. Vier Vorstandsvorsitzende, sieben Sportchefs, 13 Trainer und acht Aufsichtsratsbosse sorgten in acht Jahren für 210 Spielertransfers. 186 Millionen Euro hat sich der Club in dieser Zeit neue Profis kosten lassen. 15 Millionen Euro zahlte er allein an Abfindungen für beurlaubte Entscheidungsträger. Das H im HSV stand nicht nur für Hoffnung, sondern vor allem für Hollywood.

Was die Fans vom HSV erwarten

Trainer Nummer 13, Markus Gisdol, hat vor einer Woche nach der erneuten Last-Minute-Rettung einen großen Wunsch geäußert, als es um den Ausblick in die nahe Zukunft ging. "Bitte kein Hollywood mehr", sagte Gisdol mit Nachdruck. Die vergangene Saison hatte den Trainer an und über die Grenze der Belastbarkeit geführt. Es sei kein normales Leben mehr möglich gewesen in den vergangenen Monaten, sagte er.

Worte, die einen nachdenklich stimmen müssten. Kann dieser HSV irgendwann mal wieder ein ganz normaler Fußballclub sein? Oder müssen sich die Fans daran gewöhnen, dass ihr HSV das bleibt, was er in den vergangenen Jahren geworden ist: eine stimmungsschwankende und aufmerksamkeitsliebende Dramaqueen mit einem ausgeprägten Hang zur Selbstzerstörung?

Nein, die Fans wollen das nicht mehr. Sie wollen das, was der HSV in den vergangenen Jahren eben nicht war. Sie wollen eine Mannschaft sehen, die mit Spaß Fußball spielt. Sie wollen Spieler sehen, die sich mit dem Club identifizieren. Sie wollen Talente sehen, die eine Chance bekommen. Und sie wollen einen selbstbestimmten Club sehen, der seriös wirtschaftet. Ist das möglich?

HSV will im Volkspark zwei neue Plätze bauen

Am Donnerstag hat der HSV die Lizenz für die kommende Bundesligasaison erhalten – bekanntermaßen nur aufgrund einer Kapitalerhöhung durch Investor Kühne. In einem Monat schließt das laufende Geschäftsjahr der HSV Fußball AG. Es wird ein weiteres Jahr sein, in dem der Verein einen Fehlbetrag vorweisen wird. Die Verbindlichkeiten werden voraussichtlich wieder rund 100 Millionen Euro betragen. Der HSV ist zwar gleichzeitig Eigentümer eines Stadions mit einem Wert von rund 100 Millionen Euro, doch seriöses Wirtschaften sieht dennoch anders aus.

Finanzchef Frank Wettstein hat die Vision, die Eigenkapitalquote von derzeit rund 25 Prozent in einigen Jahren auf 50 Prozent zu erhöhen. Das Volksparkstadion soll in den kommenden Jahren auf die neuen Herausforderungen der Digitalisierung vorbereitet werden. Im Jahr 2024 sollen hier Spiele einer möglichen Europameisterschaft in Deutschland ausgetragen werden. Bis dahin will der HSV im Volkspark zwei weitere Plätze und ein neues Umkleidehaus bauen. Pläne, Träume – und vor allem mal wieder ganz viel Hoffnung.

HSV muss erstmal kleine Schritte machen

Der HSV hat in diesem Sommer eine große Chance. Er könnte aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und die richtigen Schlüsse ziehen. Diese Chance hatte der Club in den vergangenen Jahren schon häufig. Fast immer hat er diese Chance vergeben. Weil er sich von Träumen und Hoffnungen leiten ließ.

"Unser sportliches Ziel ist die Eta­blierung unter den fünf besten Mannschaften in Deutschland und eine ständige Teilnahme an internationalen Wettbewerben", heißt es im Leitbild des HSV, das der ehemalige Clubchef Dietmar Beiersdorfer vor einem Jahr veröffentlichte. Vor acht Jahren passte dieses Bild zum HSV. Acht schwierige Jahre später wird der HSV mindestens acht Jahre brauchen, um diesem Leitbild wieder annähernd zu entsprechen.

Die Fans wollen darauf im Moment gar nicht hoffen. Sie wollen nur eines: Schluss mit Abstiegskampf.

https://www.abendblatt.de/sport/fuss...r-eine-bessere-Zukunft-aendern-muss.html


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