Viele kleine Sugardaddys
Mit einer neuen Anleihe macht sich der HSV nicht mehr von einem einzelnen Gönner abhängig, sondern gleich von mehreren.

Fünf Prozent. So viel Zinsen soll die neue HSV-Anleihe abwerfen, die es Fans erlaubt, in ihren Verein zu investieren. Das klingt üppig in Zeiten der Nullzinsen. Andererseits: Welcher rationale Anleger würde zu fünf Prozent in ein Unternehmen investieren, dessen Schulden seine Wirtschaftskraft übersteigen? Eines, das seine operativen Ziele seit Jahren kontinuierlich verfehlt?

Zur Erinnerung: Mit der Ausgliederung der Profi-Abteilung in die HSV Fußball AG vor zwei Jahren sollte aus dem Hamburger Sport-Verein endlich ein professionell geführtes Unternehmen werden, vergleichbar mit der FC Bayern München AG oder der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA. Mit Frank Wettstein kam ein neuer Finanzvorstand, der vom HSV nicht mehr als "Traditionsverein" sprach, sondern als "Sanierungsfall". Und der nicht mehr von der Champions League schwadronierte, sondern es für vordringlich hielt, erst einmal die sogenannte Eigenkapitalquote zu verbessern.

In diese neue Terminologie passt nun anscheinend auch jene Meldung, die das bundesligafreie Wochenende bestimmte. Demnach steht der HSV kurz davor, eine neue, bis zu 40 Millionen Euro schwere Anleihe zu begeben.

Geplant war die Emission schon lange. Sie soll in erster Linie dazu dienen, die verbliebenen 25 Millionen Euro Schulden aus dem Stadionbau abzulösen.

Darüber hinaus erhofft sich Finanzchef Frank Wettstein von der Maßnahme eine größere bilanzielle Manövrierfähigkeit. Zehn Jahre soll das Schuldpapier angeblich laufen. Damit hätte Wettstein sein wichtigstes Ziel erreicht, nämlich die Fälligkeiten für die nach wie vor beträchtlichen HSV-Schulden so weit wie möglich in die Zukunft zu verlagern.

Charakteristisch für den angeblich neuen HSV ist weniger die Anleiheemission als solche, sondern dass es sich bei den Zeichnern wieder einmal um "vermögende Privatpersonen" handeln soll. Und das, nachdem Klaus-Michael Kühne in seiner Funktion als milliardenschwerer Marionettenspieler dem Verein über den Sommer mal wieder ein paar Spieler beschert hat, die der sich eigentlich nicht leisten kann. Steht das "S" in HSV nicht längst für Sugardaddy?

Eine Zeitlang sah es so aus, als wäre der HSV-Führung daran gelegen, das finanzielle Engagement Kühnes in die bestehenden Bilanzstrukturen zu integrieren. Sichtbarstes Indiz hierfür war die Umwandlung von Schulden bei Kühne in AG-Anteile für den Milliardär. Diese Maßnahme stärkte nicht nur das Eigenkapital, sondern machte aus dem Mäzen einen ordentlichen Aktionär.

Durchhalten mochte HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer diese Politik allerdings nicht. Mit der Entscheidung von Anfang Juni, den Einkauf neuer Spieler zumindest in finanzieller Hinsicht endgültig an Kühne auszulagern, muss der Versuch als gescheitert gelten, den Gönner in die AG einzubetten. Stattdessen hängt das Schicksal des Vereins stärker denn je an dem Mann mit dem nach eigenen Aussagen so großen HSV-Herzen. Nur: Kühne wird kommendes Jahr 80. Natürliche Erben hat er keine. Sein Vermögen soll im Todesfall in eine Stiftung fließen. Was wird dann aus den HSV-Millionen? Spannend wäre zu wissen, wie das geregelt ist.

Was man weiß: Die 25 Millionen Euro fürs Stadion, die durch die Anleihe abgelöst werden sollen, schuldete der HSV schon seit diesem Frühjahr nicht mehr seinen Banken, sondern wiederum Kühne. Angeblich soll er das Geld für diese "Zwischenfinanzierung" nun zurückerhalten. Die Schulden bei einem einzelnen Sugardaddy werden durch die Schulden bei mehreren Sugardaddys ersetzt.

Dazu passt, dass der HSV dem Anschein nach auf eine am Kapitalmarkt sonst übliche Bewertung seiner Bonität durch eine Ratingfirma verzichtet. Wozu braucht der HSV schon ein "AA-" oder ein "BBB"? Die Bonitätsnote des Hamburger SV kennt ja jeder. Sie lautet "KMK" – die Initialen Klaus-Michael Kühnes.

https://www.zeit.de/2016/38/hsv-anleihe-investition-fans


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