Nach Kiel-Klatsche Das schnelle Ende der HSV-Euphorie

Sie war riesig, die „Abstiegs-Euphorie“ beim HSV. 7500 neue Mitglieder, die Marke von 80.000 durchbrochen, 25.000 Dauerkarten abgesetzt und sogar bei den Trainingseinheiten schauten bis zu 500 Fans zu. Der Auftakt gegen Holstein Kiel war mit 57.000 Zuschauern ausverkauft – eine Champions-League-würdige Kulisse. Doch mit der peinlichen 0:3-Klatsche gegen den kleinen Nordrivalen hat der Klub aus dem Volkspark mal wieder das gemacht, was er am besten kann: seine Fans bitter enttäuscht! Das schnelle Ende der Euphorie.

Die große Hoffnung, die mit dem Neustart in der Zweiten Liga verknüpft war, verpufft bereits nach einem Spieltag in Schall und Rauch. Der HSV ist nach nur einer Partie auf dem harten Boden der Realität gelandet. Katzenjammer statt Freudentaumel. So hatte man sich die historische Premiere im Unterhaus ganz und gar nicht vorgestellt – ein Wahnsinn!

„Ich weiß, dass die Häme groß ist. Ich gebe zu, dass ich schon gedacht habe, dass wir einen anderen Auftritt zeigen. Uns hat der Mut gefehlt“, gab auch Trainer Christian Titz enttäuscht einen Tag nach dem Heimdebakel gegen die „Störche“ zu.

Holtby: „Haben auf die Fresse gekriegt!“
Zuvor hatte der Übungsleiter sein Team am Morgen zur Video-Analyse verdonnert. Sie dürfte wohl lauter ausgefallen sein, denn Mängel gab es vor allem in der zweiten Halbzeit zur Genüge. Die Gegentore von Jonas Meffert, David Kinsombi und Mathias Honsak fielen fast ohne Hamburger Gegenwehr. Aushilfs-Kapitän Lewis Holtby faste trefflich zusammen: „Das war desaströs, eine Katastrophe – einfach scheiße. Wir haben auf die Fresse gekriegt!“

Keine Körpersprache, keine offensiven Ideen, fehlende Griffigkeit und zu große Abstände zwischen den Mannschaftsteilen. Titz: „Die Mannschaft hat im Laufe des Spiels die Linie verloren und keine Antworten mehr gefunden. Ich glaube ganz einfach, dass wir einen Tag erwischt haben, der einfach nicht gut für uns lief.“

Hunts Ausfall schmerzte sehr
Ein wichtiger Faktor war auch der Ausfall von Kapitän Aaron Hunt. Der Schlüsselspieler ist der verlängerte Arm vom Trainer, sorgt mit seiner Erfahrung in den passenden Momenten für Ruhe. „Wir haben es nicht geschafft, seinen Ausfall aufzufangen“, so Titz.

Aber auch die fehlende Kaltschnäuzigkeit vor dem Kasten – Titz spielte lange Zeit ohne echten Mittelstürmer – rächte sich gegen Kiel. „Ich will nicht alles verteufeln. Wir haben über Monate viele Dinge gut gemacht. Zu sagen, die können alle nicht gut kicken, wäre der falsche Weg. Wir haben eine gewisse Qualität, die müssen wir am kommenden Spieltag mit einer anderen Griffigkeit abrufen“, sagte der Coach.

Fast viel schlimmer als die verloren gegangene Premiere ist die verursachte Enttäuschung bei den Fans. Hoffnung auf Besserung hatten alle Anhänger vor der Saison, nun haben sie den „klassischen“ HSV mal wieder zu Gesicht bekommen. Bereits nach dem zweiten Gegentreffer verließen die Zuschauer in Scharen den Volkspark.

Sportvorstand Ralf Becker ist enttäuscht
Das zarte Pflänzchen Hoffnung hat der HSV in bester Manier mal wieder selbst eingetreten. „Wir hätten gerne die Euphorie mitgenommen, das ist doch klar“, zeigt sich auch Sportvorstand Ralf Becker enttäuscht: „Die Unterstützung in der Vorbereitung war wahnsinnig, wir haben sehr viel Vertrauen von unseren Fans entgegengebracht bekommen. Dass haben wir gegen Kiel nicht bestätigt. Das ist sehr schade.“

Nach der Blamage ist der Respekt vor dem Dino a.D. erst mal weg. Die HSV-Kicker, die in Testspielen überzeugende Leistungen gegen namhafte Gegner wie ZSKA Moskau oder AS Monaco abgeliefert hatten, haben nun vor dem Spiel am kommenden Sonntag in Sandhausen mächtig Druck.

Deutliche Kritik an Spielern
Ob da der spanische Ansatz von Titz, mit einer Zweitliga-Variante des Tiki-Taka zum Erfolg zu kommen, der richtige ist? „Im Fußball kann man immer eine gewisse Idee haben“, sagt Becker: „Die Grundtugenden wie Zweikampfverhalten, Mentalität und Einsatzbereitschaft werden aber immer die Spiele entscheiden. Wir werden nicht erfolgreich sein, wenn wir nur über unsere Spielidee versuchen, Spiele zu gewinnen. Die Erkenntnisse haben wir schon länger.“

Erkenntnisse wird Titz hoffentlich aus dem desaströsen Auftakt gewonnen haben. In der kommenden Trainingswoche wird der Coach ganz genau hinsehen, wem er gegen Sandhausen vertrauen kann. „Wir ziehen unsere Lehren aus der Niederlage gegen Kiel“, sagte Titz: „Aber wir werden unsere Jungs jetzt auch nicht in den Boden drücken.“

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