Sportchef Christian Keller zieht im MZ-Interview nach einem halben Jahr Regionalliga Bilanz – und die fällt kritisch aus.


Volle Ränge: Christian Keller (Bildmitte) verfolgt ein Heimspiel des SSV Jahn Regensburg in der neuen Continental-Arena. Fotos: Nickl

Herr Keller, wie ist derzeit die Stimmung beim SSV Jahn Regensburg?

Fußball ist immer eine Momentaufnahme. Deswegen ist die Stimmung nicht so gut, weil unsere letzten Spiele einfach zu schlecht waren.

Für etwas Verwirrung hat zuletzt gesorgt, dass die Spieler mit T-Shirts für Ex-Trainer Christian Brand protestiert hatten. Ist das nun ausgeräumt?

Eigentlich möchte ich zu dem Thema nicht mehr viel sagen, darüber ist genug geredet worden. Nur eines: Ich kenne unsere Spieler so gut, dass ich weiß, dass sie mit der Aktion niemanden provozieren wollten. Weder die Fans, noch Personen aus dem Umfeld. Es war als Dankeschön an den Trainer gemeint und nicht als Protest gegen irgendwen.

Welche sportliche Bilanz ziehen Sie nach einem halben Jahr Regionalliga?

Wir haben zehn Punkte zu wenig. Die Tabellenspitze ist zu diesem Zeitpunkt der Saison so eng beieinander wie wohl noch nie. Und wir sind da mittendrin, weil wir einige desaströse Auswärtsauftritte hingelegt haben. Da gibt es auch nichts schön zu reden.

Öffentlich haben Sie die Mannschaft bislang nicht kritisiert.

Das heißt ja nicht, dass ich es intern nicht getan habe. Sie können davon ausgehen, dass ich hinter verschlossenen Türen sehr klar angesprochen habe, was mir nicht gefallen hat. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass die Spieler ganz genau wissen, was von ihnen erwartet wird.

Auf dem Platz war das nicht immer zu sehen. Warum?

Diese Diskrepanz zwischen zuhause und auswärts ist schwer zu erklären. Da hast du dich manchmal gefragt: Sind das jetzt die gleichen Spieler? Man darf ja auch einmal stolpern, aber nicht sechsmal hintereinander. Das darf uns nicht passieren, das ist dann nicht mehr tolerierbar.

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Aber an was lag es? An der Einstellung, an der Vorbereitung?

An der Spielvorbereitung des Trainers sicher nicht, die war vor Heimspielen ja dieselbe. Es lief oft so ab: Wir spielen ganz netten Fußball und du denkst: Na ja, irgendwann machen wir ein Tor. Dann machen wir aber einen Fehler, der Gegner macht ein Tor, kriegt Oberwasser und kämpft uns nieder. Wir haben es da nicht geschafft, dagegenzuhalten. Da sind dann Grundtugenden gefordert: laufen, Zweikampfhärte und taktische Disziplin. Erst wenn das passt, kommt unsere spielerische Überlegenheit zum Tragen.

Haben sich die Spieler also zu sehr aufs Fußballspielen verlassen?

Die Grundtugenden tun ab und zu weh. Da kriegst du auch mal was ab, aber das gehört eben dazu. Nur mit Hacke-Spitze-eins-zwei-drei geht es nicht, das muss ab sofort allen klar sein.

Zuletzt ist der Jahn auf den zweiten Platz abgerutscht und steht die gesamte Winterpause ausgerechnet hinter dem Erzrivalen Burghausen. Nicht schön, oder?

Mir gefällt es nie, wenn wir in der Regionalliga nicht ganz vorne sind, ganz egal hinter welcher Mannschaft. Wenn das aber ausgerechnet Burghausen ist, ist das natürlich gerade für unsere Fans doppelt bitter.

Welche positiven Dinge nehmen Sie mit ins neue Jahr?

Die Spieler haben in einigen Partien sicher in herausragender Weise gezeigt, zu was sie imstande sind. Ich denke da etwa an die zweite Halbzeit gegen Bayern II. Wir haben eine tolle Mannschaft, müssen aber konstanter werden. Wenn ich den Anspruch habe, Profifußballer zu sein, dann muss ich liefern – und das nicht nur alle zwei Wochen.

Zuletzt gab es die Kritik, dass zu wenig Spieler aus der Region im Kader stehen. Dass man gerade Ergänzungsspieler locker in Ostbayern finden würde.

Die Kritik weise ich zurück, weil sie faktisch falsch ist. Uns haben zwar vor der Saison ein paar Spieler aus der Region verlassen, wir haben aber ganz bewusst wieder welche aus der Umgebung geholt. Mit Trettenbach, Ziereis, Nachreiner, Hein, Paulus haben wir im Stamm alleine fünf aus dem direkten Einzugsgebiet des Jahn. Und dahinter kommen noch einige mehr: Jünger, Hoffmann, Kopp, Faber, Tiefenbrunner. Ich will mal einen Verein auf vergleichbarem Level sehen, der eine solche Quote hat. Es stimmt absolut, dass sich die Fans mit Spielern aus der Region sehr gut identifizieren können – und deshalb schauen wir bei der Kaderzusammenstellung auch auf eine gewisse regionale Quote.

Dürfte eine Mannschaft, die rein mit Spielern aus der Region besetzt wäre, auch öfter verlieren?

Das glaube ich nicht. Die Fußball-Romantik hört meistens dann auf, wenn nicht gewonnen wird. Das ist und bleibt ein Ergebnissport. Siege mit eigenen Jungs sind nochmal schöner, Niederlagen aber auch mit eigenen Jungs genauso schlimm. Wir beobachten die herausragenden Spieler von den Klubs der Umgebung genau. Manchmal wird mir der Sprung zur Regionalliga aber unterschätzt. Keiner, auch die ganz guten, würde dort auf Anhieb einschlagen, da bin ich mir sicher.

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Bei einer Sitzung der Gremien wurde das Anforderungsprofil für den neuen Trainer verabschiedet. Wie sieht das aus?

Im Detail will ich da nicht drüber sprechen.

Zuletzt wurde über Gino Lettieri spekuliert. Auch über Timo Rost.

Ich kommentiere keine Namen.

Aber stimmt es, dass es dieses Mal eher ein erfahrener Coach sein soll?

Es ist sicher so, dass das nicht hinderlich ist, wenn einer schon 2. oder 3. Liga gearbeitet hat und das Geschäft kennt. Ob das dann mit unseren Rahmenbedingungen zusammen passt, ist eine andere Frage.

Also mit dem Gehalt, das der Jahn zahlen kann?

Genau.

Aber es heißt, dass der Jahn durch erfreulich hohe Sponsoren- und Zuschauereinnahmen seinen Etat aufstocken konnte.

Da wurde viel erzählt. Richtig ist, dass wir in der Tat etwas mehr eingenommen haben als geplant. Falsch ist, dass wir alle Mehreinnahmen in Mannschaft und Trainer stecken können. Wir müssen leider immer auch noch Altlasten abtragen.

Aber es ist noch etwas Spielraum da?

Ja, etwas Spielraum haben wir. Wir wollen auch die Mannschaft verstärken. Am besten im Sturm auf der offensiven Außenbahn und in der Innenverteidigung.

Werden Sie auch Spieler abgeben?

Möglich ist alles.

Ist es so, dass auch Sie in Bedrängnis geraten, wenn der neue Trainer nicht auf Anhieb Erfolg hat?

Grundsätzlich ist es so, dass wir uns alle wünschen, dass wir auf dieser entscheidenden Position ab sofort mehr Kontinuität haben...

...und wenn nicht. Wird es dann nicht vor allem Ihnen angelastet werden?

Das müssen Sie eigentlich andere fragen. Aber ich stehe als Geschäftsführer hier vorne dran, da kann ich mich am Ende auch der Verantwortung nicht entziehen.

Quelle: mittelbayerische.de