Der SSV Jahn ist überzeugt, mit Heiko Herrlich den richtigen Mann für das Unternehmen Aufstieg gefunden zu haben.

Das Fußballgeschäft sei bisweilen ein „monkey business“, also frei übersetzt ein Affenzirkus, hatte Christian Keller Mitte November gestöhnt. Wenige Minuten, nachdem der SSV Jahn Regensburg per Pressemitteilung in Umlauf gebracht hatte, dass er sich zur Winterpause von seinem Trainer Christian Brand trennen wird, lagen dem Sportchef des Regionalligisten bereits die ersten Bewerbungen von aktuell beschäftigungslosen Fußballlehrern vor. Weit mehr als 50 sollen letztlich eingetrudelt sein.

„Absolut überzeugend“

Gut einen Monat nahm sich der Traditionsverein Zeit für die Suche nach einem Brand-Nachfolger. Am Sonntagabend um 19.17 Uhr meldete der SSV Jahn nun Vollzug. Mit Ex-Nationalspieler Heiko Herrlich als Coach soll die Rückkehr in die dritte Liga gelingen. Der 44-Jährige unterzeichnete einen bis zum Saisonende gültigen Kontrakt, der sich im Aufstiegsfall um ein Jahr verlängert. Im Rahmen einer Pressekonferenz in der Continental Arena wird Herrlich an diesem Dienstagnachmittag offiziell vorgestellt. Trainingsstart ist am 11. Januar.

An Vorschusslorbeeren fehlt es nicht: „Absolut überzeugend“ sei Herrlich im Auswahlprozess aufgetreten, lobt Christian Keller, der für die Restsaison des Tabellenzweiten diese Losung ausgibt: „Packen wir es gemeinsam an!“ „Wir sind der Überzeugung, mit Heiko Herrlich den richtigen Mann gefunden zu haben“, sagt auch Vorstandschef Hans Rothammer.

Mit dem gebürtigen Mannheimer an der Seitenlinie beschreitet der Jahn einen Mittelweg. Herrlich ist nicht der mit allen Wassern gewaschene Trainer-Routinier, den viele im Jahn-Umfeld auf der Rechnung hatten. Er ist aber auch nicht der relativ unerfahrene Neuling im Geschäft – ein Manko, das seinem Vorgänger Brand oft zum Vorwurf gemacht worden war.

„Es gibt für mich vier Leistungsfaktoren: Technik, Taktik, Athletik und Persönlichkeit. Eine erfolgreiche Mannschaft besteht für mich aus elf Dienern – da will jeder dem anderen helfen“, mit diesen Worten beschrieb Heiko Herrlich vor gut einem Jahr im Gespräch mit dem Magazin „11Freunde“ sein Konzept. Für die Gefühle von Fußballprofis vor wichtigen Spielen fand er in diesem Interview durchaus martialische Worte, sprach von „Schlacht“, „Krieg“, „Angstschweiß“ und „nackter Angst“.

Herrlich hat selbst einen wichtigen Kampf gewonnen: den Kampf gegen den Krebs. Im Herbst 2000 war beim damaligen Dortmunder ein bösartiger Hirntumor diagnostiziert worden. Er unterzog sich einer Strahlentherapie und schilderte später „11Freunde“ die Torturen, die er in dieser Zeit durchzustehen hatte: „Mein Kopf fühlte sich an, als hätte man mir mit einem Hammer auf den Schädel geschlagen. Wie eine ständige Gehirnerschütterung. Ich nahm sieben Kilo ab. Ich konnte nichts mehr schmecken, nichts mehr riechen. Mir fielen die Haare aus. Jeden Tag ging wieder ein Stück Lebensqualität flöten. Ich fiel in eine schwere Depression. Ich wurde zum Hypochonder. Hatte ich irgendwo ein Zwicken, dachte ich: Mein Gott, jetzt hast du auch noch Leberkrebs! Ich war voll der Psycho. So ging das ein halbes Jahr lang. Die schlimmste Zeit meines Lebens.“ Kraft gaben Herrlich nicht nur in dieser schweren Phase die Familie und sein Glaube: „Ich dachte: Okay, lieber Gott, jetzt kommt ein harter Weg. Keine Ahnung, was du mit mir vorhast, aber ich glaube daran, dass du bei mir bist.“ Als er nach überstandener Krebserkrankung auf den Fußballplatz zurückkehrte, war entsprechend oft von einem „Wunder“ die Rede.

Reizvoll, aber auch heikel

Herrlich findet in Regensburg eine reizvolle, aber auch heikle Aufgabe vor. Er muss der Mannschaft, die mit neun Siegen in zehn Spielen fulminant in die Spielzeit gestartet war, aber dann in ein tiefes Leistungsloch stürzte, neues Leben einhauchen. Und er muss gemeinsam mit dem Team die Fans wieder für den Verein gewinnen. Während die Spieler mit „Pro-Brand“-Shirts ihre Unterstützung für den geschassten Coach demonstrierten, hatte der Anhang seit einiger Zeit mehrheitlich dessen Ablösung erfordert. „Ich erwarte von Herrlich auf jeden Fall mehr als von Brand. Er bringt mehr Erfahrung mit. Wie er mit dieser Jahn-Mannschaft zurechtkommt, wird sich noch zeigen. Aber es muss einfach eine neue Bindung zwischen dem Trainer, der Mannschaft und den Fans entstehen“, kommentierte Franz Preuß vom Jahn-Fanclub „Power vom Tower“ die Trainerentscheidung.

Rothammer stellt dem neuen Coach derweil personelle Verstärkungen in der Winterpause in Aussicht. Um rund 200 000 Euro sei der Etat bereits erhöht worden. „Die Mittel, die wir brauchen, um die Mannschaft zu verstärken, sind da. Und Christian Keller arbeitet heftig daran – natürlich in Zusammenarbeit mit dem neuen Trainer“, unterstreicht der Vorstandschef.

Nach einer eindrucksvollen Spielerkarriere als einer der besten deutschen Stürmer in der Zeit um die Jahrtausendwende hat Heiko Herrlich auf verschiedenen Trainerstationen Erfahrungen gesammelt – vornehmlich im Nachwuchsbereich. Zuletzt war er Coach der U17 des FC Bayern und belegte mit den Münchnern in der Saison 2014/15 den fünften Platz in der Junioren-Bundesliga Süd/Südwest. Bereits vor dem Saisonende war in Münchner Medien spekuliert worden, Herrlich werde bald seinen Hut nehmen. Er sei „nicht sonderlich glücklich“ mit der Aufgabe bei der U17, schrieb die „tz“. Hinzu kam wohl, dass Sportvorstand Matthias Sammer und Ex-Präsident Uli Hoeneß, der als Freigänger in der Jugendabteilung arbeitet, mit der Nachwuchsarbeit beim Rekordmeister unzufrieden waren und vor der neuen Spielzeit diverse personelle Veränderungen vornahmen.

Aki Schmidt: „Alles Gute!“

Aus Dortmund meldet sich derweil Alfred „Aki“ Schmidt zu Wort. Der Ex-Nationalspieler und langjährige Fan-Beauftragte der Borussia, der Herrlich noch aus seiner BVB-Zeit kennt, wünscht „dem Jungen alles Gute beim Jahn“ und hofft „dass er in meine Fußstapfen tritt“. Dagegen hätte Herrlich sicherlich nichts einzuwenden. Die Jahn-Fans hatten Aki Schmidt einst zu ihrem „Jahrhundertrainer“ gewählt.

Quelle: mittelbayerische.de