Regionalliga-Tabellenführer Jahn Regensburg entlässt seinen Trainer Christian Brand - und gibt ihm noch zwei Spiele auf der Bank. Die Spieler solidarisieren sich "pro Brand", die Fans schreien: "Brand muss weg". Über den versteckten und den offenen Kampf innerhalb eines Traditionsvereins.

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Wie erklärt ein Tabellenführer, warum er seinen Trainer feuert? "Wir haben uns nicht mehr wohlgefühlt. Wir waren der Meinung, es muss reagiert werden", sagt Hans Rothammer, Präsident des SSV Jahn Regensburg. Zwei Punkte Vorsprung hat der Verein in der Tabelle der Regionalliga Bayern auf die Verfolger. Aber: Er hat auch nur neun Punkte aus neun Spielen geholt, vor dem Rauswurf dreimal in Folge verloren.


Und wie erklärt ein Manager, warum er seinen Trainer entlässt, ihn aber noch zwei Spieltage weiterbeschäftigt? "Die Mannschaft steht ausnahmslos hinter Christian Brand. Wir haben die kurzfristige Erfolgswahrscheinlichkeit mit ihm höher eingeschätzt als mit einem Interimscoach", sagt Christian Keller, Geschäftsführer der ausgegliederten Profiabteilung in Regensburg.

"Der Jahn", wie die Menschen in der Oberpfalz ihren Herzensklub nennen, ist kein ganz normaler Verein. Deswegen passt diese Geschichte mit der Zwei-Stufen-Entlassung von Trainer Brand sehr gut zu diesem Klub, der vor gut drei Jahren noch in Liga zwei kickte, inzwischen aber zwei Abstiege verkraften musste.

Sie haben hier vor Jahren knapp eine Insolvenz abgewendet und nun ein Stadion gebaut, das mit seinen gut 15.000 Plätzen so gar nicht nach Regionalliga aussieht. Und für viele hier passt der Klub eben auch gar nicht in die vierte Liga. Der Etat ist derselbe wie in Liga drei, die Sponsoreneinnahmen sind so hoch wie nie, und natürlich wächst die Erwartung mit den Gegebenheiten. Regensburg ist die viertgrößte Stadt in Bayern, hinter München, Nürnberg und Augsburg. Dort spielen Bundesligisten, mit denen wollen sie sich messen.

Keller spricht von Tränen bei Brands Entlassung

Auch deshalb kann hier ein Trainer entlassen werden, der als Tabellenführer das Ziel Wiederaufstieg durchaus vor Augen hat. Am vergangenen Wochenende besiegte der SSV mit Trainer Brand, wenige Tage nach dessen Entlassung, den Konkurrenten aus Unterhaching 2:1. Die Spieler liefen danach in weißen T-Shirts auch Richtung Fanblock. Auf die T-Shirts hatten sie in schwarzen Blockbuchstaben eine Botschaft drucken lassen: "Pro Brand". Die Fans riefen: "Brand muss weg".

Diese Szene war die konzentrierte Zurschaustellung eines Kampfes, der in Regensburg schon seit Monaten tobt, in Geschäftszimmern, Kabinen und auf Tribünen. Auf der einen Seite die Mannschaft und ihr Trainer, der selbst laut Präsident Rothammer "die Spieler besser macht". Auf der anderen die Vereinsführung um Rothammer und die Fans, die Brand vorwerfen, kein Spielsystem etabliert zu haben und im Umgang mit Anhängern zu ignorant aufgetreten zu sein. Mourinho könne sich seine spezielle Art auch nur erlauben, weil er erfolgreich gewesen sei, heißt es in Fankreisen.

Dazwischen steht der Geschäftsführer der ausgegliederten Profiabteilung, Christian Keller, der von seinen Tränen spricht, wenn er von der Entlassung Brands erzählt. Er trägt die Entscheidung mit. Aber er hätte sie wohl selbst nicht so getroffen. "Natürlich hätte man auch warten können bis zur Winterpause", sagt er.

Genau an dieser Stelle entzündet sich der Konflikt, in dem nun Stimmen aus dem Verein Brand als "Bauernopfer" bezeichnen. Im Klub ist von einer eilig einberufenen Sitzung im neuen Stadion die Rede, direkt nach der Niederlage gegen Ingolstadt II am 15. November. Draußen ging die Sonne unter, und drinnen forderten aufgebrachte Vertreter des Vereins das sofortige Ende der Ära Brand, mit der die ehrenamtlichen Vertreter im Verein einen zunehmendem Machtverlust verbinden und die sie sich schon nach dem Abstieg aus Liga drei im Sommer gewünscht hatten.

"Wir wollen, dass er als Tabellenführer den Verein verlässt"

Damals hatte Keller dem Drängen der Vereinsvertreter widerstanden. Nun sahen sie erneut ihre Chance und drohten teilweise mit finanziellen Folgen für den Verein. Die beiden Vertreter der ausgegliederten Profiabteilung sollen im Laufe der emotionalen Sitzung aufgebracht den Raum verlassen haben, auch Keller. Wenig später erhielt er von den Vereinsgremien den Auftrag, Brand zu entlassen. Keller konnte sich diesmal, so ist zu hören, nicht widersetzen, ohne selbst auf die Kündigungsliste zu wandern.

Im Sommer dieses Jahres hatten Unbekannte auf einer großen Werbetafel in der Innenstadt nach einem neuen Jahn-Geschäftsführer gesucht, um wörtlich: aus dem "Keller raus" zu kommen. Die Initiatoren kommen nach Informationen von SPIEGEL ONLINE aus Vereinskreisen, was verdeutlicht, wie tief die Gräben sein müssen, die sich durch den Verein ziehen.

Das erschwert auch die Suche nach einem Nachfolger für Brand, der zuvor die U21 des FC Luzern trainiert hatte und seit einem Jahr beim Jahn arbeitet. Im Verein träumen sie von einem großen Namen, ob das zum angedachten Weg der sportlichen Leitung passt, muss sich erst zeigen. In jedem Fall gerät im Konflikt zwischen Professionalisierung und traditionellem Anspruchsdenken Kellers Arbeit kurz vor der Winterpause wieder in den Fokus.

Doch zunächst wird sich Trainer Brand am Freitagabend (19 Uhr) in Schweinfurt von seinem Team verabschieden. "Es ist ein Riesenschock", sagt Kapitän Markus Palionis. "Wir wollen, dass er als Tabellenführer den Verein verlässt."

Der entlassene Trainer, der noch immer arbeitet, versucht indes, seinen Arbeitsplatz sauber zu hinterlassen, auch wenn er nicht alles versteht: "Diese Welt ist doch einfach im Moment extrem verrückt."

Quelle: spiegel-online.de Autor: Berthold Schindler