Heiko Herrlich ist vor einem guten halben Jahr gekommen, um die Abwehr zu stabilisieren – und dann das: Fußball-Spektakel im sparsamen Schwabenland. Der Jahn kommt nach zwei Rückständen gegen die SG Sonnenhof Großaspach zurück, dreht das Spiel und schockt 2200 Zuschauer in der Mechatronik-Arena mit einem 4:3 im Süd-Krimi.

Da werden Erinnerungen wach. Von einer Serie zu Beginn der Saison kann man lange zehren – im Extremfall bis zum Durchmarsch wie in der Aufstiegssaison 2011. So weit ist der SSV zwar noch lange nicht, aber 6 Punkte aus den ersten beiden Spielen waren so sicher nicht eingeplant. Insofern ist Jahn-Trainer Heiko Herrlich zunächst einfach nur „glücklich, einen Dreier mit nach Hause zu nehmen“.

Herrlich: „Wir wollten es einfach mehr“
„Die ersten 20 Minuten haben wir eine sehr gute Leistung gezeigt, sind gut ins Spiel gekommen“, beschreibt Herrlich die Berg- und Talfahrt seiner Mannschaft. „Nach der verdienten Führung hat der eine oder andere das Gefühl gehabt, es geht von alleine – das Gegenteil war der Fall.“

Ein Freistoß nach einem unnötigen Foul, dann sogar das 2:1: „Ja, plötzlich sind wir im Rückstand und der Geschichte hinterher gelaufen.“ Die zweite Halbzeit sei dann sehr turbulent gewesen: „Wir haben zwei Tore schön herausgespielt und, denke ich, auch verdient gewonnen – wir wollten es einfach mehr.“

Zapel: „Darüber wird zu reden sein“
Etwas ratlos versucht SG-Trainer Oliver Zapel das Geschehen in Worte zu fassen: „Wir waren zu Beginn zu passiv, haben zugeschaut, wie der Gegner den Ball hat laufen lassen. Das hatten wir uns anders vorgenommen, wir wollten viel aggressiver sein.“ Dann habe sich sein Team an den eigenen Haaren aus dem Schlamassel gezogen, sei in Führung gegangen, habe eine Zeit lang das eigene Spiel durchgesetzt. „Das Tor direkt nach der Halbzeit nach einem Standard darf uns so einfach nicht passieren, da gab’s eine klare Zuordnung.“ Darüber werde zu reden sein.

„Dann macht der Timo Röttger das, wofür er bekannt ist, wofür wir ihn eingewechselt haben.“ Zu diesem Zeitpunkt habe Zapel überhaupt keinen Zweifel mehr gehabt, dass die drei Punkte hier im Stadion verblieben. „Mir der gelbroten Karte wendete sich das Blatt dann.“ Mitten in die Umorganisationsphase hinein habe der Gegner eiskalt zugeschlagen durch zwei fast identische Spielzüge – „und das hat uns leider Gottes dann um den Lohn unserer ganzen Arbeit gebracht.“
Obgleich Zapel kurz vor Schluss noch zwei riesige Torchancen für seine SG erkannt haben möchte. „Der Pascal Breier hatte freie Bahn zum Tor und hat sich dann aber für eine Hereingabe entschieden. Und der Kai Gehring mit seinem Kopfball aus Nahdistanz hätte eigentlich auch das Tor machen müssen.“ Insofern wäre ein 4:4 verdient gewesen.

Starker Auftakt der Oberpfälzer
Im wirklichen Fußballeben aber hätten auch die Regensburger schon viel früher die Weichen auf Sieg stellen können. Schon in den ersten 5 Minuten holt der Gast zwei Ecken. Vor allem über Alex Nandzik und Erik Thommy strahlt der SSV Gefahr aus.
Insofern ist verständlich, dass SG-Trainer Zapel früh unzufrieden aufs Geschehen blickt: Er schickt die Ersatzbank zum Warmmachen. Mit Recht, denn seine Startelf beobachtet mit Respekt den Konter aus dem Lehrbuch über Thommy, der vier G‘Aspacher aussteigen lässt und im richtigen Moment auf Grüttner passt, der die Mittelstürmerrolle perfekt ausfüllt und unhaltbar zum 0:1 einnetzt (25.).

Wie war das? Freistöße vermeiden, stand da ganz groß in Heiko Herrlichs Pflichtenheft. Im direkten Gegenzug schenkt die schläfrige Jahnabwehr den Schwaben einen Standard, vor denen der Trainer eindringlich warnte, und Josip Landeka nimmt das Präsent gerne an mit einem Schuss ins Kreuz 1:1 (27.) – die schläfrige Jahn-Mauer kam bei der Augusthitze auch nicht in die Gänge und bleibt am Boden kleben.

Zwei Standards, zwei Tore
Der nächste Freistoß für Großaspach, die langen Kerls kommen nach vorne, verlängert, Chaos im Strafraum, Oli Hein klärt (30.). Guter Idee von Kapitän Markus Palionis, aber der Ball auf Jann George kommt etwas zu ungenau, er kann das Ding nicht verarbeiten (35.). Freistoß nach Foul an Grüttner: Der Pass geht ins Abseits.

Sebastian Schiek, Großaspachs rechter Außenverteidiger, wirft weit ein, der Abpraller fällt Nicolas Jüllich vor die Füße, der versenkt die Kugel zum 2:1 (39.). Um den nächsten Konter der Hausherren zu unterbinden, fällt Palionis Landeka an der Mittellinie und sieht Gelb. Die nächste Ecke für Großaspach, die jetzt am Drücker sind – nach starkem Beginn steht der Gast jetzt doch ein nwenig unter Schock, weil er es dem Gegner zu einfach macht, die Tore zu machen.
Der Kleinste hat Oberwasser
Zu Beginn der zweiten Hälfte ist Regensburg bemüht, die Kontrolle zurückzuerobern. Auch der Jahn kann Standards: Scharfe Freistoßflanke von Kolja Pusch auf Marc Lais, der kleinste da vorne schraubt sich hoch, sein Kopfball schlägt zum 2:2 ein (51.). Es ist wie gegen die Wand geredet: Wieder verursacht der SSV im direkten Gegenzug einen Freistoß für Landeka, der den Ball weit in den Strafraum drischt, aber Pentke ist zur Stelle.

Pusch bekommt das Leder zentral 16 Meter vorm Kasten, nur noch der Keeper ist vor ihm, der Ball wird abgefälscht, Ecke – kein Problem für Keeper Broll. Alexander Nandzik holt die nächste Ecke – Eric Thommy darf’s versuchen, im 16er fallen drei Regensburger folgenlos. Marvin Knoll entwickelt sich nach seiner Jugendenttäuschung in der U17, als ihn Heiko Herrlich vorm Turnier heimschickte, noch zum Liebling des Trainers: starke Rolle des Berliners als Antreiber von hinten raus.
Kurioser Rempeltreffer
Pusch setzt sich durch, legt ab auf Thommy, schnelle Körpertäuschung, er zieht ab, gelockt, Ecke für Pusch – Knoll ist noch mit drei Stoppeln am Ball, drüber. Was ist das, bitte? Ein verunglückter Pass von Schiek in den Himmel, Pentke springt ihm in die Wolken entgegen, Timo Röttger rempelt den Regensburger Schlussmann um, der Kopfball rollt ins Tor – keiner rechnet damit, dass das zählt, nicht mal die Großaspacher Zuschauer – tut’s aber. Es steht 3:2 (69.). Ist er wieder zurück, der Auswärtsfluch?

Freistoß für den Jahn, Pusch aus 25 Metern – er kann’s doch, Stichwort Rostock: einige Meter links am Pfosten vorbei (69.). Worauf wartet Heiko Herrlich? Großaspach bereits mit dem zweiten Wechsel, ah, jetzt kommt beim SSV die Leihgabe aus Leverkusen. Patrik Džalto ersetzt Lais, Regensburg ab sofort noch offensiver (70.).
Doppelrot bringt die Wende
Gelbrot für Landeka nach rüdem Einsteigen gegen Oli Hein – Regensburg bekommt 15 Minuten in Überzahl serviert. Puschs Freistoß holt der Keeper sicher runter (75.). Auch wenn Jann George nicht gerade der Mann für die einfachen Bälle ist, die komplizierten macht er –nach kongenialem Pass von Patrik Džalto streichelt er die Kugel an Broll vorbei zum 3:3 in die Maschen (78.).

Jetzt führen Geipl, Pusch und Thommy die Gastgeber vor – ein Spielzug über sechs Stationen, und Thommy schlenzt ins rechte untere Eck zum 3:4 (79.). Aber der Jahn will es spannend machen: Wieder der lange Ball der Großaspacher, Palionis mit dem langen Bein – kritischer Freistoß für die Großen Aspacher an der Strafraumgrenze und Palionis geht mit Gelbrot vom Platz. Schieks Ball bleibt in der Mauer hängen.
Kopp kommt als letzter Innenverteidiger
Sven Kopp muss jetzt als letzter gelernter Innenverteidiger ran, und Haris Hyseni soll nach Möglichkeit den Deckel drauf machen – Erik Thommy darf sich nach starkem Spiel erholen. Grüttner hat die Chance, alles klar zu machen, Kevin Broll pariert zweimal, weil auch Džalto den Abstauber nicht verwertet (89.). Normalerweise ist das ja die Zeit der Zeitspielwechsel – Großaspach aber bringt noch einen Stürmer für die Nachspielzeit.

Grüttner und George spielen den Konter, Grüttner versucht mit dem rechten Außenriss Jann anzupeilen, da geht ihm die Kraft aus. Auf der anderen Seite übersieht der Schiri Breiers Handspiel, der geht auf und davon, aber statt einzunetzen, legt er quer, die Kugel geht vorbei (91.).
Fünf Minuten Nachzittern
Nochmal der Freistoß für Großaspach, Pascal Sohn bringt die Kugel auf Jeremias Lorch, Kopfball zentral auf Pentke (92.). Hatten wir darüber schon mal geredet? Pentke verschenkt den Ball beim Ausschuss. Die Leichten macht er nicht, der Jann George: Er muss nur querlegen, stattdessen verschenkt er Ball und Chance. Besser macht es dann Hyseni, der den Ball an der Mittellinie behauptet, den Freistoß holt – und dann ist der Krimi zu Ende, der erste Auswärtssieg unter Dach und Fachwerk (95.).

Das hatten sich die Großaspacher, die vergangene Saison lange um den Aufstieg mitspielten, sicher ganz anders vorgestellt – und das starke 0:0 bei Chemnitz, einen der Titelaspiranten, machte den Schwaben Mut, wieder gut im Rennen zu liegen. Trainer Zapel ärgerte sich deshalb auch weniger über die vier konkreten Fehler, die zu den Toren geführt hatten, sondern mehr darüber, nicht viel höher verteidigt zu haben.
Kein besonderer Zugzwang
Unter besonderem Zugzwang nach nur einem Punkt aus den ersten zwei Spielen sieht er Großaspach dennoch nicht: „Wir stehen bis zum letzten Spiel unter Zugzwang. Wir müssen in jedem Spiel unsere Pünktchen sammeln und alles reinhauen.“ Das hätten seine Kerls auch heute getan: „Es war kein Spieler auf dem Platz, der nicht bis an seine Grenzen gegangen ist.“

Umgekehrt ist Regensburgs Trainer weit davon entfernt, trotz tadelloser Bilanz nach nur zwei Spielen bereits die ersten Tassen aus dem Schrank zu nehmen. Schließlich muss der Aufsteiger bereits am Mittwoch, 19 Uhr, gegen den nächsten Geheimfavoriten ran: Noch aber ist der Hallersche FC (4./4 Punkte) 2 Punkte hinter dem aktuellen Tabellenzweiten Jahn Regensburg.

Quelle: onetz.de