Der DFB-Pokal war für den SSV Jahn in der Vergangenheit oft eine große Bühne. Am Sonntag gastiert nun Hertha in Regensburg.

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Peter Neururer hatte Mühe, die Contenance zu wahren. Der Schnurrbart bebte. Als ihm jemand eine Tasse Kaffee reichen wollte, flüchtete sich „Peter der Große“ in Sarkasmus: „Den hab’ ich schon auf dem Kopf.“ In der Tat sah der Kulttrainer einem begossenen Pudel sehr ähnlich – an jenem 30. August 2003, an dem sein VfL Bochum in der ersten Hauptrunde des DFB-Pokals beim Zweitliga-Aufsteiger SSV Jahn Regensburg mit 1:2 (0:1) auf der Strecke geblieben war.

„Das kann nicht unser Anspruch sein!“, knurrte Neururer im vollen und für solch prominente Anlässe viel zu kleinen Presseraum des alten Jahnstadions an der Prüfeninger Straße. In der Tat spielten die Westfalen damals in der Fußball-Bundesliga eine Rolle, wie sie heute der FSV Mainz 05 oder Hertha BSC Berlin bekleiden. Sie waren ein Anwärter aufs internationale Geschäft, Neunter in der Abschlusstabelle der Saison 2002/03 und im Jahr darauf, also in jener Spielzeit, in der die ambitionierten Bochumer im Pokal außerplanmäßig bereits in Regensburg kleben blieben, sogar Fünfter.

Was Neururer am meisten wurmte: Reihum war von einem „verdienten Erfolg“ des SSV Jahn die Rede. Andras Tölcseres und Markus Knackmuß trafen für das Team von Coach Ingo Peter, Vahid Hashemian gelang nur noch der Anschlusstreffer. Der SSV Jahn schrieb in dieser Saison 2003/04, die in der 2. Liga unter dem Peter-Nachfolger Günter Brandl mit dem unglücklichen Abstieg endete, das wohl bemerkenswerteste Kapitel seiner Pokalgeschichte in den vergangenen 15 Jahren.

Noch Restkarten erhältlich

Am Sonntag (18.30 Uhr) schreiben die Regensburger in der Continental-Arena diese Geschichte im Duell mit Hertha BSC fort. Knapp 11 000 Tickets für die Erstrunden-Partie sind bereits weg, nach Vereinsangaben sind jedoch noch Karten erhältlich.

Ein Sieg des Drittligisten gegen die Hauptstädter wäre eine faustdicke Pokalüberraschung und womöglich die Basis für einen Vorstoß ins Achtelfinale – wie 2003/04. Das Velberter Stadion „Zur Sonnenblume“ war in der 2. Runde Schauplatz des mühsamen 2:1-Erfolgs nach Verlängerung beim dortigen Oberligisten SSVg, bevor am 2. Dezember 2003 der Zweitliga-Rivale MSV Duisburg zu einem denkwürdigen Ringen beim SSV Jahn aufkreuzte. Nach einem 3:3 in der regulären Spielzeit, in der die Regensburger trotz Überzahl einen 3:1-Vorsprung verdaddelten, und einer torlosen Verlängerung waren Knackmuß und Kapitän Mario Stieglmair die Pechvögel beim 2:4 im Elfmeterschießen.

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Nervenstarker Weinzierl

Einer bewies indes Nervenstärke: Markus Weinzierl, der den SSV Jahn als Coach in der Saison 2011/12 in die 2. Liga führen sollte und über den FC Augsburg nun beim ruhmreichen FC Schalke 04 gelandet ist, verwandelte.

Ansonsten war in diesem Jahrtausend für den SSV Jahn durchgängig in der ersten Hauptrunde Endstation – sofern er für diese überhaupt qualifiziert war. Das absolute Highlight datiert vom 20. August 2012. Das Los elektrisierte das Heer der Fans in der Region: Der FC Bayern München war zu Gast in Regensburg. Das Resultat lautete letztlich standesgemäß 0:4 (0:1), der Jahn, abermals frischgebackener Zweitliga-Aufsteiger, war der Übermacht des Rekordmeisters nicht gewachsen, auch wenn er in der ersten Hälfte hartnäckig Widerstand leistete.

Jupp Heynckes blitzt ab

„Nach dem 1:0 haben wir die Partie sehr souverän zu Ende gespielt“, bilanzierte Bayern-Coach Jupp Heynckes. Nette Randnotiz: Die gestrengen Jahn-Ordner hatten Heynckes zunächst den Zutritt zum Presseraum verwehrt, weil sie ihn nicht erkannten. „Am Ende haben die Konzentration und Kraft gefehlt“, gab der damalige Jahn-Trainer Oscar Corrochano zu.

Schon Wochen vor der Partie, die Jahn-Sportchef Franz Gerber zum „Spiel des Jahrhunderts“ ausgerufen hatte, hatten die Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle die weiße Fahne gehisst. Nichts ging mehr. Ausverkauft!

Nach einer Stunde war der Pokal-Hit so gut wie entschieden. Der quirlige Xherdan Shaqiri glänzte als Vorbereiter und Vollstrecker, Mario Mandzukic steuerte zwei Treffer bei, Claudio Pizarro setzte kurz vor dem Abpfiff mit dem 4:0 den Schlusspunkt. Franck Ribéry & Co. brauchten zwar Anlaufzeit, ließen die Regensburger aber offensiv kaum zur Entfaltung kommen.

Natürlich verblassen vor diesem Glanzlicht andere Pokalduelle, auch wenn die Gegner oft sehr namhaft waren. Am 26. August 2001 gab sich der SSV Jahn der Startruppe von Bayer Leverkusen mit 0:3 geschlagen, 10 500 Fans schauten zu. Noch mal 200 mehr waren Augenzeugen, als am 21. August 2004 mit Werder Bremen der amtierende deutsche Meister und Pokalsieger an der Prüfeninger Straße aufkreuzte. Als Jahn-Coach an der Seitenlinie stand mit Mario Basler ein Ex-Bremer. Erst als Werders Coach Thomas Schaaf Europameister Angelos Charisteas für den enttäuschenden Miroslav Klose brachte, war der Weg zum 2:0-Sieg geebnet. Torschützen waren Johan Micoud und Ivan Klasnic.

Weit chancenloser waren die Regensburger am 29. Juli 2011 vor 10 388 Zuschauern beim 1:3 gegen Borussia Mönchengladbach. Martin Stranzl, Marco Reus und Igor de Camargo trafen – bei einem Gegentor von Jahn-Stürmer Tobias Schweinsteiger.

Nicht zum ersten Mal zu Gast

Die übrigen Jahn-Erstrunden-Duelle im Telegrammstil: am 31. August 2002 gegen LR Ahlen 1:2, am 20. August 2004 (2. Mannschaft) gegen die SpVgg Unterhaching 1:3, am 20. August 2005 gegen Alemannia Aachen 1:3 nach Verlängerung, am 13. August 2010 gegen Arminia Bielefeld 6:7 im Elfmeterschießen und am 5. August 2013 gegen Union Berlin 1:2.

Hertha ist übrigens nicht zum ersten Mal im Pokal zu Gast in Regensburg. Am 30. August 1998 traf der damalige Bayernligist SG Post/Süd, dessen Fußballabteilung 2002 mit dem Jahn fusionierte, im alten Jahnstadion in der ersten Hauptrunde auf die von Jürgen Röber trainierten Berliner. Eyjólfur Sverrisson und Rene Tretschok sorgten vor 4500 Zuschauern für einen standesgemäßen 2:0-Sieg des Bundesligisten.

Mit von der Partie war Jan Kerler, der heute Partner der DFB-Physiotherapeuten Klaus Eder und Christian Müller in der Praxis an der Regensburger Königstraße ist und aktuell die deutsche Olympia-Auswahl in Brasilien betreut.

Quelle: mittelbayerische.de