Bundesliga

Der VfB und die Mannschaft, die keine ist



Nach fünf sieglosen Spielen verspricht Trainer Jens Keller für die Bundesligapartie bei Hannover 96 am Freitag (20.30 Uhr/Sky, Liga total) einen Dreier. Dabei sind die Niedersachsen nicht der einzige Gegner der Roten - und beileibe nicht ihr größter und gefährlichster.

Kampf, Leidenschaft und Spaß - auf diese Punkte hat Jens Keller großen Wert gelegt, seit er am 13. Oktober zum Cheftrainer aufgestiegen ist. Noch etwas war ihm wichtig: eine Hierarchie aufzubauen. Daran hapert es auch zwei Monate später am meisten - und daran könnte Keller jetzt scheitern. Falls auch die Partie beim Tabellen-Vierten Hannover verlorengeht, löst ihn wahrscheinlich Bruno Labbadia ab. Dann muss der Darmstädter die vielfältigen und tiefsitzenden Probleme lösen, die immer wieder zum gleichen Kern zurückführen. Den Roten fehlt eine Hierarchie. Sie haben eine Mannschaft, die keine ist.

Der Kapitän: Seit 2009 trägt Matthieu Delpierre die Binde - wenn er gesund und nicht gesperrt ist. Zuletzt war das seltener der Fall, was die Zweifel an seiner Eignung nur verstärkte. Ohnehin vermittelt der stille Franzose zumindest nach außen nicht den Eindruck eines starken Anführers.

Der Vize-Kapitän: Wenn Delpierre ausfällt, schlüpft Cacau in die Rolle des Spielführers. Statt sich aufs Wesentliche zu konzentrieren, fühlt sich der Stürmer dann für alles verantwortlich und verzettelt sich. Mitspieler werfen ihm Eigensinn vor, dabei predigt Cacau stets den Gemeinschaftsgedanken.

Der heimliche Kapitän: Aufgrund seiner Erfahrung als zweimaliger deutscher Meister (mit dem VfB und Wolfsburg) sowie seiner Herkunft (Nürtingen) wäre Christian Gentner prädestiniert für das Amt. Um an Delpierre zu rütteln, müsste er aber sportlich über allen Zweifeln stehen. Der Rückkehrer spielt zwar besser als unter Christian Gross, aber selten überzeugend.

Der Möchtegern-Kapitän: Sein Selbstverständnis zielt auf die Kapitänsrolle ab. Allerdings fällt Zdravko Kuzmanovic eher durch seine eigenwillige Choreografie beim Ausführen von Freistößen auf als durch exponierte Führungsqualitäten. Zuletzt war er nur Ersatz - und darüber so verärgert, dass er sich eine saftige Geldstrafe einhandelte.

Die Hierarchie: Wo die Häuptlinge fehlen, wimmelt es umso mehr an Indianern. Anders ausgedrückt: Zu viele Spieler verstecken sich in der Masse, die Abgänge von Sami Khedira, Jens Lehmann und Alexander Hleb als Profis und als Typen wurde nicht annähernd aufgefangen.

Der Kader: Seit der Meisterschaft 2007 durfte jeder Trainer seine Wunschspieler holen. So besteht der Kader aus einem Teil Armin Veh, einem Teil Markus Babbel und einem Teil Christian Gross. Richtig wahllos war es unter Gross: Wochenlang drängte er auf pfeilschnelle Flügelspieler, heraus kam Mauro Camoranesi - das glatte Gegenstück.

Die Kommunikation: "Ich kann keinem Spieler ein Mikrofon einpflanzen und sagen: Du bist jetzt der Lautsprecher", sagt Keller über seine Leisetreter. Wenn sie dann den Mund aufmachen, kommt die Botschaft falsch rüber. Christian Gentner: "Wir dürfen nicht gleich eingeschnappt sein."

Das Gehaltsgefüge: Über die Jahre holte der VfB Spieler, deren Einkommen im Missverhältnis zu ihren sportlichen Leistungen steht. Siehe Khalid Boulahrouz. Der Niederländer kam als Vize-Weltmeister aus Südafrika zurück und fügte sich wieder in seine Rolle als Ersatzspieler - die rund drei Millionen Euro pro Jahr kommen ja auch so.

Der Teamgeist: "Persönliche Interessen stehen zu häufig vor den Team-Interessen", sagt Manager Fredi Bobic. So entschuldigte Stefano Celozzi seinen dürftigen Auftritt gegen Köln so: "Ich habe ja keinen Fehler gemacht, der zu einem Gegentor geführt hat." Das ist bedenklich und führt direkt zum heutigen Gegner. Hannover ist personell nicht annähernd so gut besetzt wie der VfB. Umso mehr profitiert der Tabellen-Vierte von der mannschaftlichen Geschlossenheit.
Das gilt für alle Topteams der Liga. Bei der WM war es im übrigen nicht anders.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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