Der ewige Streit um die Finanzen

Vermutlich hat Ulrich Ruf den Tag schon x-mal verflucht, als ihn der damalige Bayern-Manager Uli Hoeneß am Ärmel zupft: "Kollege, wir werden die Option für Mario Gomez ziehen." Das war am 23. Mai 2009, der VfB unterlag am letzten Spieltag dem FC Bayern mit 1:2, und der Finanzdirektor muss seither immer wieder die Frage beantworten, die so zuverlässig ertönt wie der Ruf des Muezzins: Was habt ihr mit den Gomez-Millionen gemacht? "Wir haben sie nicht im Stadion verbaut", sagt Ruf mit einem Gesicht, als hätte ihn jemand von hinten umgeholzt, "und wenn jemand glaubt, dass ich auf einem Geldsack sitze, dann irrt er gewaltig."

Der VfB landete seinerzeit auf Rang drei und qualifizierte sich zum zweiten Mal nach der Meisterschaft 2007 für die Champions League. Und so merkwürdig es klingt: Damit begannen die Probleme. Zwar spült die Vorrunde in der Königsklasse rund 15 Millionen Euro aufs Konto des Vereins, gleichzeitig explodieren aber die Kosten für Prämien, Gehälter und Spielertransfers. Und obwohl der VfB im Jahr darauf nach einer furiosen Aufholjagd unter Trainer Christian Gross noch Rang sechs und später die Europa-Liga erreichte, blieb der Club auf Gehaltskosten von rund 67 Millionen Euro per annum sitzen. Mit anderen Worten: Wer nur ab und zu in der Champions League spielt, hat ein Problem. Wer zu den Stammgästen der Königsklasse gehört, muss sich um seine Finanzen keine allzu großen Sorgen machen.

Ulrich Ruf kam sich wohl vor wie ein Hausbesitzer, der tatenlos zusehen muss, wie sich die Termiten durch sein Dachgestühl fressen. Die Kosten drohten davonzulaufen. Inzwischen ist das Gehaltsvolumen für die Lizenzspielerabteilung auf rund 53 Millionen Euro abgeschmolzen. Nach Meinung aller Experten ein erträglicher Wert. Die Personalkosten sollten 50 Prozent des Etatvolumens nicht übersteigen. Der VfB setzt pro Geschäftsjahr zwischen 100 und 120 Millionen Euro um. So weit ist alles geregelt. Und Ulrich Ruf ist zufrieden, denn von seiner Überzeugung rückt der Finanzfachmann nicht ab: "Der Sport muss sich weitestgehend selbst finanzieren." Das tut er auch. Der FC Bayern überwies vor eineinhalb Jahren 30 Millionen Euro für den besten Stürmer, den der VfB seit Jürgen Klinsmann hatte. Einen Nachschlag von bis zu fünf Millionen Euro gibt es dann, wenn der FC Bayern den Ex-Stuttgarter gewinnbringend ins Ausland verkauft. Wie immer bediente sich der Fiskus, es blieben rund 23 Millionen Euro in der Kasse. Manager Horst Heldt holte Pawel Pogrebnjak für rund fünf Millionen Euro, Alexander Hleb, die Leihgabe vom FC Barcelona, verschlang rund acht Millionen Euro, Stefano Celozzi kam vom Karlsruher SC für 2,5 Millionen Euro, und für den Transfer von Zdravko Kuzmanovic ließ der VfB noch einmal acht Millionen Euro springen. Die zwei Jahre mit Nationaltorhüter Jens Lehmann dürften nach vorsichtigen Schätzungen mit rund sechs Millionen Euro in den Büchern stehen, die Vertragsverlängerung von Serdar Tasci (bis 2014) mit rund drei Millionen Euro.

Diesen Sommer wechselte Sami Khedira für 14 Millionen Euro zu Real Madrid. Ein warmer Geldregen, den der VfB Stuttgart gut gebrauchen konnte. Um Transfers (Molinaro, Niedermeier, Camoranesi, Audel) und Leihgeschäfte (Degen) zu finanzieren und die Kostenlücke nach der Saison in der Champions League zu schließen.

Bleibt der Stadionumbau. Der ist nicht für ein Taschengeld zu haben. 60,8 Millionen Euro kostet das reine Fußballstadion. Die Kosten trägt die Stadion Neckar Park GmbH & Co. KG. Die Gesellschaft, die eigens zur Realisierung des Umbaus gegründet wurde, gehört der Stadt. Und die bekommt die Kredite zur Baufinanzierung zu deutlich günstigeren Konditionen.

Im Aufsichtsrat der Stadion GmbH verfügt die Kommune über 60 Prozent der Stimmen, der VfB über 40 Prozent und eine Sperrminorität. Was bedeutet: Ohne grünes Licht von den Roten geht nichts.

Der VfB ist stiller Gesellschafter der GmbH mit einer Einlage von 27 Millionen Euro. 20 Millionen kamen über die Namensrechte am Stadion vom großen Nachbarn mit dem Stern, zwei Millionen über zusätzliche Werbeflächen und drei Millionen aus einem günstigen Darlehen des künftigen Catering-Partners Aramark. Der Rest stammt aus Bankdarlehen, die über künftige Mehreinnahmen abgetragen werden. Vorteil für die Stadt: Sie spart jährlich die Betriebskosten von 3,5 Millionen Euro, die unter anderem den Stuttgarter Vereinen zugutekommen sollen. Die Ballsporthalle unter der Untertürkheimer Kurve ist im Frühjahr 2011 schon fertig. Mit den Investitionen in die Profi-Mannschaft hat das Stadionprojekt eher wenig zu tun. "Das ist im wahrsten Sinne des Wortes eine andere Baustelle", sagt Stefan Heim, Geschäftsführer der VfB Stuttgart Stadion GmbH & Co. KG. Unbestritten ist allerdings: Während des Umbaus schrumpft die Sitzplatzkapazität. Dadurch fehlen jährlich drei bis vier Millionen Euro an Ticketeinnahmen. Aber schon nächsten Sommer ist die neue Mercedes-Benz-Arena fertig. "Wir bauen Steine für Beine", sagt Stefan Heim mit breiter Brust, "das umgebaute Stadion bietet uns neue Einnahmemöglichkeiten." Und mehr Komfort für die Fans, die bei der Ausgestaltung der neuen Cannstatter Kurve ihre Anregungen in einem eigens gegründeten Arbeitskreis einbringen konnten. Erfahrungen aus anderen Bundesligastadien flossen mit ein. Es wird im Fanbereich keine Logen oder Business-Seats geben, aber einen großen Balkon als Treffpunkt, ein fast unsichtbares Ballnetz hinter dem Tor und Deutschlands einzige Stadion-Toilette mit freier Sicht aufs Spielfeld.

Und wenn die Rechnung stimmt, die Ruf aufmacht, dann nimmt der VfB von August 2011 an jährlich acht Millionen Euro zusätzlich über Ticketing, Business-Seats und Logen, Catering, Vermietung und Fremdveranstaltungen ein. Mit einem Teil davon werden die Kredite für die Baukosten abgestottert, drei bis vier Millionen Euro pro Jahr sollen aber für zusätzliche Investionen in die Mannschaft übrig bleiben. "Lange Zeit waren wir bei der Stadt zu Gast bei unseren eigenen Veranstaltungen", betont Ulrich Ruf einen weiteren Vorteil, "in den nächsten 30 Jahren sagen wir, was in der Mercedes-Benz-Arena passiert."

Erster Akt: Der inzwischen zehn Jahre alte Business-Bereich an der Haupttribüne wird renoviert, die Preise für Business- Seats steigen nach dem Umbau. Ein Business-Seat beispielsweise kostete bisher 4080 Euro pro Spielzeit, künftig wird der VfB 5100 Euro für den Platz verlangen, der Dauerkarte und Bewirtung enthält. "Mit diesen Preisen bewegen wir uns dann im Mittelfeld der Liga, bisher lagen wir im Liga-Vergleich ganz hinten", sagt Ulrich Ruf und betont: "Wir bunkern kein Geld aus dem sportlichen Bereich für das Stadion. Wir investieren mit einer klugen Baufinanzierung in die Zukunft des Vereins."

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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