Bundesliga

Acht-Stunden-Tag für VfB-Profis



Trainingsinhalte, zeitliche Abläufe, Gemeinschaftssinn: alles neu beim VfB. "Die Mannschaft hat viel Einzelqualität. Jetzt geht es darum, daraus eine Mannschaft zu formen", sagt der neue Trainer Bruno Labbadia. Das ist aufwendig, aber an Zeit soll es künftig nicht mangeln.

Wie das Leben so spielt: Am 23. August 1995 erzielte Fredi Bobic sein erstes Länderspieltor. Und nun raten Sie mal, wer ihm den Ball aufgelegt hatte? Richtig: Bruno Labbadia, damals kurz zuvor eingewechselt und seit Sonntag der neue VfB-Trainer. Ein Schelm, wer nun Böses denkt. Deshalb hat Labbadia den Job bei den Roten bestimmt nicht bekommen, im Gegenteil. "Wir hatten in den vergangenen Jahren nicht so viel miteinander zu tun", sagte Labbadia, "umso schöner, wenn dann jemand auf einen zukommt, der dich nach deiner Arbeit beurteilt und nicht aus privaten Motiven heraus handelt."

Diese Wertschätzung will er zurückzahlen, in Toren, Punkten und Siegen. Und am Saisonende mit dem Klassenverbleib. Sein einziger Antrieb ist das nicht. Labbadia fühlt sich schon nach wenigen Stunden im Amt in eine Schublade gedrängt, in das Klischee vom kurzzeitig erfolgreichen Trainer, der dann aber rasch an sein Limit stößt, stolpert und fällt wie zuletzt beim Hamburger SV, wie davor bei Bayer Leverkusen.

Dagegen gilt es anzukämpfen, das gilt es zu widerlegen, und die ersten Einheiten im Training vermitteln den Eindruck, dass er das mit jeder Faser seines Körpers anstrebt. Er und sein Co-Trainer Eddy Sözer. Sie haben den Kader in drei Gruppen aufgeteilt, nebeneinander studieren sie das Zweikampfverhalten ein. "Wir wollen den Ball erobern. Und bei Ballbesitz schnell weiterspielen, ein, zwei Kontakte", sagt Labbadia, "schaut nach eurem Gegenspieler, behaltet ihn im Auge. Ihr müsst ahnen, wie er sich bewegt und was er als Nächstes tut." Sözer macht nicht so viele Worte. "Zeit läuft", ruft er. Damit ist alles gesagt.

Sie üben in der wärmenden Sonne, eine Wohltat bei dieser Eiseskälte. Minus drei Grad zeigt das Thermometer an. Am Platzende, der im Schatten liegt, lässt Ebbo Trautner die Torleute durch die Luft fliegen. Nur drei Trainer - früher war der Platz übervölkert mit Menschen in roten Trainingsanzügen. Jetzt ist alles übersichtlicher. Kein Christian Kolodziej (41) mehr, der zur VfB-Jugend abgestellt ist und dem Nachwuchs Fitness und Kondition einbimst. Demnächst auch kein Hagen Stroh (35) mehr. Der Physiotherapeut scheidet zum Jahresende auf eigenen Wunsch aus. Und auch kein Jochen Rücker (65) mehr. Den Teambetreuer haben sie in Rente geschickt. Fredi Bobic, der Manager, räumt ein, dass das für ihn "die schwerste Entscheidung" war: "Mit Goalie habe ich einige Schlachten geschlagen in den 90er Jahren." Aber es hilft ja nichts. Klare Fronten, klare Ansagen, das allein zählt jetzt. Auch neben dem Platz.

Bobic wird künftig seinen Tribünenplatz aufgeben und bei den Spielen unten auf der Trainerbank sitzen, ganz nah bei der Mannschaft, was auch ein Wunsch von Bruno Labbadia war. Und der Trainer ordnet den Alltag neu. Der bestand für die Profis bisher aus Training, vielleicht noch Behandlung - und schönen Tag auch. Jetzt müssen sie morgens antanzen, und spätnachmittags, wenn sie im Hof in ihre flotten Karossen steigen, ist es schon dunkel, zumindest bei zweimal Training am Tag. Es ist ein bisschen wie Ganztagsschule, mit Sport, Essen und ein wenig Pädagogik. "Wir sind kein Sportinternat, aber die Jungs haben ihren Arbeitsplatz hier. Dass man da seinen Arbeitstag verbringt, ist doch normal", findet Fredi Bobic.

Labbadia setzt Prioritäten. Das heißt, eigentlich setzt er nur eine: Fußball. "Das allein zählt", hat er dem "Kompetenzteam" eingetrichtert, also allen guten Geistern rund um die Mannschaft. Den Spielern hat er erklärt, dass sie sich noch zwei andere Begriffe merken müssen, weil er sie für nicht weniger wichtig hält: Ernährung und Kommunikation. Und wo, bitte schön, lassen sie sich besser verbinden als bei einem gemütlichen Frühstück oder beim gemeinsamen Mittagessen? Eben.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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