Lotto

Spiel ohne Grenzen

von Thilo Ries


Grenzwertig: Der Lottoblock macht Glücksspielern das Leben schwer, immer mehr Deutsche tippen lieber im Ausland.

Satte 634 Millionen Euro haben sich die deutschen Lottospieler den Traum vom Jackpot kosten lassen – am Ende gewann ein Bayer die 31,7 Millionen, die sich über Wochen aufgebaut und von denen so viele Spieler geträumt hatten. Zahltage wie dieser sind jedoch selten geworden im Deutschen Lotto- und Totoblock. Seit Jahren ist das Geschäft mit den sechs Richtigen aus 49 Zahlen rückläufig.

Regularien Schuld an dem Niedergang sind die Lottoveranstalter allerdings selbst. Aus Angst vor der Konkurrenz privater Online-Wettanbieter zettelten sie eine Kampagne über die Gefahren der Spielsucht an. Diese sei nur in den Griff zu bekommen, wenn das staatliche Glücksspiel-Monopol vor liberalem EU-Recht geschützt werde. Vor dem Bundesverfassungsgericht errangen sie damit einen zweischneidigen Sieg. Die Richter bestätigten das Monopol, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Veranstalter des Glücksspiels künftig die Gefahren desselben nach Kräften bekämpfen müssten.

Daraufhin einigten sich die Bundesländer im Glücksspielstaatsvertrag 2008 darauf, sämtliche Internetangebote zu Lotterien und Wetten zu unterbinden. Zum 1. Januar 2009 wurde auch das Onlinelotto verboten. Wer seitdem tippen will, muss in einer der Annahmestellen Schlange stehen. Dort herrscht vor Jackpot-Ziehungen regelmäßig der Ausnahmezustand, denn auch das Netz der Lotto-Kioske musste aufgrund des Karlsruher Urteils stark ausgedünnt werden.

Glückstreffer in der Grauzone

Ausweichmanöver Dass der Glücksspielstaatsvertrag nur formal das Aus für die Online-Tipps bedeutete, wurde klar, als sich beim jüngsten Jackpot ein zweiter Gewinner einfand, der über tipp24.com ebenfalls den Jackpot geknackt hatte. Das in England ansässige Unternehmen tipp24.com wurde als Reaktion auf das deutsche Vermittlungsverbot gegründet, das dem in Sachen Lottovermittlung sehr erfolgreichen Vorläufer tipp24.de die Geschäftsgrundlage entzogen hatte. Tipp24.com bildet das deutsche Lotto nur ab, indem es Gewinnzahlen und Quoten aus dem deutschen Lotto übernimmt und Gewinne aus den eingenommen Wetteinsätzen ausbezahlt. Der Unterschied zum »echten« Lotto liegt darin, dass die dabei erzielten Überschüsse nicht etwa der Sportförderung oder anderen gemeinnützigen Zwecken zugute- kommen, sondern letztlich in den Taschen der Tipp24-Aktionäre landen. Im Endeffekt findet sich der deutsche Lottoblock damit in genau dem Szenario wieder, das es ursprünglich um jeden Preis zu vermeiden galt.

Ohne Riskio Während sich Wett- und Lotterieanbieter durchaus strafbar machen würden, wenn sie von Deutschland aus eine Teilnahme per Internet ermöglichten, sind sie im EU-Ausland auf der sicheren Seite. Und auch die Mitspieler haben nichts zu befürchten. Der einschlägige § 284 im Strafgesetzbuch (»Beteiligung am unerlaubten Glücksspiel«) erweist sich letztlich als Papiertiger, denn die Strafverfolgungsbehörden kommen weder an die Teilnehmerdaten, noch haben sie die Kapazitäten, den Lottotipps der Bürger hinterherzuforschen. »Ich kann mich nicht erinnern, dass dieser Paragraf in den letzten Jahrzehnten überhaupt angewendet worden wäre«, sagt der Berliner Rechtsanwalt und Glücksspielexperte Dr. Martin Jaschinski, zudem habe der BGH bereits 1986 klargestellt, dass die Teilnahme an einer nicht genehmigten Lotterie nicht strafbar sei.

Erfolgsdruck Beim Lottoblock schrillen angesichts rückläufiger Umsätze inzwischen die Alarmglocken. Derzeit wird intensiv darüber nachgedacht, Lotto wieder attraktiver zu machen, sei es durch bessere Gewinnmöglichkeiten oder höhere Jackpots. Dass die rückläufigen Umsätze durch eine Preiserhöhung kompensiert werden könnten, hat der Lottoblock dementiert: Dies stehe aktuell nicht an.

Die Chancen

Verbotsfolgen Die deutschen Online-Lottoanbieter haben aufgrund der neuen Gesetzeslage zum Jahreswechsel 2008/09 ihre Geschäftstätigkeit in Deutschland eingestellt. Die ehemaligen Platzhirsche Tipp24 und Jaxx sind nach Großbritannien abgewandert. Unter Jazz.com kann man heute täglich kostenlos ein Tippfeld spielen (Freelotto) oder an der europäischen Lotterie Euromillions teilnehmen; bei Tipp24.com setzt man auf ein äußerlich unverändertes Geschäftsmodell, indem man das deutsche Lotto im Rahmen einer privaten Lotterie abbildet.

Ausland Die Lotterien der Nachbarländer sind online nicht direkt zugänglich, zum Teil (u.a. Schweiz) dürfen Ausländer generell nicht teilnehmen. Eine Ausnahme macht Liechtenstein: Unter www.lotto.li kann jeder an der dortigen Lotterie 6 aus 49 plus Zusatzzahl teilnehmen.

Guter Rat

Wer Lotto spielen möchte, kann das auch weiterhin online tun, ohne Strafe befürchten zu müssen. Soll der Einsatz nebenbei guten Zwecken dienen, bleibt nur der Weg zur Annahmestelle.

Quelle