Was denn nun? Austritt, Beitritt, Eintritt? Wie es mit dem schleswig-holsteinischen Glücksspielgesetz weitergeht, ist derzeit völlig offen.

Kiel. Während SPD-Fraktionschef Ralf Stegner bereits das Ende der "Geisterfahrt unseres Landes " beschwört und verkündet, "wir wollen dem Glücksspielstaatsvertrag der anderen Bundesländer beitreten", hört sich das bei den Grünen ganz anders an. Die schimpfen zwar auch auf die "Glücksspielritter der einstigen Regierung". Gleichwohl müsse Rechtssicherheit eingehalten werden. "Wir werden uns aus haushaltspolitischer Perspektive hohe Schadensersatzzahlungen nicht leisten können", meint der Grüne Rasmus Andresen. Es sei deshalb richtig, zunächst zu prüfen, ob und in welcher Höhe Schadensersatzzahlungen drohen.

Hintergrund: Die am Dienstag abgelöste schwarz-gelbe Koalition in Kiel hatte mit einem eigenen Gesetz den Markt weitgehend liberalisiert: Es sieht keine Begrenzungen bei der Zahl der Konzessionen vor und erlaubt Online-Glücksspiele. Sieben Lizenzen an private Sportwettenanbieter hatte das CDU-geführte Innenministerium noch vor dem Regierungswechsel erteilt.

Europarechtliche Bedenken beim Glücksspielgesetz

Mit diesem Alleingang hatte sie aber für Ärger gesorgt. Der neue Ministerpräsident Torsten Albig hat deshalb auf der Bundesratssitzung am Donnerstag in Berlin erneut angekündigt, das Rad zurückdrehen, die Liberalisierung des Glücksspielmarktes aufzuheben und mit den anderen Bundesländnern im Gleichschritt zu marschieren. Allerdings ist zwei Wochen vor dem geplanten Start des neuen bundesweiten Glücksspielgesetzes der anderen Bundesländer die nötige Mehrheit noch nicht gesichert. Die meisten Parlamente haben die Umsetzung des Vertrages noch nicht abgesegnet.

Ob das Gesetz überhaupt noch vor 1. Juli beschlossen wird, ist angesichts der europarechtlichen Bedenken mehrerer Abgeordneter fraglich. Auch die EU-Kommission hat bereits Zweifel an dem Gesetz angemeldet und kundgetan, dass das grüne Licht aus Brüssel kein Selbstläufer sei. Auch die Rückabwicklung selbst wird nicht einfach. Es ist von Schadensersatzforderungen in dreistelliger Millionenhöhe die Rede. "Nicht vorstellbar, dass dies die erste Amtshandlung der Landesfinanzministerin Monika Heinold wäre", ätzt deshalb FDP-Mann Heiner Garg.

Rudi Völler - im Stegner-Jargon ein " Glücksspielritter"

Während in Kiel noch heftig gestritten wird, machen die großen Wettbüros bei der EM die dicke Kohle - wie immer am Fiskus vorbei. Der britische Sportwettenanbieter Betfair sammelte allein während der ersten sieben Tage der EM weltweit Spieleinsätze von rund 420 Millionen Euro ein, berichtete gestern das Wall Street Journal. Bis zum Ende des Turniers könnte die Milliardengrenze geknackt werden. "Mit Einsätzen von rund 30 Millionen setzt das Unternehmen pro EM-Spiel rund zehn Mal so viel um wie bei einer durchschnittlichen Bundesligapartie", zitiert das Journal einen Betfair -Sprecher . Und auch in Deutschland sie die Zukunft rosig - unter anderem durch die Verpflichtung von Ex-Teamchef Rudi Völler, als Markenbotschafter - im Stegner-Jargon also als " Glücksspielritter".

Experten schätzen das Marktvolumen von Sportwetten in Deutschland auf vier bis acht Milliarden Euro im Jahr. Genaue Zahlen über den bislang weitestgehend unregulierten Graumarkt gibt es nicht - vor allem, weil die Wetten über eine Vielzahl ausländischer Plattformen laufen, die sich jeglicher Kontrolle entziehen.

"Zurück in den unkontrollierten Internet-Schwarzmarkt"

95 Prozent der Wetten laufen am Fiskus vorbei und damit gehen auch Sportverbände leer aus. Das neue Glücksspielgesetz in Schleswig-Holstein sah hingegen vor, dass ein Drittel der zusätzlichen Staatseinnahmen dem Landessportbund für gemeinnützige Aufgaben zukommen soll. CDU-Mann Arp wirft Albig deshalb vor, Glücksspielanbieter, die Steuern zahlten und Arbeitsplätze schafften, zurück in den unkontrollierten Internet-Schwarzmarkt zu jagen.

Zudem sei die SPD-Riege scheinheilig. Wenn am Hamburger Rothenbaum Fahnen eines "verbotenen" Wettanbieters flattern und ein anderer "Glücksritter" in der HSV Arena Bandenwerbung anbringen dürfe - dann rede kein Sozi den Elb-Genossen ins Gewissen . Genauso merkwürdig ist für Arp, dass im Kieler-Woche-Prospekt der selbe Glücksspielanbieter als Sponsor gelobt werde, "den Albig jetzt aus dem Land jagen will".

Quelle :https://www.shz.de