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Glücksspiel

"Es ist wie eine Hexenjagd"


Von David Meiländer

Vor dem Bundesgerichtshof haben die privaten Lottovermittler einen Etappensieg errungen, doch wenn sich nichts an der Gesetzeslage ändert, werden sie ab 2009 kaum noch Geschäfte machen können. Die Branche stellt sich nun auf einen langen Rechtsstreit ein.

Wenigstens heute wird Stefan Hänel sein Büro mit einem guten Gefühl verlassen. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs will der Finanzvorstand der Firma Jaxx die Lotteriegesellschaften auf Schadensersatz verklagen und sieht gute Erfolgschancen. "Wir werden alle Möglichkeiten ausschöpfen", sagt er stern.de.. Der Streit, der heute vor dem Bundesgerichtshof entschieden wurde, begann vor fast zwei Jahren. Jaxx hieß damals noch Fluxx und verkaufte als erster deutscher Lottovermittler Lose in mehreren Supermarktketten. Weil die Firma zeitweise auf einen Gewinn verzichtete und mit geringeren Preisen Kunden von den lizensierten Kiosken abschöpfte, schaltete sich der Deutsche Lotto- und Totoblock ein.

Der Verband der 16 Landeslotterien empfahl seinen Mitgliedern, die Umsätze von Jaxx und anderen privaten Vermittlern nicht mehr anzunehmen. "Die haben uns daraufhin unter Druck gesetzt", sagt Hänel. "Wir mussten deutlich geringere Provisionen akzeptieren, teilweise wurden unsere Aktivitäten ganz blockiert." Den daraus entstandenen Schaden will er nun ersetzt bekommen. Der Deutsche Lotto- und Totoblock bestritt diese Darstellung. "Die Empfehlung ist in einem unserer Ausschüsse beschlossen, aber wenig später durch die Geschäftsführer wieder aufgehoben worden", sagte ein Sprecher stern.de. Dem Bundesgerichtshof aber reichte das schon aus. Sie hätten nicht einmal mit einem Boykott drohen dürfen.

"Nur ein Etappensieg"

Mit dem Urteil regelten die Richter noch eine andere Frage: Früher durften die Vermittler ihre Lose nur bei den Gesellschaften einreichen, in deren Bundesland sie ausgefüllt wurden. Das Bundeskartellamt hatte diese Praxis untersagt, der Entscheidung der Behörde wurde nun teilweise recht gegeben: In Zukunft spielt die Herkunft des Scheins keine wichtige Rolle mehr - die Lottogesellschaften könnten allerdings freiwillig darauf verzichten, in fremden Bundesländern anzubieten. "Das bringt uns einen enormen logistischen Vorteil", sagt Norman Faber, dessen Firma seit fast dreißig Jahren Spielgemeinschaften anbietet. "Insofern ist das Urteil ein Etappensieg, aber nicht mehr."

Denn zu groß sind die Probleme, mit denen sich Faber und viele andere Firmen auseinander setzen müssen. Seit Anfang dieses Jahres gilt der neue Glücksspielstaatsvertrag, der die Werbung, sowie den Vertrieb übers Telefon, Fernsehen und Internet verbietet. "Das bringt mir natürlich enorme Einnahmenverluste", sagt Faber. "Diesen medialen Mix aus Fernsehen und Briefen, der meine Firma so erfolgreich gemacht hat, kann ich jetzt nicht mehr anbieten." Zudem brauche er ab dem kommenden Jahr in jedem Bundesland eine Genehmigung, um weiter arbeiten zu dürfen. "Der offizielle Grund ist immer der Schutz vor Spielsucht, aber das ist Unsinn", sagt Faber. "Es gibt soviele Studien, aber keine einzige belegt, dass Lotto süchtig macht." Der Staat versuche sein Monopol zu sichern und schalte unliebsame Konkurrenten deshalb aus. "Es ist wie eine Hexenjagd."

Die Chancen stehen nicht schlecht

Unverständnis und Wut herrschen in der Lotteriebranche, vor allem im Online-Bereich. Wenn Anfang 2009 die Übergangsfristen auslaufen, müssen alle Anbieter ihre Lotto-Webseiten schließen. Hauptsächlich davon betroffen ist Tipp24. Anders als der Konkurrent Jaxx, setzt Strategievorstand Jens Schumann nach wie vor auf den deutschen Markt. Dreiviertel seines Umsatzes macht er hier und will daran nichts ändern. "Der Glücksspielstaatsvertrag ist rechtswidrig, davon bin ich immer noch überzeugt", sagt er. "Wenn Sie heute an jeder Ecke einen Lotto-Shop finden, ist es einfach nicht verhältnismäßig, das Internet-Geschäft zu verbieten." Vor allem in Hinblick auf den Suchtschutz. "Bei uns könnte man exzessive Spieler viel besser kontrollieren, als an der anonymen Kiosk-Theke." Schumann hofft auf die Gerichte. "Wir werden einfach weiter machen so wie bisher und uns dann gegebenenfalls gegen alles zur Wehr setzen, was kommt", sagt er.

Die Chancen stehen gar nicht schlecht. Schon Ende Januar hatte die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Die Brüsseler Behörde sieht durch das Gesetz die deutschen Firmen gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten für benachteiligt. Lotterie- und andere Glücksspieldienstleistungen könnten zumindest online auch aus dem europäischen Ausland angeboten werden. "Außerdem haben wir ja hierzulande zig Kasinos, deren Umsätze ins Unermessliche steigen", sagt Norman Faber. "Während man diesen spielsuchtgefährdenden Bereich geradezu mästet, wird das bewährte deutsche Lotto langsam hingerichtet." Dagegen werden er uns seine Mitstreiter kämpfen. "Bis zum Schluss."

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