Das ist fürwahr mehr, als ich zu erhoffen wagte. dance daumenhoch

Fast schon so was wie der Mauerfall für die deutsche Sportwettenkultur!

Das wäre toll, wenn wir in diesem Thread nichts mehr schreiben müssten. nod



WELT-Online dazu:

18:19|Fussball-Bundesliga

Wettmonopol wackelt – Vereine hoffen auf Geld

Der Profisport freut sich über Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes – aber Politik und Lottogesellschaft warnen.

Von Lars Wallrodt, Sven Flohr und Jens Hungermann

Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) hat den deutschen Sport am Mittwoch in helle Aufregung versetzt. Die Richter in Luxemburg erklärten das Staatsmonopol für Glücksspiel und Sportwetten für unzulässig. Damit könnte der Markt geöffnet werden für private Wettanbieter.

Bislang konnten die Zocker in Deutschland legale Sportwetten nur bei Oddset abschließen, einer Tochtergesellschaft des Deutschen Lotto- und Totoblocks. Das allerdings war schon lange Makulatur. 94 Prozent der in Deutschland abgegebenen Sportwetten, ergab eine Studie der Beratungsfirma Goldmedia, werden bei Internetwettanbietern platziert, die ihren Sitz im Ausland haben. Bei geschätzten 7,8 Milliarden Euro, die jährlich durch Sportwetten umgesetzt werden, fließen demnach rund 7,3 Milliarden Euro aus dem Land hinaus und somit am Fiskus vorbei. Auf legale Wetten entfallen lauf Goldmedia lediglich 485 Millionen Euro, davon 185 Millionen Euro auf Oddset.

Da die Lottoeinnahmen 80 Prozent der Einnahmen der Landessportbünde (LSB) ausmachen, fürchtet der Sport Einbußen, wenn das Monopol fällt. „Eine Liberalisierung des Wettmarktes käme vor allem dem Spitzensport zugute, der Breitensport erhält Almosen“, warnt Hansjörg Höltkemeier, Berlins Lottochef. Und Rolf Müller, Hessens LSB-Präsident, sagt: „Dann wären wir wieder am goldenen Zügel der Politik und von den Haushaltsentscheidungen abhängig. Die Lottoeinnahmen sichern eine größere Autonomie des Sports.“

Tatsächlich ist es wahrscheinlich, dass der Markt sich nun für Privatanbieter öffnet, definitiv ist es nicht. Das EuGH-Urteil ist eine Vorabentscheidung, die deutschen Gerichte müssen nun die Einzelfallentscheidungen treffen. Die Politik wird die rechtlichen Rahmenbedingungen klären müssen. Dies dürfte in naher Zukunft geschehen.

„Es ist aus meiner Sicht nun an der Politik dafür zu sorgen, dass das in Deutschland bewährte, Gemeinwohl-orientierte Staatsvertragsmodell unter Einbeziehung der Kritikpunkte des EuGH Bestand hat. Ich jedenfalls bevorzuge diese Lösung“, sagt Dagmar Freitag (SPD), Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag. Andernfalls müsse sich die Politik die Frage stellen: „Wollen wir den Markt öffnen für sämtliche kommerziellen Wettanbieter und breite Kommerzialisierung? Die politische Diskussion über den besten Weg kann auf Grundlage des heutigen Urteils jetzt beginnen.“

Geld für den Sport

Freitag warnt jedoch davor, „ein weiteres Fass zu öffnen“, was mit ziemlicher Sicherheit zu unerwünschten gesellschaftspolitischen Folgen führen würde: „All denen, die die ungehemmte Kommerzialisierung wünschen, sage ich: Dann sorgt auch für Prävention und Behandlung von Suchtkrankheiten! Man kann nicht nur Geld kassieren wollen und die unerwünschten Spätfolgen für die Gesellschaft auf andere abwälzen.“

Eine ganz andere Meinung haben natürlich die privaten Wettanbieter. „Das Urteil gibt sinnvollen Reformbestrebungen Rückenwind und bietet der Politik viel Gestaltungsmöglichkeit“ sagt Peter Reinhardt, Mitteleuropachef von Betfair. Er begrüßt das EuGH-Urteil: „Wir freuen uns, weil der Europäische Gerichtshof endlich die offenkundige Inkonsistenz des Sportwettenmonopols angeprangert hat.“

Dass der Breitensport unter dem Urteil leiden wird, glaubt Reinhardt nicht: „Wenn sich Deutschland nun einem Sportwettenmarkt öffnet, der 7,8 Milliarden Euro umsetzt, und auch der ähnlich große Onlinepokermarkt hinzukommt, wird durch steuerliche Mehreinnahmen auch beim Breitensport eine Menge hängen bleiben.“ Dem deutschen Sport seien so Sponsoreneinnahmen von rund 300 Millionen Euro jährlich verloren gegangen, sagt Reinhardt: „Ich gehe davon aus, dass dieses Geld nun dem deutschen Sport zufließt.“

Vesper lobt Urteil

Den Großteil davon wird der Profifußball abschöpfen. Schon lange tobt zwischen Staat und Vereinen ein Streit um die Frage, ob für private Wettanbieter geworben werden darf. Werder Bremen beispielsweise musste bereits im Jahr 2006 den Schriftzug seinen Hauptsponsor Bwin vom Trikot entfernen. Das Bremer Oberverwaltungsgericht befand, es sei nicht zulässig, dass Werder für dieses unerlaubte bundesweite Wettangebot werbe.

Noch im August durfte Real Madrid bei einem Spiel in München nicht für seinen Hauptsponsor werben. Experten rechnen nun damit, dass sich mancher Bundesligaklub bereits am Wochenende aus der Deckung traut. Klaus Allofs, Bremens Geschäftführer, sagte am Mittwoch: „Es ist seit langem unsere Auffassung, dass der Sportwettenmarkt geregelt und kontrolliert geöffnet werden muss. Nur so können die vielen Gelder, die derzeit am deutschen Fiskus vorbeifließen, zukünftig im Land bleiben.“

In der Vergangenheit setzten sich deshalb sowohl Theo Zwanziger, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), als auch Franz Beckenbauer (Bwin ist Werbepartner des FC Bayern) wiederholt für die private Wettwirtschaft ein. „Der Sport und ganz besonders der Fußball leistet durch die Organisation der Spiele einen aktiven und erheblichen Beitrag für den Wettmarkt. Dieser Leistung muss Rechnung getragen werden“, sagte Zwanziger gestern. Und selbst Vertreter des Breitensports wie Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes, loben das Urteil: „Wir sind froh, dass genau das Modell, das wir im Lauf der vergangenen Jahre erarbeitet und in zahllosen Gesprächen vertreten haben, durch den Europäischen Gerichtshof gestärkt wird.“

Warnung vor "Pyrrhussieg“

Auch der Kieler Sportrechtsprofessor Martin Nolte glaubt an positive Auswirkungen des EuGH-Urteils: „Der Profisport verspricht sich von einer kontrollierten Öffnung mehr Werbeerträge, der Breitensport hofft auf mehr Einnahmen vom Fiskus. Das, was im Staatsvertrag steht, ist eine Farce angesichts des Schwarzmarktes, der im Sportwettenbereich über 90 Prozent des Marktes einnimmt. Es wäre fatal, Monopol im Sportwettenbereich nur deshalb fortzuführen, weil das Lotteriemonopol geschützt werden soll.“

Er glaubt, dass es künftig zwei Staatsverträge geben wird: „Meine Empfehlung ist: Man wird rasch nach einer eigenständigen, selbsttragenden Begründung des Lotteriemonopols suchen und diese finden können, während gleichzeitig der Sportwettenmarkt kontrolliert so geöffnet werden kann, wie wir es vorgeschlagen haben.“

Auf eine solche Lösung kann der Sport tatsächlich nur hoffen. „So viel Geld wie der Sport aus dem Lotto erhält, kann er aus dem Wettbereich gar nicht bekommen“, sagt Lottomann Höltkemeier und warnt vor einem „Pyrrhussieg“.


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Der erste Kommentar dazu wurde von mir verfasst:

08.09.2010,
19:20 Uhr

Heinz270561 sagt:

Endlich wurden die staatsmonopolistischen Politiker mit ihren
abgehalfterten Kumpanen in den Lotterieverwaltungen wegen
dem arroganten, heuchlerischen und gängelnden
Glücksspielstaatsvertrag in die Schranken verwiesen.

Jetzt heißt es Geldspielautomaten privater Anbieter verbieten
oder die im Gegensatz dazu relativ harmlosen Sportwetten
für den mündigen Bürger weitgehend zu erlauben.

Da es dem Staat bisher fast nur um die eigene Ausplünderung
von Spielsüchtigen ging, wird es nicht zu einem Verbot der
Spielotheken kommen.

Durch dieses überaus gerechte Urteil des EuGH kehrt
für mich einiges an Vertrauen in das Rechtswesen zurück.

Die Quälerei von harmlosen Nichtspielsüchtigen durch
den auf die Schnelle hingemurksten Glücksspielstaatsvertrag
hat nun ein verdientes Ende.

Dagegen ist bei Lotto eine geistige Verwirrung ausgebrochen,
wie die heutige Ziehung der Lottozahlen und deren Verlesung
offenbarte. Zeichen von Schizophrenie?

Europäischer Gerichtshof ---> Dankeschön!

Quelle