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17.07.2008

INTERVIEW MIT DR. MARTIN BAHR, RECHTSANWALT UND BERATER PRIVATER GLüCKSSPIELANBIETER


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Herr Dr. Bahr, der neue Glücksspielstaatsvertrag ist nun seit einem halben Jahr in Kraft. Was hat der neue Glücksspielstaatsvertrag bisher bewirkt?

Der Glücksspiel-Staatsvertrag hat - was zu erwarten war - in der Praxis keinerlei Rechtsicherheit gebracht. Vielmehr ist das genaue Gegenteil: 50% der Gerichte sagen, dass der Staatsvertrag rechtmäßig ist, die anderen 50%, dass er rechtswidrig ist. Auch gibt es bereits den ersten Blauen Brief aus Brüssel. Zudem sind durch die Neuregelungen auch diejenigen privaten Unternehmen betroffen,
die bislang auf der Seite der staatlichen Anbieter standen: Lotterieeinnehmer und gewerbliche Spielvermittler. Ab dem 1. Januar 2008 benötigen nämlich u.a. gewerbliche Spielvermittler eine Genehmigung, was nach der vorherigen Rechtslage nicht erforderlich war. Die Länder blockieren jedoch diese Genehmigungen mit fadenscheinigen Gründen.


Insgesamt ist es für alle Beteiligten eine ziemlich unbefriedigende Situation. Und, was von vielen übersehen wird: Der Glücksspiel-Staatsvertrag ist bis Ende 2012 zeitlich befristet und läuft dann aus. Böse Zungen behaupten, dass dies exakt der Zeitraum ist, bis die ersten Klagen nach einem mühsamen Instanzenweg beim Bundesverfassungsgericht aufschlagen werden. Das Bundesverfassungsgericht erklärt dann den Glücksspiel-Staatsvertrag erneut für verfassungswidrig, parallel dazu hat der Gesetzgeber aber bereits ein neues Gesetz verabschiedet. Und das Rechtskarussel beginnt sich lustig von neuem zu drehen.


Können die privaten Anbieter von Glücksspielen in den letzten Monaten irgendwelche Erfolge verbuchen? Welche?

Wie gesagt: Deutschland hat bereits den ersten Blauen Brief aus Brüssel bekommen. 50% der deutschen Gerichte halten den Glücksspiel-Staatsvertrag für klar rechtswidrig. Der Poker-Bereich entwickelt sich derzeitig vollkommen losgelöst vom übrigen Glücksspiel. Die meisten angerufenen Gerichte halten Poker für verboten. Zwar gab es vor kurzem eine interessante Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster, das ein Poker-Verbot aufgehoben hat. Dabei ging es jedoch letzten Endes nur um die formale Begründung. In der Sache selbst hält das Gericht ein Poker-Verbot, dann jedoch mit anderer Begründung, für rechtmäßig.
Zudem planen mehrere Länder, u.a. Berlin, Brandenburg, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, Poker-Turniere grundsätzlich durch Erlass zu verbieten bzw. haben diese Erlasse inzwischen bereits umgesetzt.



Derzeit sind mehrere Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof anhängig, in deren Rahmen der Glücksspielstaatsvertrag überprüft werden wird. Das kann natürlich dauern. Trotzdem: Gibt es bereits Anzeichen für eine Tendenz des EuGH?

Nein, nicht wirklich. Hier eine Tendenz erkennen zu wollen, wäre reine Kaffeesatzleserei.


Die Taktik der (Mehrheit) der Bundesländer und ihrer Gerichte ist klar: Mit hartem und kompromisslosem Vorgehen auf allen Ebenen möchten sie auf Zeit spielen und den privaten Glücksspielanbietern das wirtschaftliche Fundament unter den Füßen wegziehen. Wie lange können die privaten Glücksspielanbieter überhaupt auf den „deutschen Markt“ warten?

Über kurz oder lang wird sich Deutschland der Liberalisierung nicht entgegenstellen können. Dazu bedarf es nur eines Blicks auf unsere europäischen Nachbarländer. Die interessante Frage ist nun: Wie lange wird sich Deutschland noch hiergegen erfolgreich wehren können? Wird es bis 2012 durchhalten oder bereits vorher aufgeben?


Die Interessensvertreter der privaten Pokeranbieter versuchen weiterhin, verlässliche Fakten dafür zu liefern, dass Pokern (mit all seinen Varianten) kein Glücks-, sondern ein Geschicklichkeitsspiel ist. Ist man auf diesem Gebiet mittlerweile weiter gekommen?

Nein, nicht wirklich. Es gibt zwar vereinzelt in Gerichtsentscheidungen kritische Randbemerkungen, ob denn nun Poker wirklich zufallsbezogen und somit ein Glücksspiel ist. Diese Streitfrage hat jedoch in der letzten Zeit zunehmend an Brisanz verloren, da immer mehr Gerichte diese Frage unbeantwortet lassen und Poker zumindest als anderes Spiel i.S.d. § 33 d GewO einstufen. Danach muss ein Poker-Veranstalter eine sogenannte Unbedenklichkeitsbescheinigung vorlegen. Diese bekommt er jedoch nicht, da eine solche Erlaubniserteilung an dem Umstand scheitert, dass Poker durch Veränderung der Spielbedingungen mit einfachen Mitteln als Glücksspiel veranstaltet werden kann (§ 33 e GewO).


Die entscheidenden Fragen der Problematik „Glücksspiel“ sind: Glücksspiel ja oder nein? Suchtgefahr, ja oder nein? Wie würden Sie im Juli 2008 diese Fragen beantworten?

Diese Frage verstehe ich nicht.


Gibt es Ihrer Ansicht nach Varianten des Pokers, die hinsichtlich ihrer Einordnung unterschiedlich zu bewerten sind? Wenn ja, welche?

Ich persönlich halte Poker, egal in welcher Spielart, überwiegend für kein Glücksspiel. Aber: Die deutschen Gerichte sind da anderer Sicht. Und wie gesagt: Inzwischen spielt diese Frage in der Praxis zunehmend keine Rolle mehr, da Poker-Turniere zumindest als verbotenes anderes Spiel iSd. § 33 d GewO bewertet werden.


Die „Flucht“ des deutschen Poker-Spielers ins Internet, und damit auf Seiten, die ggf. in Deutschland verboten sind, ist ungehemmt. Die technische Umsetzbarkeit von geografisch beschränkten Verbotsverfügungen (z.B. auf ein Bundesland) im Internet ist dabei ein entscheidendes Thema. Gibt es hier neue Entwicklungen?

Es gibt hierzu eine interessante Entscheidung des BGH von Februar 2008 (Az.: ZR 207/05), wonach grundsätzlich ein ausschließlich in einem Bundesland tätiges Unternehmen keinen bundesweiten Unterlassungsanspruch hat, sondern nur begrenzt Unterlassung auf sein Bundesland fordern kann. Wie aber nun ein solches Bundesland-bezogenes Verbot online praktisch durchzuführen ist, steht weiter in den Sternen. Auch wenn das Geotargeting inzwischen recht ausgereift ist, bietet die Technik dennoch nicht wirklich eine hinreichende sichere Methode, um alle Interessenten aus dem Bundesland X oder Y zu sperren.


Letztlich muss man dem rigiden Einschreiten der deutschen Behörden gegen private Glücksspielanbieter doch fast dankbar sein. Statt Werder Bremen oder VfB Stuttgart, werden nun halt (u.a. von bwin) Real Madrid, AC Mailand oder englische Fußballvereine gesponsert, die alles kaufen, was nicht bei 3 auf den Bäumen ist. Einheimische Spieler kommen kaum noch zum Zuge. Das rächt sich, die Nationalmannschaft Englands ist bei der EM 2008 nicht dabei. Wie dankbar sind Sie?

Eine interessante Sichtweise. Ich glaube aber, da überschätzen Sie ein wenig die Auswirkungen des Glücksspielbereichs. Meines Erachtens haben die Probleme andere Gründe.



Kontakt Dr. Martin Bahr:
Kanzlei Dr. Bahr
Mittelweg 41a 20148 Hamburg
Fon: 040 - 35 01 77 60
Fax: 040 - 35 01 77 61
E-Mail: Info@Dr-Bahr.com

Das Interview führte Karsten Schneidewindt

Quelle