Das Verwaltungsgericht Kassel hat mit Beschluss vom 04.04.2008 - 4 L 114/07.KS - in einem von der Rechtsanwaltssozietät Redeker Sellner Dahs & Widmaier geführten Eilverfahren die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs eines privaten Sportwettvermittlers, der Sportwetten an einen im EU-Ausland konzessionierten Anbieter vermittelt, angeordnet. Damit ist das Verwaltungsgericht Kassel das zweite deutsche Verwaltungsgericht, welches seit dem Jahreswechsel seine Rechtsprechung zugunsten der privaten Sportwetten geändert hat.
Bemerkenswert an dem Beschluss ist insbesondere, dass das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die angefochtene Untersagungsverfügung gem. § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO von mehreren Auflagen abhängig macht.
Aufgegeben wurde dem Antragsteller im Einzelnen:
- Keine Sportwetten an Minderjährige zu vermitteln und hierauf in geeigneter Form in seinem Geschäftslokal hinzuweisen;
- in seinem Geschäftslokal in der Nähe des oder der Wettterminals einen gut sichtbaren Hinweis auf die Gefahren der Spielsucht anzubringen;
- keine Werbung für die Vermittlung von Sportwetten zu betreiben, außer dem sachlichen Hinweis auf das Vermitteln dieser Wetten;
- in seinem Geschäftslokal keine Live-Sportsendungen im Fernsehen zu zeigen;
- in seinem Geschäftslokal keine Internetsportwetten zuzulassen und
- Vorkehrungen zur Möglichkeit der Selbstsperre gefährdeter Spieler zu treffen.
In der Sache beurteilt das Verwaltungsgericht den Ausgang der Hauptsache als völlig offen. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die Vorlagebeschlüsse der Verwaltungsgerichte Gießen, Stuttgart und Köln und die dort aufgeworfenen Fragen zur Kohärenz des Glückspielsektors sowie im Hinblick auf die laufenden Vertragsverletzungsverfahren (Nr. 2003/4350 und Nr. 2007/4866). Unklar ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichts zudem, ob die geltenden Monopolregelungen auf einer hinreichend gesicherten Tatsachen- und Prognosebasis getroffen wurden, was die Gefährdung der Bevölkerung durch ein unkontrolliertes Glücksspielgeschehen angeht, und ob sie tatsächlich geeignet sind, die Spielsucht zu bekämpfen.
Die Rechtsunsicherheit hat nach Ansicht des Verwaltungsgerichts zur Folge, dass die Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung auf Grundlage einer reinen Interessenabwägung zu treffen ist. Das Verwaltungsgericht verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Interessen des Antragstellers u.a. deshalb gemindert seien, weil er seinen Gewerbebetrieb zu einem Zeitpunkt eröffnet habe, zu dem die Rechtmäßigkeit der Vermittlung von Sportwetten zweifelhaft war. Für die Interessen des Antragsteller spreche jedoch, dass die Gefährdung der Spieler durch andere Glücksspielformen (Glücksspielautomaten, Kasinospiele) sehr viel größer sei und der Antragsteller im Falle einer abweisenden Entscheidung möglicherweise über mehrere Jahre einer legalen, durch Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 43 und EGV geschützten Tätigkeit nicht nachgehen könnte. Zu berücksichtigen seien ferner die sich in den Vorlagebeschlüssen manifestierenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des staatlichen Monopols auf Sportwetten sowie der Umstand, dass die Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses am Schutz der Bevölkerung vor Suchtgefahren durch Auflagen nach § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO deutlich gemindert werden könne.
Bei einem Vergleich der so gewichteten privaten und öffentlichen Interessen ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichts die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Zur Eindämmung der von Sportwetten ausgehenden Suchtgefahr sei es ausreichend, dem Antragsteller die gleichen Schutzvorkehrungen aufzuerlegen, wie sie das Bundesverfassungsgericht im Sportwettenurteil für die Übergangszeit bis zur Neuregelung des Sportwettgeschehens für erforderlich gehalten hat und wie sie der Konzeption des Hessischen Glückspielgesetzes vom 12.12.2007 und dem Staatsvertrag zum Glückspielwesen in Deutschland zugrunde liegen.
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