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Glücksspiel

Auf Spanien gewettet

Von Dyrk Scherff


29. Juni 2008 Der Besitzer der kleinen Lotto-Toto-Annahmestelle im Frankfurter Bahnhofsviertel ist sauer: „Da gibt es eine Fußball-Europameisterschaft mit Deutschland im Finale, und ich merke in meinem Laden kaum etwas davon.“ Dabei macht er einen Teil seines Geschäfts mit den Sportwetten der staatlichen Gesellschaft Oddset. Doch die Umsätze werden gleich um die Ecke gemacht - bei der privaten Konkurrenz.

Denn die hat die besseren Quoten. Diese Firmen sitzen im Ausland, müssen nur niedrige Steuern zahlen und können deshalb mehr ausschütten. Wer im Halbfinale auf einen Sieg der Türkei gegen Deutschland gesetzt hätte, hätte beim privaten Marktführer Bwin (früher Bet and win) für einen Euro Einsatz sieben Euro bekommen, bei Oddset nur 5,50 Euro. Und hätte noch eine Gebühr von 50 Cent zahlen müssen.

Wettmeile statt Fanmeile

Dieser Nachteil macht sich im Frankfurter Bahnhofsviertel schnell bemerkbar. Fünf private Wettbüros und zwei Oddset-Annahmestellen ballen sich auf nicht einmal 200 Metern. Wettmeile statt Fanmeile und knallharter Wettbewerb sind die Folge.

Viel los ist aber nur bei den Privaten, vor allem abends. Dort sitzen die Männer - fast nur Männer - vor den Bildschirmen und sehen sich die Spiele der EM, Pferderennen oder Baseball-Begegnungen an und prüfen die aktuellen Quoten. Getippt wird vor allem auf Fußball. In anderen Großstädten ist die Lage nicht anders: Bei den Sportwetten haben die Privaten die Nase vorn, in staatlichen Annahmestellen wird stattdessen hauptsächlich Lotto gespielt.

Dabei müsste eigentlich alles schon ganz anders sein. Ginge es nach dem Willen der Landesregierungen, wären alle privaten Wettbüros geschlossen und die Internetseiten abgeschaltet. Die Grundlage dafür hat die Politik im vergangenen Jahr mit den neuen stark umstrittenen Glücksspielverträgen gelegt, die zu Jahresanfang in Kraft traten.

Von den Gerichten ausgebremst

Sie waren die Reaktion auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das Gericht verlangte entweder eine Marktöffnung für private Anbieter oder ein staatliches Monopol mit strengen Auflagen zur Werbung. Die Politik ging den zweiten Weg. Und wird jetzt von den Gerichten ausgebremst. Denn es ist unklar, ob ihr Glücksspiel-Staatsvertrag dem Europarecht entspricht - und ob Bwins alte DDR-Lizenz auch für die alten Bundesländer gilt.

Also wurden im vergangenen Jahr zuerst viele private Wettbüros in den Innenstädten geschlossen, dann haben in den vergangenen Monaten wieder neue aufgemacht, zum Beispiel in Frankfurt. „Es werden wieder mehr“, bestätigt Uwe Schmidt vom dortigen Ordnungsamt. Dort hatte das Verwaltungsgericht Beschwerden privater Wettanbieter stattgegeben. Ob sie bleiben dürfen, entscheidet jetzt der oberste Verwaltungsgerichtshof in Kassel in der Berufung. „Wir erwarten das Urteil im Spätsommer oder Herbst, solange setzen wir die Schließungen aus“, sagt Schmidt.

Auch in Berlin entschied das Verwaltungsgericht im Frühjahr zugunsten der etwa 230 Wettbüros der Stadt, die geöffnet bleiben dürfen, bis die Rechtslage endgültig geklärt ist.

Umsatzeinbruch bei Oddset

Die geforderten Werbeauflagen für die staatliche Oddset wurden dagegen rasch realisiert. So muss sich jetzt jeder Spieler mit Personalausweis registrieren lassen, bevor er eine Wette abgibt. Das soll dem Jugendschutz dienen und gesperrte Spieler identifizieren helfen.

Anfangs dauerte das mehrere Tage, dann war das Match meist schon vorbei. Jetzt geht das immerhin sofort über ein Terminal in der Annahmestelle. Umständlich ist es dennoch. Und ist ein Grund für die Umsatzeinbrüche von Oddset um fast 23 Prozent in diesem Jahr. „Die Registrierung dürfte einige abschrecken. Zudem ist die private Konkurrenz weiter aktiv“, begründet das Oddset-Chef Erwin Horak.

Wetten über Websites

Und auch im Internet ist von der großen Schließungswelle nichts zu spüren: Über die Websites im Netz wird mittlerweile ein Großteil der Sportwetten abgewickelt, obwohl Online-Angebote nach neuer Rechtslage illegal sind. Auch hier müssen jetzt noch die Gerichte entscheiden. Schlimmstenfalls müssen die Seiten dann vom Netz. Solange gehen die Geschäfte aber gut: Bwin hat durch die EM zehn Prozent mehr Umsatz erzielt. Die ganze Branche wird in Deutschland über Internet und die Wettbüros durch die Europameisterschaft etwa 800 Millionen Euro mehr umsetzen, prognostizieren Branchenexperten. Jedes Jahr geben in Deutschland etwa sieben Millionen Tipper rund 3 Milliarden Euro für Sportwetten aus.

Die neue Rechtslage bemerkt man bei Bwin nur an einer Stelle der Homepage. Dort weist ein Disclaimer darauf hin, dass Wetten nicht aus Hamburg oder Baden-Württemberg abgegeben werden dürfen. Das ist Folge entsprechender Gerichtsentscheide. Freilich überprüft niemand die Beschränkung. Und in den Umsätzen ist kein Einbruch zu erkennen. „Die Kunden können diese ganze rechtliche Diskussion nicht nachvollziehen. Wir sind bisher mit der EM voll zufrieden“, sagt Bwin-Deutschland-Chef Jörg Wacker.

Vor dem Finale am heutigen Sonntag wurde noch einmal heftig getippt. Die meisten wetten so: Jedes Team erzielt mindestens ein Tor, eher in der zweiten und nicht der ersten Hälfte. Spanien trifft zuerst. Miroslav Klose ist der wahrscheinlichste Torschütze im deutschen Team. Und am Ende wird Spanien Europameister. Dafür gäbe es 1,70 Euro, für den deutschen Sieg 2,10 Euro. Halb so wild: Außenseiter war Deutschland ja schon gegen Portugal - und hatte damit Erfolg.

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