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21. Juni 2008, 10:31 Uhr

Glücksspiel

Viele Lottoläden in Deutschland machen dicht


Lottoladen-Sterben in Deutschland: Seit einem halben Jahr gelten neue Regeln fürs Glücksspiel. Private Angebote von Lotterien, Sportwetten und Spielbanken sind weitgehend verboten, ebenso Glücksspiele im Internet. Auch fürs Lotto gelten strengere Regeln. Das merken die Betreiber der Annahmestellen.


Seit der neue Lotto-Staatsvertrag gilt, dürfen staatliche Lottogesellschaften nicht mehr für sich werben. Für Oddset-Sportwetten, Fußball-Toto und Keno-Zahlenlotterie wird zudem ein Spielerschein mit Passbild verlangt. Dadurch sollen Spielsüchtige von den Annahmestellen ferngehalten werden. Viele Lotto- und Zeitschriftenläden stürzt die Neuregelung indes in arge Nöte. Dagmar Lehmann in Berlin-Friedenau etwa spürt die Folgen Woche für Woche in der Ladenkasse. Die Berliner tippen weniger und die Provisionseinnahmen sprudeln nicht mehr so üppig. „Bei Oddset und Keno habe ich zehn Prozent Rückgang“, berichtet die Geschäftsfrau aus der Schwalbacher Straße. „Vor allem die Spielerkarte schreckt ab.“ Einbrüche auch bei Oddset

In vielen deutschen Lottoläden sieht es ähnlich aus. Im Fußball-Toto seien die Umsätze seit Jahresbeginn bundesweit um etwa ein Viertel gesunken, berichtet der Sprecher der Lottogesellschaft Baden-Württembergs, Klaus Sattler. Bei Oddset sank der Umsatz nach Angaben von Lotto Bayern im Bundesdurchschnitt um 24 Prozent, in einzelnen Ländern sogar noch weit tiefer. In Berlin gab es Anfang des Jahres ein Minus von mehr als 20 Prozent bei Toto und Keno. Die Deutsche Klassenlotterie Berlin (DKLB) sieht mittlerweile aber eine Trendwende erreicht. „Die Widerstände vieler Spieler gegen die Spielerkarte bauen sich ab“, sagt DKLB-Sprecher Thomas Dumke.

Mit ihrer Neuregelung kamen die Länder Forderungen des Bundesverfassungsgerichts nach. Die Karlsruher Richter urteilten im März 2006, ein staatliches Glücksspielmonopol sei nur statthaft, wenn es in erster Linie dem Schutz vor Spielsucht diene. Sonst müsse der Wettenmarkt wie in anderen europäischen Ländern liberalisiert und für Privatunternehmen freigegeben werden.

Die Länder unternehmen einiges, um den Forderungen aus Karlsruhe nachzukommen. Wie alle ihre Kollegen hat Dagmar Lehmann bei der Berliner Fachstelle für Suchtprävention eine Schulung absolvieren müssen, wie man Spielsüchtige erkennt und mit ihnen umgeht. In vielen Bundesländern schrumpft zudem die Zahl der Lottoläden deutlich, in Berlin etwa um gut zehn Prozent auf mittlerweile unter 1100. Hier sind viele Lottokonzessionen eingezogen worden. In Bayern etwa soll die Zahl der Annahmestellen binnen vier Jahren von 4000 auf 3700 sinken.

Beschwerde bei der EU-Kommission

So manchen kleinen Zeitschriften- und Tabakwarenhändler hat das in existenzielle Nöte gebracht. Nese Yilmaz in der Goßlerstraße in Berlin-Schöneberg etwa verlor ihre Konzession Ende 2007. „Als Faustregel gilt, dass man mit den Lotto-Provisionen die Ladenmiete verdient“, sagt sie. „Wenn das wegfällt, wird es schwer, über die Runden zukommen.“ Sie sieht schwarz für ihren Laden.

In der Hoffnung auf ein Ende des staatlichen Glücksspielmonopols waren in den Jahren 2005 und 2006 auch zahlreiche private Wettbüros eröffnet worden. Doch das Karlsruher Urteil hat diese Hoffnungen enttäuscht. Seither ist die Zahl der Wettbüros etwa in der Hauptstadt nach Angaben der Berliner Innenverwaltung von mehr als 330 auf 220 bis 230 gesunken. Alle Anbieter erhielten Untersagungsverfügungen der Behörden, doch sie wehren sich juristisch gegen die Schließung. Auch in den anderen Bundesländern laufen private Wettanbieter Sturm gegen das staatliche Monopol. Der europäische Verband der Glücksspiel- und Wettbranche hat Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht. Er sieht einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht.

Bei den Berliner Richtern hatten private Wettbüros bisher nur in wenigen Fällen Erfolg, in denen die Ämter Formfehler machten. Doch kürzlich hat ein unerwartetes Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts Staub aufgewirbelt. Die Richter äußerten Zweifel, ob die staatlichen Stellen wirklich genug zur Abwehr von Suchtgefahren tun, um damit das staatliche Monopol rechtfertigen zu können. Bis zur endgültigen Entscheidung haben die Richter einem Privatbetrieb deshalb erlaubt, vorläufig weiter Sportwetten anzubieten.

Die Verwaltung hat vorsichtshalber Beschwerde bei der nächsten Instanz eingelegt. In jedem Fall würden sich die Bundesländer aber in diesem Jahr noch über Art und Zuschnitt von Sportwetten und auch über Höchsteinsätze abstimmen, hieß es in der Berliner Senatsverwaltung für Inneres.

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