EU könnte deutschen Glücksspielvertrag kippen

Dem Glücksspielstaatsvertrag der Bundesländer droht Widerstand. Der EU missfallen die geringe Zahl von Lizenzen und die hohen Abgaben.

Der zum Jahresende fällige neue Glücksspielstaatsvertrag droht an seiner Unvereinbarkeit mit geltendem EU-Recht zu scheitern. Nach Informationen von "Welt Online“ bereitet die EU-Kommission ein Schreiben an die Bundesländer vor, in dem sie auf die rechtlichen Mängel des bisherigen Entwurfs hinweist. Werden diese von den Ländern nicht korrigiert und der Staatsvertrag in seiner jetzigen Form in Kraft gesetzt, könnte auf Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren und damit eine Klage am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg zukommen.

Nach Angaben aus informierten EU-Kreisen stört man sich in Brüssel vor allem an zwei Punkten: Zum einen wollen die Länder für Sportwetten bundesweit nur sieben Konzessionen vergeben. Diese Begrenzung, welche die Länder als eine Öffnung ihres bisherigen strikten Wettmonopols verstanden haben möchten, erscheint den EU-Rechtlern jedoch willkürlich gewählt und kaum für einen breiteren Wettbewerb geeignet.

Zum anderen planen die Länder, eine gesonderte Konzessionsabgabe von 16,66 Prozent zusätzlich zur normalen Umsatzsteuer zu erheben. Dies wäre für private Anbieter kaum machbar. In Brüssel fragt man sich deshalb, wieso der Staat den Wettbewerb liberalisieren will, indem er den Privaten keine faire Chance zur Wirtschaftlichkeit gibt. In Deutschland sind die Länder für Lotto und Sportwetten zuständig, während die Bundesebene Spielhallen und Kasinos kontrolliert.

Der von 15 Bundesländern unterzeichnete Entwurf wurde zum 15. April zur Prüfung nach Brüssel geschickt. Da die Regelungen den europäischen Binnenmarkt betreffen, ist dies verpflichtend. Schleswig-Holstein, das in diesen Tagen sein eigenes Glücksspielgesetz durch den Kieler Landtag bringt, ist nicht an der Vorlage beteiligt. Die schwarz-gelbe Koalition im Norden hat ihren Entwurf bereits in Brüssel vorgelegt und keine großen Beanstandungen bekommen. Er sieht eine im Vergleich zu den Bundesländern wesentlich liberalere Handhabung und Lizenzvergabe vor.

Auch sollen Lotto und Sportwetten im Internet künftig wieder erlaubt sein. Mit Inkrafttreten des Lottomonopols 2008 war dies aus Gründen der Suchtprävention verboten worden. In der Folge waren nach Studien bis zu 95 Prozent der Kunden auf nicht-deutsche, und damit illegale Seiten abgewandert. Das ebenfalls auf Suchtbekämpfung gründende Werbeverbot für Lotto und Sportwetten hatte den Anbieter zusätzlich gewaltige Gewinneinbußen beschert. Beim staatlichen Wettanbieter Oddset sank der Umsatz von 500 auf 185 Millionen Euro. Die Problematik des Online-Angebots ist ein weiteres Fragezeichen über dem Staatsvertrag.

Nach Willen der Länder soll die Internet-Vermarktung wieder legal werden, aber unter strengen Auflagen. So streng, dass die Länderchefs Sperren planen, um ausländische oder nicht lizenzierte Anbieter aus dem Markt zu halten. Das sorgt nicht nur in Brüssel für Irritation.

CDU und FDP, die eine Liberalisierung tendenziell offener sehen, bekommen Unterstützung von anderer Seite: „Die im Entwurf vorgesehenen Internetsperren sind weder wirksam noch sinnvoll. Ich fordere klare Veränderungen in diesem Bereich“, warnt die medienpolitische Sprecherin der Grünen in Bremen, Anja Stahmann.

Bis kommenden Montag muss Brüssel den Ländern antworten, dann läuft die Frist für die Notifizierung aus. Den Ministerpräsidenten ist aber offensichtlich schon klar, dass ihr Staatsvertrag auf deutscher wie EU-Ebene keine ausgemachte Sache ist. Anfang Juni bereits teilte Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) mit, dass sich ein Beschluss bis Oktober verzögert, weil der Entwurf mit europäischem Recht „kompatibel gemacht werden“ müsse. Das bedeutet, dass der Staatsvertrag keinesfalls fristgerecht zum Jahresende abgeschlossen sein kann, weil er durch die Parlamente müsste.

Die große Frage wird am Ende sein, ob Brüssel den Hammer Vertragsverletzungsverfahren zieht, wenn die Länder einen EU-rechtswidrigen Vertrag durchboxen. Der zuständige Binnenmarktkommissar, Michel Barnier, äußert sich zurückhaltend. Der Franzose hatte im März ein Grundsatzpapier vorgelegt.

Er wolle „eine gemeinsame Grundlage von Regeln, wo Einigkeit über wichtige Fragen für die Gesellschaft herrscht: Spielsucht, Geldwäsche, Schutz Minderjähriger, korrekte Spielabhandlung und Finanzierung öffentlichen Breitensports“, sagte er jüngst "Welt Online“. Und dafür braucht er das Plazet aller 27 Mitgliedsländer – auch Deutschlands.

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