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22.10.2008 12:47

Online-Sportwetten: Populäres Freizeitvergnügen in der Grauzone


Keine Frage: Sportwetten im Internet sind populär. Viele Deutsche tippen online auf den Ausgang von Fußballspielen und andere Ergebnisse. Doch aus juristischer Sicht ist das problematisch, denn die Legalität von Glücksspielen im Web ist umstritten. Ärger droht Wett-Teilnehmern vorerst allerdings nicht. "Wenn das Wettangebot nicht genehmigt ist, machen sich Teilnehmer prinzipiell strafbar", erklärt Martin Jaschinski, Experte für Glücksspielrecht aus Berlin. In Deutschland verbietet seit Beginn dieses Jahres der sogenannte Glücksspielstaatsvertrag sämtliche Sportwetten im Internet – wegen des von Fachleuten gesehenen Suchtpotenzials.

Nach europäischem Recht ist das umstritten. Daher wehren sich private Buchmacher gegen die Schließung ihres oft einzigen Vertriebswegs – und sind im kaum kontrollierbaren Internet vorerst weiter erreichbar. Deutsche Kunden mussten bisher nicht mit Konsequenzen rechnen: "In der Praxis wird nur gegen die Anbieter und nicht gegen die Kunden vorgegangen", betont Jaschinski. Der einzige, der hierzulande sein Onlineangebot für Sportwetten eingestellt hat, ist der staatliche Betreiber Oddset. "Die Internetseite dient weiterhin zur Information der Kunden, das Wetten selbst ist aber nur in den Annahmestellen möglich", erklärt Thomas Spöring, Sprecher der Lotto-Gesellschaft Bayern in München, die Oddset federführend betreibt.

In der Realität ist von dem Verbot darüber hinaus nichts zu bemerken. Rund eine halbe Million Bundesbürger wetten im Internet auf sportliche Ereignisse, ergab eine in diesem Juni veröffentlichte Forsa-Studie im Auftrag des IT-Verbandes Bitkom. Fußball ist das überragende Thema: Fast alle Befragten setzen auf Bundesligaspiele. Jeder Sechste gab an, bei Fußball-Großereignissen mitzuwetten.

Weitere beliebte Sportarten, auf die online gesetzt wird, sind Pferderennen, Tennis oder auch die Formel 1. Private Anbieter wurden von begeisterten Sportwettern schon immer favorisiert, weil bei ihnen die Wetten ausgefallener und die Quoten höher sind. Zu den größten privaten Internet-Buchmachern in Deutschland zählen Sportwetten Gera, bwin, digibet und Interwetten. Den Anspruch, ihr Onlinegeschäft weiter zu betreiben, machen sie aufgrund von Lizenzen geltend, die noch zu DDR-Zeiten vergeben wurden.

Wo diese genau gültig sind, ist aber unklar. Denn dazu existieren widersprüchliche Gerichtsurteile aus unterschiedlichen Bundesländern. Wegen einer juristischen Auflage versieht bwin seine Netz-Werbebanner mit dem Hinweis, dass die "Wettabgabe derzeit nur in der ehemaligen DDR" möglich sei. Das beziehe sich jedoch auf den Aufenthaltsort des Teilnehmers, der praktisch nicht überprüfbar sei, meint ein Sprecher des Unternehmens. Faktisch muss also kein Kunde eine Verweigerung seiner Tipps befürchten. Beim Registrieren auf der bwin-Webseite wird nur nach dem Wohnort gefragt.

Staatliche Lottogesellschaften und die privaten Betreiber streiten seit langem verbissen darum, wer in Deutschland Sportwetten anbieten darf und wer nicht. Dabei ist das im Grunde ein Scheingefecht. Denn viele Online-Buchmacher betreiben ihr Geschäft vom europäischen Ausland oder von Übersee aus und sind deshalb kaum zu regulieren. "Der Markt ist groß und unübersichtlich", sagt Andreas Ullmann vom Beratungsunternehmen Sport+Markt in Köln. In anderen Ländern seien Sportwetten teils deutlich populärer und würden weniger restriktiv gehandhabt. Zumindest keine unüberwindbare technische Hürde hindere Interessierte daran, bei internationalen Internet-Buchmachern zu setzen.

Den anrüchigen Ruf, der Sportwetten hierzulande traditionell umgab, habe zumindest die Bevölkerung abgelegt. "Unter anderem durch Sport-Sponsoring und zielgerichtete Werbung unter Fans sind sie vor ein paar Jahren gesellschaftsfähiger geworden", urteilt Sponsoring-Experte Ullmann. Er schätzt aber, dass sich nun wieder viele wegen der rechtlichen Unsicherheit von Online-Wetten abgeschreckt fühlen.

Glücksspielrecht-Experte Jaschinski empfiehlt Verbrauchern, die nicht auf Sportwetten im Internet verzichten wollen, sich an die größeren, etablierten Buchmacher zu halten. "Sie leben von ihrem guten Ruf, und geschäftsschädigendes Verhalten ist unwahrscheinlicher." Denn wie in prinzipiell jeder Branche sei nicht auszuschließen, dass schwarze Schafe existieren, die ihre Kunden etwa um die Gewinnauszahlung prellen. Rechtsansprüche durchzusetzen, sei bei den Anbietern mit Sitz in ausländischen Steueroasen schwierig.

Online-Sportwetten gelten aber auch als besonders suchtgefährdend, weil die Teilnehmer jeglicher sozialer Kontrolle entzogen sind. Das kann schwerwiegende Folgen haben. Die Fachstelle Glücksspielsucht der Caritas bietet Betroffenen auf ihrer Webseite einen Selbsttest zur Einschätzung der Situation, Ratschläge und Adressen von Anlaufstellen an. Auch die großen Online-Buchmacher geben inzwischen Tipps zur Suchtvorbeugung. (Berti Kolbow, dpa) / (jk/c't)

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