Sportwetten

Weil die Politik nicht stimmig ist

Thomas Breining, veröffentlicht am 17.12.2010


Stuttgart - Die Berufs- und die ehrenamtlichen Richter der Vierten Kammer am Verwaltungsgericht Stuttgart haben in den nächsten Wochen ein klar umrissenes, aber auch monotones Arbeitsprogramm: Mehr als 440 Klagen von privaten Sportwettenvermittlern haben sich aufgestaut. Nach der Wegweisung des Gerichtes der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) in Luxemburg können diese offenen Rechtsfälle jetzt abgearbeitet werden. Drei Fälle hat die Kammer am Donnerstag mündlich verhandelt. Die Urteile ergehen am Freitag.

Die Tendenz war aber am Donnerstag schon spürbar: Das staatliche Monopol bröckelt, private Wettanbieter können hoffen. Das Regierungspräsidium Karlsruhe ist im Land dafür zuständig, gegen illegale Glücksspielbetreiber vorzugehen. Dabei geht es in allererster Linie um private Anbieter von Sportwetten, die das Monopol des Staates unterlaufen. Solche Spiele dürfen nämlich nur in zugelassenen Annahmestellen abgewickelt und nicht an in- oder ausländische Anbieter vermittelt werden, auch nicht über das Internet. Genau das aber passiert täglich an unzähligen Orten. Die Behörde untersagt regelmäßig Wettvermittlern ihr Tun. In den vorliegenden Fällen vermittelte einer Sportwetten an eine Firma in Gibraltar, einer nach Österreich, der dritte nach Malta.

Alle nahmen Bezug auf das Europarecht: Ihr Geschäft sei in einem EU-Land zugelassen und müsse darum auch in Baden-Württemberg erlaubt sein. In diesem Konflikt holten sich die Stuttgarter Richter Rat beim Europäischen Gerichtshof: Kann es ein staatliches Monopol in einem ansonsten liberalisierten Umfeld geben? Das war eine, die wichtigste Frage, von deren Beantwortung man sich entscheidende Hinweise auf die Lösung der Rechtsfälle erwartete.

Anbieter müssen Suchtkonzept vorweisen

Die Antwort des EuGH vom 8. September erregte tatsächlich Aufsehen. Die Luxemburger Richter stellten das deutsche Wettmonopol dabei nicht grundsätzlich infrage. Es könne durchaus sein, dass so hehre Ziele wie die Vermeidung von Spielsucht sich nur auf einem derart ordnungspolitisch rigiden Weg erreichen ließen. In der Praxis aber handle Deutschland gar nicht nach diesen Vorsätzen, mit denen es das staatliche Monopol rechtfertigt. Dabei hatten die Bundesländer den Glücksspielstaatsvertrag extra um einige suchtprophylaktische Komponenten aufgemöbelt.

Die Werbung für die Glücksspielerei wurde etwas leiser gestellt, sie heißt heute Information – etwa darüber, wie viel im Jackpot ist. Ein spürbarer Verzicht war, dass das Internet auch von den staatlichen Lottogesellschaften nicht mehr für den Spielbetrieb genutzt werden durfte.

Glücksspielanbieter müssen zudem ein Suchtkonzept vorweisen. Die Länder sind – neben dem Lotto – zuständig für Sportwetten wie Toto oder Oddset. Und mit solchen Zugeständnissen wollten sie ihr Monopol und die daraus erwachsenden Einnahmen absichern. Praktisch parallel dazu liberalisierte jedoch der Bund seine Gewerbeordnung. Darin ist das Automatenspiel in Kneipen und Spielhallen geregelt. Und gerade Automaten werden als die am stärksten suchtgefährdenden Glücksspielvarianten angesehen. In der Folge stiegen die Umsätze der Automatenwirtschaft, die Zahl der Spielorte und der Glücksmaschinen wuchs. Das sei keine stimmige Politik, so der EuGH.

In Karlsruhe sind die Glücksspielwächter vorsichtiger geworden

Als Konsequenz sehen sich die Länder gezwungen, den das Glücksspiel – und vor allem ihr Monopol – regelnden Staatsvertrag schon wieder zu überprüfen. Das tun sie derzeit – erst am Mittwoch berieten die Ministerpräsidenten darüber wieder. Sie tun sich freilich schwer, denn sie brauchen jetzt auch den Bund, um ihre Position zu halten. Der aber hat eigene Interessen. Dabei sind auch die Stuttgarter Verwaltungsrichter von dem EuGH-Spruch beeindruckt. Es sei "kritisch, dass ein nichtmonopolistischer Bereich besteht" neben dem hoheitlichen Raum, so der Vorsitzende der Kammer, Richard Rudisile.

Der Vertreter eines der Kläger wurde deutlicher: "Warum kann man 8000 Spielhallen privat betreiben lassen, aber 2000 Wettbüros nicht? Darin sehe ich keine Logik." Die Vertreter des Landes mühten sich, das Wachstum der Automatenbranche tief zu stapeln. Schließlich seien bestimmte Spiele auch verboten worden. Deren Umsätze seien eben zu den Spielautomaten gewandert.

Letztendlich sind wohl auch die Glücksspielwächter in Karlsruhe nach dem Luxemburger Spruch zurückhaltender geworden. Untersagungen gebe es nach wie vor reichlich. "Aber wir verzichten derzeit auf Vollstreckungsmaßnahmen", heißt es im Regierungspräsidium.

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