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Das Lotto-Urteil schockt Hamburg

JESSICA KRÖLL, JANA TILZ


Lottoschein abgeben und gleichzeitig den Schokoriegel bezahlen - das wird vielleicht bald nicht mehr möglich sein. In Berlin hat das Landgericht jetzt angeordnet, dass in den Lotto-Annahmestellen der Süßwaren-Verkauf von der Lotto-Abteilung strikt getrennt werden muss. Die meisten Kioskbesitzer müssen deshalb umbauen. Ein Präzedenzfall auch für Hamburg?

Noch ist es nur eine einstweilige Verfügung gegen die Deutsche Klassenlotterie Berlin. Ein Wettbewerber hatte gegen zwei Lotto-Annahmestellen geklagt, die unter anderem das Glücksspiel in Verbindung mit Süßigkeiten beworben hatten. Laut Glücksspielstaatsvertrag vom 1.1.2008 ist dies jedoch verboten. Als Konsequenz daraus müssen jetzt rund 1000 Annahmestellen ihr Glücksspielangebot strikt vom Süßigkeiten-Verkauf trennen.

Wird die Verfügung in einem Urteil bestätigt, könnte dies auch für Hamburger Lotto-Läden Folgen haben - und vielen Kioskbetreibern das Genick brechen. Denn ein Großteil der 460 Annahmestellen müsste umgebaut werden. "Ich hoffe nicht, dass sich der Gerichtsbeschluss hier durchsetzt", sagt Ulf Kalkmann vom Einzelhandelsverband. "Eine Trennung von Süßwaren und Lottoscheinen würde bedeuten, dass kleine Läden auf ein Sortiment verzichten müssten. Dadurch geht ihnen Umsatz verloren."

Raoul Sandner (43), Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, glaubt indes schon, dass das Problem auch auf Hamburg zukommt: "Nach meiner Einschätzung bezieht sich der Gerichtsbeschluss auf den Jugendschutz, der bundesgesetzlich verankert ist. Wie andere Lottogesellschaften, hat auch die "Nordwest Lotto und Toto Hamburg" laut Glücksspielstaatsvertrag darauf zu achten, dass sich die Werbung der Annahmestellen nicht an Kinder und Jugendliche richtet. Ich gehe daher davon aus, dass auch hier die Kioskbetreiber dazu angehalten werden, Süßigkeiten von Lottoscheinen zu trennen."

Wolfgang La Noutelle (61), Vorsitzender des Lottoverbands Hamburg sieht darin das Aus für viele Kioskbesitzer: "Wie soll man das denn trennen? Die Geschäfte müssten dann eines ihrer finanziellen Standbeine abgeben. Das bedeutet für die meisten das Ende."

Auch Diplom-Psychologe Michael Thiel (48) sieht keine Notwendigkeit, Süßwaren vom Lottogeschäft zu trennen: "Die Wahrscheinlichkeit, dass Leute dadurch anfangen, zu spielen, ist gleich null. Das ist einfach zu weit hergeholt." So sehen es auch die meisten Kunden - sie können die Gerichtsentscheidung nicht nachvollziehen (siehe Text rechts).

Die "Lotto Hamburg GmbH" hält indes Spekulationen für verfrüht: "Es handelt sich ja zunächst um eine einstweilige Verfügung. Das ist noch kein endgültiges Urteil. Damit ist wohl erst in den nächsten Monaten zu rechnen. Bis dahin bleiben wir ruhig", so Sprecherin Birte Engelken.

Doch die Hamburger Innenbehörde prüft bereits, welche Auswirkungen "die vorläufige Entscheidung in Berlin auf Hamburg" hat, so Sprecher Thomas Butter.

In Berlin wurde unterdessen gegen den Gerichtsbeschluss Widerspruch eingelegt.

Info:
Schutz vor Glücksspiel Der Staatsvertrag zum Glücksspielwesen trat am 1. Januar 2008 in Kraft. Sein Ziel ist das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern sowie die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen. Er soll das Glücksspielangebot begrenzen und den Jugend- und Spielerschutz gewährleisten. In dem Vertrag werden Internet-Wetten verboten und Werbung für staatliche Lotterien eingeschränkt. Der Vertrag wurde von allen Bundesländern unterzeichnet. Das sagen Hamburger Ulli Ölker (43), Gastronomie-Kaufmann aus Eppendorf "Ich spiele selbst regelmäßig. Dass man dafür volljährig sein muss, kann ich ja verstehen. Aber die Räumlichkeiten zu trennen, ist doch Kleinkram. Ich glaube nicht, dass Lotto spielen etwas mit Sucht zu tun hat." Dieter Posanski (67), Rentner aus Lokstedt "Ich spiele jetzt schon seit so vielen Jahren Lotto. Das mache ich aus reiner Freude - richtig Geld gewonnen habe ich dabei noch nie. Aber Sucht würde ich das nicht nennen. Sport-Wetten zum Beispiel sind doch viel gefährlicher als Lotto." Yvonne Larik (36), Kauffrau aus Eppendorf "Früher habe ich irgendwann mal Lotto gespielt - das ist aber schon Ewigkeiten her. Ich gehe regelmäßig zum Kiosk und lasse mich vom Lotto-Angebot gar nicht irritieren. Außerdem tut es nicht not, solch ein Aufstand darum zu machen." Knut Burgdorf (38), Werbekaufmann aus Eppendorf "Ich habe einmal in meinem Leben Lotto gespielt, und ehrlich gesagt werde ich auch nie damit konfrontiert. Denn ich gehe so gut wie nie in einen Kiosk - Zeitungen bekomme ich auf der Arbeit noch und nöcher. Und auf Lotto-Werbung falle ich nicht herein." Jutta Ehrengruber (45), Kauffrau aus Eppendorf "Also ich bin vielleicht süchtig nach Zigaretten - vom Lotto werde ich es aber bestimmt nie, das spiele ich nämlich gar nicht. Aber prinzipiell würde ich schon sagen, dass sich dahinter ein gewisses Suchtpotenzial befindet, wogegen man ruhig etwas tun sollte."

Quelle


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Die obigen Kommentare auf BILD-Niveau kann man sich sparen.

Über den Link gelangt man noch zu dem einen oder anderen
gehaltvolleren Leser-Kommentar.

Aber vielleicht wird es dem einen oder anderen Bürger klar,
dass der Glücksspielstaatsvertrag ein Schwachsinn ist.

Letztlich ein gutes Urteil, um den Staatsmonopolisten den Spiegel vor Augen zu halten.