16. April 2008, 18:34 Uhr Von Tina Kaiser

Online-Wetten
Bwin bettelt darum, besteuert zu werden


Norbert Teufelberger, Chef des weltgrößten Sportwettenanbieters Bwin, über seinen Kampf gegen das staatliche Wettmonopol und die Suchtgefahr beim Zocken. Dem Manager zufolge wetten Deutsche mehr als Südländer. Ein Wettverbot im Internet hält er für unmöglich.


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WELT ONLINE: Herr Teufelberger, können Sie sich noch an Ihre erste Wette erinnern?

Norbert Teufelberger: An meine erste nicht, aber an meine unangenehmste verlorene Wette. Als siebenjähriger Junge war ich mit meinen Eltern im Skiurlaub. Mein Vater hat an einem Skirennen teilgenommen und ich hab gewettet, dass er gewinnt. Hat er aber nicht.

WELT ONLINE: Was war Ihr Wetteinsatz?

Teufelberger: Ich musste 50 Liegestütze machen, hab das aber nicht geschafft. Ein traumatisches Erlebnis: Ich hasse es nämlich zu verlieren. Verlieren hab ich bis heute nicht gelernt.

WELT ONLINE: Wetten Deutsche eigentlich anders als beispielsweise Südländer?

Teufelberger: Ja, da gibt es schon Unterschiede. Die Südländer tippen mehr kreuz und quer auf die unterschiedlichsten Sportarten und Ereignisse. Der Deutsche dagegen sagt: „Ich weiß genau, dass Mannschaft x gewinnt.“

WELT ONLINE: Wollen wir eine Wette machen?

Teufelberger: Klar, was für eine denn?

WELT ONLINE: Wir könnten wetten, ob in einem Jahr in Deutschland noch immer ein staatliches Wettmonopol herrschen wird.

Teufelberger: Das ist eine gute Wette, die ich allerdings schon oft verloren hätte. Bei unserem Börsengang 2000 dachte ich, es dauert vielleicht noch drei bis fünf Jahre, aber Fehlanzeige. Die Lage ist absurd, da die EU in zahlreichen Stellungnahmen gesagt hat, dass ein staatliches Monopol gegen die Dienstleistungsfreiheit der europäischen privaten Wettanbieter verstößt. Wenn ich als Wettanbieter eine gültige Lizenz eines EU-Landes habe, sollte ich in allen EU-Ländern meine Wetten verkaufen dürfen.

WELT ONLINE: Trotzdem hat Deutschland das staatliche Wettmonopol mit einem neuen Glücksspielstaatsvertrag zum 1. Januar 2008 sogar noch verschärft.

Teufelberger: Richtig und ich bin überzeugt, dass sich Deutschland damit in eine Sackgasse manövriert hat. Dieser Staatsvertrag ist im Zeitalter des Internets einfach nicht mehr zeitgemäß. Die staatlichen Lotto- und Wettanbieter dürfen jetzt nicht mehr werben, sie müssen ihre Annahmestellen reduzieren und dürfen nur noch Lottoscheine annehmen, wenn die Kunden sich umständlich eine Lottokarte besorgen. Die Folgen sind abzusehen: Die Umsätze brechen ein, die Steuereinnahmen auch und damit sinken auch die Zuschüsse an die Sportförderung. Ein Wahnsinn, gegen den sich schnell eine Front bilden wird. Und dabei liegt die Lösung ja auf dem Tisch: Die Sportwette sollte vom Lotteriebereich getrennt werden und wie die Pferdewette liberalisiert werden. Diese Möglichkeit hat auch die EU-Kommission in ihrem Schreiben an die deutsche Regierung vorgeschlagen.

WELT ONLINE: Private Wettanbieter sind seit 1. Januar in Deutschland verboten. Wie hat sich das auf Ihre Umsätze ausgewirkt?

Teufelberger: Gar nicht. Zunächst einmal ist es fast unmöglich, zu verhindern, dass Deutsche im Internet Wetten abschließen. Außerdem hat Bwin eine legale DDR-Wett-Lizenz, die vom Glücksspielstaatsvertrag nach Ansicht zahlreicher Rechtsexperten nicht betroffen ist.

WELT ONLINE: Das heißt, alle privaten Wettanbieter müssen dicht machen. Nur der Marktführer Bwin darf weitermachen wie bisher?

Teufelberger: Es ist sogar noch absurder: Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat im Dezember entschieden, dass wir dank der DDR-Lizenz weiter Wetten in Deutschland anbieten dürfen, allerdings nur auf dem ehemaligen Staatsgebiet der DDR.

WELT ONLINE: Das heißt in Berlin-Charlottenburg ist wetten verboten, in Berlin-Mitte dagegen erlaubt?

Teufelberger: Theoretisch schon, wobei dieser Rechtsspruch natürlich nicht exekutierbar ist, da wiederum viele Gerichte in den alten Bundesländern das Angebot doch zugelassen haben. Des Weiteren hat ja die EU-Kommission gegen den Glücksspielstaatsvertrag schon ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Damit wird das Monopol also irgendwann fallen. Wir versuchen seit Jahren, uns mit den Politikern an einen runden Tisch zu setzen und gemeinsam einen regulierten geöffneten Sportwettenmarkt zu definieren. Genau genommen sind wir die einzige Industrie, die sagt: Bitte reguliert und besteuert uns.

WELT ONLINE: Gleichzeitig drohen Sie damit, deutsche Bundesländer auf Schadensersatz zu verklagen.

Teufelberger: Richtig und wir werden auch demnächst eine Klage gegen ein Bundesland einreichen. Wir müssen uns verteidigen, wenn wir zu Unrecht angegriffen werden. Mir wäre lieber, wir könnten das Geld dafür stattdessen als Steuern zahlen und diesen sinnlosen Kampf endlich beenden. Dieses Thema muss politisch und nicht vor Gericht gelöst werden.

WELT ONLINE: Deutsche Politiker halten am Wettmonopol fest, weil sie vor Spielsucht schützen wollen.

Teufelberger: Das ist eine Pseudoargumentation sondergleichen. Nachweislich hat das Automatenspiel die höchste Suchtgefahr, ist aber auch in privater Hand und in der letzten Zeit sogar dereguliert worden. Wir haben der Harvard Medical School seit 2005 Zugang zu unseren Kundendaten gegeben. In einer Langzeitstudie haben die 40000 Kundendaten auf Suchtverhalten analysiert. Nur ein Prozent der Spieler hat ein auffälliges Spielverhalten gezeigt. Damit haben Wetten die geringste Suchtgefahr aller Glücksspiele.

WELT ONLINE: Dieses eine Prozent Spielsüchtiger darf trotzdem bei Ihnen spielen.

Teufelberger: Falsch, Bwin hat ein Team von Mitarbeitern, die das Spielverhalten unserer Kunden überprüft. Wer auffällig wird, den kontaktieren unsere Mitarbeiter.

WELT ONLINE: Süchtige erkennen meist nicht selbst, dass sie ein Problem haben.

Teufelberger: Das stimmt, deshalb arbeiten wir mit Limits, wie viel sie pro Monat einsetzen dürfen. Ein regulierter Markt würde uns hier übrigens auch helfen. Es bringt ja wenig, wenn nur wir den Süchtigen das Spielen verbieten. Dann gehen die einfach zum Wettbewerber. Wir versuchen uns deswegen für eine internationale Blacklist einzusetzen, auf der man Spieler weltweit sperren kann. Und das Internet ist hier das geeignetste Medium. Im Internet gibt es keine anonymen Spieler sondern jeder Schritt des Kunden ist nachvollziehbar. Wir wissen ganz genau wann, wie oft und mit welchen Einsätzen der Kunde bei uns wettet. Ein besseres Kontrollsystem als das Internet gibt es nicht.

WELT ONLINE: Sie sind mit Schuld an der Angst der Politiker. Obwohl Bwin eine österreichische Firma ist, hat sie ihren Sitz in der Steueroase Gibraltar. Das macht schon einen leicht unseriösen Eindruck.

Teufelberger: Wir mussten 2001 nach Gibraltar gehen, weil wir nur dort innerhalb der EU eine Lizenz für Wetten und Online-Kasino bekommen haben. Im Übrigen handelt es sich nicht wie oft unterstellt um eine Briefkastenfirma. Rund 200 Mitarbeiter sitzen dort, unter anderem unsere Buchmacher, die die Wettquoten bestimmen.

WELT ONLINE: Sie wohnen auch dort?

Teufelberger: Ja, aber tatsächlich bin ich 220 Tage im Jahr in der Welt unterwegs. Aber wir haben uns damals gesagt: Wir wollen Weltmarktführer werden. Also werden wir viele Gegner haben und wollen so wenig Angriffsfläche wie möglich haben. Deswegen kam ein Briefkasten nie infrage. Die deutschen Steuerbehörden waren trotzdem lange uneinsichtig und behaupteten einige Jahre, unser Büro in Gibraltar existiere nicht.

WELT ONLINE: Das Problem ließe sich mit einem Vorort-Termin wohl leicht lösen.

Teufelberger: Das sagen Sie. Wir haben sie eingeladen, aber sie haben gesagt: „Wir kommen nicht, Sie schauspielern uns dann sowieso nur für einen Tag ein Büro vor.“ Dann haben wir einen Film gedreht, die gibraltarische Regierung hat unsere Lohnzettel nach Deutschland geschickt. Das hat alles nicht geholfen. Stattdessen haben die einen Privatdetektiv engagiert, der dann aber auch nur berichten konnte, dass wir nicht gelogen haben.

WELT ONLINE: 2006 wurden Sie und Ihr Co-CEO Manfred Bodner vor laufenden Kameras in Frankreich abgeführt und saßen für drei Tage wegen illegalen Glücksspiels im Gefängnis. Haben Sie damals gedacht, vielleicht hätte ich doch lieber was anderes als Wetten gemacht?

Teufelberger: Nein, das nicht. Schließlich war und bin ich überzeugt, unschuldig zu sein. Seit unserer Verhaftung hat sich in Frankreich viel geändert: Heute wird dort über eine Öffnung der Wettmärkte diskutiert. Die Entwicklung in Europa zu einem geöffneten und regulierten Markt wird sich nicht aufhalten lassen.

WELT ONLINE: Als Jugendlicher waren Sie die Nummer drei der Junioren-Weltrangliste im Tennis. Der Tennis-Profi Teufelberger wäre nicht hinter Gittern gelandet.

Teufelberger: Ich habe mit 18 Jahren mit Tennis aufgehört, weil ich nicht mein ganzes Leben dem Sport unterordnen wollte. Nicht abends ausgehen, keine Freundin haben, immer auf Reisen sein. Das habe ich nicht gewollt.


Das Unternehmen

Bwin wurde 1997 in Österreich gegründet. Seit dem Börsengang 2000 hat das Unternehmen seinen Hauptsitz in der britischen Exklave Gibraltar. Bwin ist heute der größte Sportwettanbieter der Welt. Im gesamten Glücksspielmarkt kämpft der Konzern mit dem britischen Betreiber Partygaming um die Marktführerschaft. Der Konzern bietet Online-Wetten in rund 90 Sportwetten an. 1,6 Millionen aktive Spieler zocken auf der Website. An Spitzentagen platzieren sie bis zu eine Million Wetten, jede mit einem durchschnittlichen Einsatz von sechs bis acht Euro. Darüber hinaus bietet Bwin auch Casinospiele und Pokern. Weil sich das Unternehmen 2006 wegen einem kompletten Wettverbot aus den USA zurückziehen musste, machte Bwin 2006 einen Nettoverlust von 539,6 Millionen Euro. 2007 erzielte das Unternehmen nach eigenen Angaben wieder einen deutlichen Gewinn, die Zahlen werden aber heute veröffentlicht. Der Konzern beschäftigt 1000 Mitarbeiter. Bwin expandiert weiter, kämpft aber in vielen Ländern mit einer unklaren Rechtssituation. Das Unternehmen ist Trikot-Sponsor von Real Madrid und AC Mailand.

Der Chef

Norbert Teufelberger wurde 1965 in Vöcklabruck in Oberösterreich geboren. Als Kind wurde sein Talent für Tennis entdeckt. Teufelberger besuchte ein Sportinternat und spielte sich bis zur Nummer drei der Junioren-Weltrangliste nach oben. Trotzdem schmiss er mit 18 Jahren seine Tennis-Karriere hin und studierte Handelswissenschaften in Wien. Nach seinem Abschluss 1989 fing er als Controller bei dem staatlichen Spielbankbetreiber Casinos Austria an. 1992 wechselte er in die USA und wurde Mitbetreiber der privaten Glücksspielfirma Century Casino. 1999 ging er zurück nach Österreich und stieg bei Bwin ein, das damals noch Betandwin hieß. Seit 2001 leitet er das Unternehmen gemeinsam mit dem Gründer Manfred Bodner.

Quelle