"Mehr ideologisch als pragmatisch"

Florian Zerfaß
09.03.2011

Rechtswissenschaftler Dieter Dörr über den Streit der Bundesländer ums Monopol aus Sportwetten.



Rechtswissenschaftler Dieter Dörr


wiwo.de: Herr Dörr, um ihr Lotto- und Sportwettenmonopol zu sichern wollen die Länder nun rigoros gegen Automatenspiele vorgehen, die bislang bundesrechtlich geregelt waren. Können die Länder dieses Feld einfach so an sich reißen?

Dieter Dörr: Mit den Kompetenzen in der Gesetzgebung ist das immer eine komplizierte Sache. Der Bund hat die Automatenspiele bislang gewerberechtlich geregelt. Wenn die Bundesländer zusätzlich spielbezogene Regelungen einführen, halte ich das durchaus für zulässig. Ich würde aber zu Rechtfertigung des Monopols beim Lotto dennoch nicht auf die Spielsuchtbekämpfung abstellen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im September moniert, dass die Sportwetten per Monopol eingeschränkt werden, um Spielsucht zu bekämpfen, die gefährlicheren Automatenspiele und Pferdewetten dagegen nicht. Ist es da nicht konsequent, diese nun auch zu regulieren?

Studien zeigen, dass Automatenspiele ein hohes Risiko für Spielsucht ausweisen. Diese zu regulieren ist sinnvoll. Aber bei den Sportwetten und Lotterien könnte es problematisch werden, da von diesen keine erhebliche Spielsuchtgefahr ausgeht. Der Generalanwalt hat im Verfahren vor dem EuGH von einem "Scheinheiligkeitstest" gesprochen. Soll heißen: Es geht den Ländern vielleicht gar nicht darum, die Spielsucht zu bekämpfen, sondern ihren Lottogesellschaften Einnahmen zu sichern. Wenn man das Monopol weiter auf die Spielsucht stützt, dann wackelt es, noch bevor es verabschiedet ist.

Welche Lösung halten Sie für sinnvoll?

Das Lotteriemonopol lässt sich viel schlüssiger begründen, wenn es auf den Schutz vor betrügerischen Machenschaften und den Verbraucherschutz abzielt. Lotterien weisen ein hohes Maß an Intransparenz auf, weil die Ziehungen in einem weitgehend abgeschirmten Umfeld stattfinden, welches im Einflussbereich des Lotterieveranstalters liegt. Daraus ergibt sich eine Manipulationsgefahr, die auch eine Aufrechterhaltung des Monopols rechtfertigt. Bei den Sportwetten sehe ich dagegen keinen sachlichen Grund für ein Festhalten am Monopol.

Weshalb nicht?

Die Spielsuchtgefahr ist gering und die Manipulationsgefahr geht weniger von den Sportwettenanbietern aus, als von den Teilnehmern an Sportveranstaltungen. Das rechtfertigt keinen Eingriff in die Berufsfreiheit der Wettveranstalter. Hinzu kommt insbesondere, dass das Monopol ja ohnehin nicht funktioniert. Der weitaus größte Teil der Einsätze - Studien gehen von über 90 Prozent aus -wird ja schon jetzt bei unregulierten Anbietern gesetzt. Ich halte eine Teilliberalisierung und die Einführung von Konzessionen für sinnvoll. Diese müssen natürlich an Bedingungen geknüpft werden, damit Jugendschutz und Spielerschutz gewahrt werden.

Das sehen manche Länder aber offenbar anders…

Die Diskussion wird leider mehr ideologisch geführt als pragmatisch. Wegen der Möglichkeiten des Internets können ausländische Sportwettenanbieter nahezu ungehindert europaweit Wetten anbieten. Daran wird auch eine Fortschreibung des Monopols nichts ändern. Dagegen könnte eine Teilliberalisierung dazu führen, dass viele Sportwettbegeisterte die neuen Angebote nutzen, die die Vorgaben des Jugendschutzes und des Spielerschutzes beachten.

Einig sind sich die Bundesländer in der Monopolfrage ohnehin nicht. Schleswig-Holstein hat gedroht, aus dem Glücksspielstaatsvertrag auszusteigen. Welche Konsequenzen hätte das?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass der EuGH unterschiedliche Regelungen in Deutschland akzeptiert. Wenn private Sportwettenangebote hier erlaubt sind und dort verboten, dann wird der EuGH vermutlich sagen: Es ist doch unglaubhaft, dass Sportwetten in manchen Bundesländern gefährlich sind, in anderen nicht – ich nehme euch das mit der Spielsuchtbekämpfung nicht ab. Und dann ist auch das Monopol im Lottobereich massiv gefährdet.

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