Verbandschef Gauselmann: Staatliche Kontrolle ist Wunschdenken – Suchtvorwürfe zurückgewiesen

Glücksspiel-Branche will mehr Freiheit

Osnabrück. Die Betreiber von Glücksspielautomaten drängen nach dem Monopol-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) auf eine Liberalisierung des Marktes in Deutschland.

In einem Gespräch mit unserer Zeitung sagte Paul Gauselmann, Vorsitzender des Verbandes der Deutschen Automatenindustrie (VDAI), Vorbild müssten Regelungen wie in Italien und Großbritannien sein. „Diese Länder haben Automatenspiel und Sportwetten dauerhaft freigegeben, ohne den Schutz der Spieler vor Sucht zu vernachlässigen.“ Frankreich plane gerade ähnliche Schritte.

Eine Gleichstellung gebiete sich schon aus Wettbewerbsgründen, erklärte Gauselmann. Darüber hinaus seien die unternehmerische Freiheit und der klare Wunsch der Bevölkerung zu berücksichtigen. „Wenn Sie politisch etwas verordnen und die Spielmöglichkeiten einschränken, drängen Sie die Leute nur in Hinterzimmer oder das Internet“, warnte Gauselmann. Die Folge sei ein grauer Markt, auf dem keine Suchtprävention oder Kontrolle stattfinde und Steuereinnahmen ebenfalls Fehlanzeige seien. „Schon jetzt fallen bei Sportwetten 90 Prozent der Internet-Umsätze aus dem Ausland an.“

Gauselmann wies den Vorwurf zurück, Automatenglücksspiel sei überproportional für Spielsucht verantwortlich. Zwar melde sich in den Beratungsstellen mit fast drei Vierteln ein hoher Anteil von Automatenspielern. Dies liege aber daran, dass auf den Geräten aus Gründen der Vorbeugung freiwillig auf Suchtgefahren hingewiesen werde und eine Beratungsnummer der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung angegeben sei. Darüber hinaus seien in Deutschland lediglich 31000 von 104000 „pathologischen Spielern“ vom Automatenspiel abhängig, erklärte Gauselmann unter Berufung auf Zahlen der Bundeszentrale. In Bezug zum Umsatzanteil dieser Geräte von 40 Prozent am Glücksspielmarkt sei der Anteil der Süchtigen damit sogar unterproportional.

„Größere Gefahren gehen von Kasinos und Sportwetten aus.“ Im Ausbildungsgang „Automatenservice“ sei die Suchtgefahr zudem Lehrinhalt und werde unter anderem von sozialen Einrichtungen wie der Caritas geschult.

„Vernünftig wäre es, der Staat würde sich auf Lotto und Kasinos konzentrieren, Automaten und Sportwetten aber freigeben“, sagte Gauselmann. „Alles andere führt ins Chaos. Einen neuen Staatsvertrag nach altem Muster wird es nämlich nicht geben“, prognostizierte der Verbandschef. „Ich halte es für ausgeschlossen, dass sich die Länder auf Basis des EuGH-Urteils auf eine einheitliche Position einigen.“ Durch die Entscheidung der Europarichter sei eine „verrückte Situation“ entstanden, da der alte Staatsvertrag ohne Übergangsfrist gekippt worden sei. Eine Ausdehnung des Monopols auf alle Arten des Glücksspiels, wie es etwa Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) fordert, nannte Gauselmann „radikales Wunschdenken abseits der Realität“. Dies gelte schon deshalb, weil für Teile des Marktes das Bundeswirtschaftsministerium und nicht die Länder zuständig seien.

„Die Lösung kann für den Staat nur lauten, sich zurückzuhalten. Mit entsprechenden Vereinbarungen zum Spielerschutz funktioniert das in anderen Ländern hervorragend, warum nicht auch bei uns?“, meinte Gauselmann, der auch Vorstandssprecher der international tätigen Gauselmann-Gruppe ist. Der Spielautomaten-Marktführer und Betreiber der Merkur-Spielotheken mit Sitz im ostwestfälischen Espelkamp hat rund 6000 Mitarbeiter und erzielte 2009 einen Umsatz von knapp 1,3 Milliarden Euro. Bundesweit hat die Spielautomatenbranche rund 70000 Mitarbeiter.

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