TV-Lotterien

Verbotenes Glück

Hilfsaktionen wie "Ein Platz an der Sonne" oder "Aktion Mensch" machen Menschen glücklich. Doch nun sind gemeinnützige Fernsehlotterien in ARD und ZDF gefährdet - durch ein Verbot der Bundesländer.

Von Klaus Ott

Glückliche Menschen sind in fast jedem Werbespot im Fernsehen zu sehen. Die Firmen, die dort ihre Produkte anpreisen, wollen mit Hilfe lächelnder Schauspieler die Verkaufszahlen steigern.

Das ist der Werbealltag, an den sich die Zuschauer längst gewöhnt haben. Einige Spots mit besonders strahlenden Gesichtern sind in den vergangenen Jahren dennoch immer wieder aufgefallen. Denn dieses Glück war nicht gespielt. Die kurzen Filme zeigten zum Beispiel Behinderte, die sich darüber freuten, wie Hilfsaktionen ihr Leben erleichterten. Und die andere Menschen sogar zum Jubeln brachten, indem sie ihnen tolle Preise nach Hause brachten, gewonnen bei den gemeinnützigen Fernsehlotterien "Ein Platz an der Sonne" (ARD) und "Aktion Mensch" (ZDF).

Seit Anfang des Jahres sind diese Spots aber weitgehend vom Bildschirm verbannt. Diese Szenen verleiteten "zu stark zum Glücksspiel", hat die ARD-Fernsehlotterie nach ihren Angaben von den Bundesländern mitgeteilt bekommen. Nur einen einzigen, stark überarbeiteten Spot dürfe man noch senden. Die Länder beaufsichtigen Lotto und Toto, Sportwetten und Casinos, und sind somit auch für die beiden TV-Lotterien zuständig.

Die Aktion Mensch leidet gar unter einem vollständigem TV-Verbot. "Die Lotterieaufsicht der Länder genehmigt uns derzeit keine Fernsehspots mehr", klagt Geschäftsführer Dieter Gutschick. Die Spots seien zu emotional, laute der Einwand. "Wir hängen in der Luft", sagt Gutschick. "Wir befürchten erhebliche Rückgänge beim Losverkauf." Genauso dramatisch ist die Lage auch bei der ARD-Fernsehlotterie. Deren Chef Christian Kipper sagt, das Vorgehen der Länder "stellt unser Geschäftsmodell infrage".

Chef denkt an Klage

Dieses Geschäftsmodell funktioniert normalerweise ganz einfach. Die beiden TV-Lotterien verkaufen dank der TV-Werbung und Shows wie "Wetten dass ...?" jährlich für mehr als eine halbe Milliarde Euro Lose. Der größte Teil der Erlöse fließt in die Kinder- und Jugendhilfe, oder kommt alten Leuten und Behinderten zugute. Rund ein Drittel der Einnahmen wird als Gewinn ausgeschüttet, als Preise gibt es etwa Bargeld oder gar Eigenheime. Auch die Bundesländer kassieren mit, sie streichen eine Lotteriesteuer ein. Die Organisation und Verwaltung der beiden TV-Lotterien kostet das wenigste Geld. Getragen werden die TV-Lotterien von ARD und ZDF sowie Hilfsorganisationen wie der Arbeiterwohlfahrt, dem Caritasverband oder dem Roten Kreuz.

Jahrzehntelang ging das gut. Aus der früheren "Aktion Sorgenkind" wurde die Aktion Mensch; die beiden TV-Lotterien haben zusammen schon mehrere Milliarden Euro für soziale Zwecke eingespielt. Doch nun ist der Platz an der Sonne in großer Gefahr. Die 16 Bundesländer haben ein neues Glücksspielrecht erlassen, das seit Anfang 2008 gilt und die Bürger davor schützen soll, ihr Geld zu verzocken.

100.000 Spielsüchtige soll es in Deutschland geben. Einige von ihnen haben ausgerechnet in Casinos, die den Ländern gehören, Haus und Hof verloren. Nun gibt sich der Staat ganz streng und untersagt unter anderem TV-Werbung für Glücksspiele. Von 2009 an dürfen auch keine Lose mehr über das Internet verkauft werden. Die neuen Auflagen gefährden die beiden gemeinnützigen TV-Lotterien, was Gutschick, der Chef der Aktion Mensch, überhaupt nicht verstehen kann. "Wer bei uns Lose bestellt, wird bestimmt nicht süchtig."

Offiziell sind die beiden TV-Lotterien nach Angaben von Gutschick vom TV-Werbeverbot befreit. Die Lotterieaufsicht der Länder schreite trotzdem ein, rügt der Chef der Aktion Mensch. "Wir haben die Ministerpräsidenten um Unterstützung gebeten, die ist uns dann auch zugesagt worden." Doch auf der Beamtenebene werde das nicht umgesetzt. "Wenn die TV-Werbung weiter verboten bleibt, müssen wir vor Gericht gehen."

Große Sorgen bereite auch die Absicht der Länder, den Losverkauf über das Internet zu untersagen. Das sei ein wichtiger Vertriebsweg für die Aktion Mensch. Das geplante Internet-Verbot sei "überzogen und verfassungswidrig", kritisiert Gutschick. "Unsere Kunden zocken ja nicht über das Internet."

Größte Probleme befürchtet auch Kipper, der Chef der ARD-Fernsehlotterie. Blieben die Länder bei ihrer Haltung, "wäre unser Auftrag stark gefährdet, möglichst viele Fördermittel zur Verfügung zu stellen". "Das kann doch nicht wirklich gewollt sein?", sagt Kipper. Der Staat müsse froh sein über das Engagement der TV-Lotterien, statt ihnen das Leben schwer zu machen. "Wenn wir unsere Leistung einschränken müssen, wären die hilfebedürftigen Menschen in erster Linie die Leidtragenden."

(SZ vom 14.07.2008/cag)

Quelle



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Die spinnen, die Staatsmonopolisten. vogel