Schadenersatzforderung

Freistaat soll 248 Millionen Euro zahlen

Staatsanwalt stellt Verfahren wegen illegalen Glücksspiels ein. Nun will der Sportwetten-Anbieter Schadenersatz nach einer Großrazzia.

Von Klaus Ott

Mit einer horrenden Schadenersatzklage gegen den Freistaat will der Münchner Sportwetten-Anbieter Simon Springer 248 Millionen Euro vor Gericht erstreiten. Er habe nach einer Großrazzia Anfang 2004 seine damalige Firma zum Spottpreis verkaufen müssen. Der Verdacht illegalen Glücksspiels erwies sich später als falsch. Das Justizministerium prüft den Fall.

Genauso spektakulär wie der Münchner Unternehmer Springer heute den Freistaat attackiert, waren die Behörden im Januar 2004 gegen den Sportwetten-Anbieter vorgegangen. Dutzende Polizisten stürmten eines Nachmittags zehn Filialen und Büros der Firma Wettannahme Simon Springer, in denen Tipps für Fußballspiele und Pferderennen abgegeben und abgewickelt wurden. Die Kriminaler beschlagnahmten nahezu alles, was nicht niet- und nagelfest war: Bargeld, Wettscheine, Plakate, Ordner, Kontoauszüge, Fernseher, Computer und sogar einen Tresor. Die Liste der Gegenstände und Papiere, die mitgenommen wurden, füllte 20 engbeschriebene Seiten. Außerdem wurde Vermögen in Höhe von vielen Millionen Euro arrestiert. "Illegale Münchner Zockerparadiese geschlossen", schrieb damals die Boulevardpresse.

Hintergrund der Razzia war die Glücksspielpolitik des Freistaats. Die CSU-Regierung beansprucht ein Monopol für die staatliche Sportwette Oddset und geht hart gegen private Konkurrenten vor. Das bekam sogar der TSV 1860 München zu spüren. Der Traditionsklub musste seine Trikotwerbung für die Toto-Gesellschaft Bwin einstellen, die vom Ausland aus via Internet in großem Stil Tipps für Fußballspiele, Formel-1-Rennen und andere Ereignisse annimmt. Das Vorgehen des Freistaats ist allerdings juristisch umstritten. Die Gerichte entscheiden mal so, mal so.

Im Fall Springer kam es nicht einmal zu einem Prozess. Die Staatsanwaltschaft München I stellte Anfang 2007 die Ermittlungen gegen den Sportwetten-Unternehmer mangels hinreichenden Tatverdachts ein. Springer stünden "möglicherweise Entschädigungsansprüche" zu, teilten die Strafverfolger mit.

Razzia blockierte Annahmestellen

Wenige Monate später, im April 2007, billigte das Amtsgericht München dem Unternehmer grundsätzlich Schadenersatz zu. Das galt für die Durchsuchungen, für arrestiertes Vermögen in Höhe von 16 Millionen Euro und für die Pfändung von Geschäftsanteilen Springers bei verschiedenen weiteren Firmen. Doch dem Sportwetten-Anbieter, der inzwischen mit einer neuen Firma namens Bet 3000 in diesem Markt aktiv ist, genügt das nicht. Über seinen Anwalt macht er bei der Staatsanwaltschaft weitere Ansprüche geltend. Springer behauptet, sein damaliges Unternehmen habe wegen der Razzia und deren Folgen kurz vor der Pleite gestanden. Die Annahmestellen seien blockiert gewesen. Ihm sei nichts anderes übriggeblieben, als das Unternehmen zum Spottpreis von 80000 Euro an einen Buchmacher aus Bochum zu verkaufen.

Bei einem von der Industrie- und Handelskammer München und Oberbayern öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen gab Springer ein Gutachten in Auftrag. Ergebnis: Das Unternehmen sei vor der Razzia 248 Millionen Euro wert gewesen. Auf diesen Betrag will Springer nach Angaben seines Sprechers Magnus von Zitzewitz nun den Freistaat verklagen. Springer ist Vorstand der Bet 3000, die ebenfalls Sportwetten anbietet. Nach Angaben von Zitzewitz will Springer trotz der großen finanziellen Risiken, die damit verbunden sind, vor Gericht gehen. Verliert der Sportwetten-Betreiber, dann muss er des hohen Streitwerts wegen enorme Anwalts- und Gerichtskosten tragen. "Simon Springer will dieses Risiko eingehen und die 248 Millionen Euro einklagen", sagt von Zitzewitz.

Das Justizministerium prüft, so ein Sprecher, ob und in welcher Höhe Schadenersatz gezahlt werden soll. Das werde dann von der Generalstaatsanwaltschaft in Abstimmung mit dem Ministerium festgelegt. Der Fall sei "außerordentlich komplex". Wann entschieden wird, stehe noch nicht fest, so der Sprecher des Justizressorts. Springers neue Firma Bet 3000 und die Behörden streiten derweil weiter. Die Sportwetten-Annahmestellen in Bayern sind laut von Zitzewitz geschlossen worden, wieder drohe die Insolvenz, und erneut denke man über Schadenersatzforderungen nach. Im Internet ist die Bet 3000 allerdings noch aktiv, von Gibraltar aus. Dort ist Springer inzwischen ansässig und schwer greifbar für Bayerns Behörden.

(SZ vom 13.09.2008/jh)

Quelle


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ein Gesetz machen, welches Recht und Freiheit mit Füßen tritt.