Drei Jungprofis und ein großes Ziel

Marco Pischorn, David Pisot und Julian Schuster wollen beim VfB Fuß fassen - Reizvolle Konkurrenzsituation vor dem Rückrundenstart

Zusammen haben Julian Schuster, Marco Pischorn und David Pisot drei Bundesligaspiele auf dem Buckel. Seit drei Wochen sind sie nun Jungprofis beim VfB. "Wir haben dem Trainer gegen Leverkusen gezeigt, dass wir im Notfall da sind", sagt Julian Schuster.

Rückblickend nennt Marco Pischorn den 27. Oktober "einen perfekten Tag", auch wenn dieser gegen 18 Uhr im VIP-Raum des Daimlerstadions für ihn ein kurioses Intermezzo zu bieten hatte. Denn im Kreise der zahlungskräftigen VfB-Fußballfreunde hat man ihm kurz nach dem 1:0-Heimsieg über Bayer Leverkusen immerzu und äußerst freundlich zu seinem Tor gratuliert. Dabei ist es gar nicht Pischorn gewesen, der die Lederkugel in der 72. Spielminute im Kasten der Rheinländer versenkt hatte. Tatsächlich hieß der Torschütze Andreas Beck. "Die Leute haben mich mit dem Andi verwechselt", erzählt Pischorn vom Tag seiner Bundesligapremiere, "weil wir beide blonde Haare haben".

Nun sitzt Marco Pischorn in der Hotelhalle des Park Hyatt am Dubai Creek und schreibt für zwei junge Edelfans des AC Mailand geduldig Autogramme. Der ehemalige Industriemechaniker hat einen trainingsfreien Nachmittag und weiß dabei die beiden Kollegen Julian Schuster und David Pisot neben sich. Gemeinsam sind die drei die Jüngsten unter den vielen jungen VfB-Profis. Denn erst kurz vor Jahresende 2007 hat das Trio den ersten Profivertrag der Karriere unterschrieben, der im Fall von Pischorn und Schuster bis 2010 und von David Pisot bis 2009 datiert ist. Gemeinsam lebt das Trio in der Hoffnung, der VfB-Eigenmarke "die jungen Wilden" nach der Zeit mit Hleb, Kuranyi und Hildebrand sowie der Riege Khedira, Tasci und Gomez nun vielleicht einen dritten Erfolgsjahrgang hinzufügen zu dürfen. Dabei sind die drei bescheiden.

"Im Training erkennen wir, dass uns im Vergleich zu vielen Kollegen fußballerisch noch etwas fehlt", sagt David Pisot. Viele Tore dürfen die VfB-Fans von den drei neuen Gesichtern ohnehin nicht erwarten: denn Pischorn (22) und Pisot (19) sind gelernte Innenverteidiger, während Julian Schuster (22) eigentlich ein Sechser ist, im Mittelfeld aber jede Position spielen kann.

Was man neben Ehrgeiz, Fleiß, dem fußballerischen Rüstzeug und der nötigen Geduld aber auch braucht, um eine Karriere gut in Gang zu bringen, zeigt eine weitere Episode im noch jungen Aktivenleben des Marco Pischorn: Man benötigt nämlich auch ein Quäntchen Glück. Es war am 20. Oktober 2007, dem Tag des VfB-Spiels beim Hamburger SV, als sich der blonde Pischorn während der Teambesprechung insgeheim dachte: "So ein Mist!" Schließlich hatte er, und nicht der Regionalligagefährte Pisot, in der Vorwoche die ganze Zeit mit den Profis mittrainiert. Jetzt aber eröffnete der VfB-Trainer Armin Veh der Mannschaft, dass der gebürtige Karlsruher Pisot an der Seite von Serdar Tasci seine Chance als Innenverteidiger in der Startelf bekommen würde.

Der Rest der Geschichte ist bekannt: Der VfB ging in Hamburg mit 1:4 unter und dem HSV-Stürmer Ivica Olic gelang in 28 Minuten ein Hattrick, was bestimmt nicht allein an David Pisot lag. Trotzdem war Marco Pischorn plötzlich sehr froh, dass sich Veh in Hamburg gegen ihn entschieden hatte. Denn so konnte er selbst eine Woche später gegen Leverkusen seine Bundesliga-Feuertaufe mit einem guten Spiel und dem 1:0-Sieg krönen. Aus einem machen die beiden Innenverteidiger Pischorn und Pisot nämlich keinen Hehl: "Wir haben zwar dasselbe Ziel, wir wollen als Profis Fuß fassen", sagt Pisot, "aber wir sind dabei auch Konkurrenten."

Das ist vor allem in Hinblick auf den Bundesliga-Rückrundenstart am 3. Februar auf Schalke so. Denn sollten Ludovic Magnin und Andreas Beck bis dahin nicht fit werden, stehen dem VfB-Trainer Veh wegen Sperren und des Einsatzes von Arthur Boka beim Afrikacup in Fernando Meira und Matthieu Delpierre nur zwei etablierte Abwehrspieler zur Verfügung.

Roberto Hilbert könnte den rechten Verteidiger geben. Aber wer wäre der vierte Mann in der Viererkette: Pischorn oder Pisot? "Darüber dürfen wir uns keine Gedanken machen, wir müssen nach vorne schauen und Vollgas geben", sagt Julian Schuster, der sich seinerseits im Mittelfeld illustrer Konkurrenz erfreut. Doch der Abiturient und Bankkaufmann, der mit seinem Bruder Robin und Marco Pischorn 2005 im Dreierpack vom FV Löchgau zum VfB kam, besitzt offensichtlich die nötige Geduld. "Bei den Amateuren bin ich zunächst auch ein Jahr fast nur auf der Bank gesessen, ehe ich zeigen durfte, was ich kann", sagt Schuster.

Immerhin hat Armin Veh bereits durchblicken lassen, dass er verstärkt auf die jüngste Ernte aus dem VfB-Talentschuppen setzen will, mit dem Rainer Adrion in der Regionalliga erfolgreich ist. "Wir müssen nicht unbedingt noch einen Abwehrspieler verpflichten", sagt der Trainer nach dem Weggang von Gledson zu seinem alten Club Hansa Rostock, "wir haben ja noch die Jungen". Das sieht Julian Schuster ähnlich. Dabei denkt auch er zurück an den Nachmittag des 27. Oktober, als Marco Pischorn zum Phantomtorschützen wurde. "Wir haben dem Trainer gegen Leverkusen doch gezeigt", sagt Schuster, "dass wir im Notfall da sind."

Quelle: Stuttgarter Zeitung