Schmaler Kader, schmaler Grat

VfB in der Erfolgsspur - solange sich die Ausfälle in Grenzen halten

Nach dem vierten Sieg in Serie gehen manch kühnen Optimisten schon wieder die Gäule durch. Uefa-Cup-Platz? Warum so bescheiden? Dabei lehrt das 1:0 gegen schwache Cottbuser: Ausfälle verkraftet der VfB Stuttgart weiter nur schwer. Nur die Topbesetzung garantiert den Erfolg.

Pure Freude sieht anders aus, fühlt sich anders an. Mit schmalen Lippen und monotoner Stimmlage spulte Armin Veh noch einmal den Spiel-Film ab. Den angebotenen Kaffee wies er missmutig zurück, deutete auf das Wasser auf dem Podium und knurrte: "Das mach ich selber."
Seh´n so Sieger aus? Mitnichten.

Dabei hätte der Trainer allen Grund gehabt, entspannt zu sein. Die Roten hatten seine Vorgabe, in der Abwehr stabil zu stehen, vorbildlich umgesetzt, sie hatten ohne den angeschlagenen Mario Gomez (Rückenbeschwerden) den vierten Sieg in Folge eingefahren und die Partie sicher im Griff - routiniert, unaufgeregt und effektiv. Nicht, dass Veh diese Qualitäten nicht erkannte. Der Mann kann eben nicht aus seiner Haut. "Ich bin immer so", sagte er, "ich kann nur so sein, wie ich bin."
Aufrichtig. Und ehrlich.

Insofern entsprach sein Auftreten einer durchaus realistischen Einschätzung der Befindlichkeit des gestrauchelten Meisters.
Die Sorgenfalten auf der Stirn des Trainers kamen ja nicht von ungefähr. So unbedarft, wie sich Cottbus präsentierte, so unbeholfen agierte der zweite "Sturm" der Roten. Kaum Torchancen vor, null Torchancen nach der Pause. Ciprian Marica und Sergiu Radu nutzten die Möglichkeit, sich nach dem Ausfall des Meistersturms (Gomez und Cacau/gesperrt) aufzudrängen, nicht mal ansatzweise. Beide waren ein Ausbund an Harmlosigkeit. Wobei auch die Flanken und Vorlagen nicht gerade üppig ausfielen.

Veh sah sich jedenfalls bestätigt. Gegen offensive Bremer kam die geschwächte VfB-Abwehr (ohne Fernando Meira) in Bedrängnis, gegen unbeholfene Cottbuser trat der ersatzgeschwächte Angriff nicht in Erscheinung. "Wir können nicht ohne Probleme drei, vier Mann ersetzen", sagt Veh. Dafür ist der Kader in der Breite zu schwach besetzt. So bewegt sich der VfB weiter auf einem schmalen Grat. Zumal der Einsatz von Gomez und Meira (Adduktorenprobleme) am Samstag in Bochum weiter fraglich ist.

Immerhin: Mit jedem Erfolgserlebnis kehrt die alte Stabilität und Sicherheit auf dem Platz zurück. Das kompakte Auftreten erlaubt zuweilen auch wieder temporeichen Kombinationsfußball. Zu Beginn des Schlussdrittels einer Saison, die so ziemlich alles auf den Kopf und infrage stellte, was sich die jungen Himmelsstürmer im Meisterjahr aufgebaut hatten, relativiert sich manches wieder. Platz sechs in der Tabelle, nur einen Zähler hinter dem Uefa-Cup-Platz - "kaum zu glauben", staunte auch Veh.

Hand aufs Herz: Was ist in den letzten zehn Partien noch drin? "15 Siege am Stück werden wir nicht schaffen", sagt Veh. Stimmt rein rechnerisch - vier Siege hat der VfB, bis zum Saisonende stehen aber nur noch zehn Spiele an. Grundsätzlich möglich wäre es dennoch. Frag nach bei Veh: Als Trainer des SSV Reutlingen hatte er im ersten und im letzten Spiel der Hinrunde 1999/2000 ein Unentschieden geholt, dazwischen lagen 15 Siege am Stück. Am Ende stieg er mit Reutlingen in die zweite Liga auf. Aber das ist eine ganz andere (Erfolgs-)Geschichte - und hat keine, aber auch gar keine Parallele zum VfB.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten