"In England küssen sich die Spieler sogar"

Wie Hansi Müller, Winfried Schäfer, Fredi Bobic und Guido Buchwald das Duell zwischen dem VfB Stuttgart und dem Karlsruher SC erleben und erlebt haben

Am Samstag ist wieder Derbyzeit - zum 42. Mal in der Bundesligageschichte. Wie bei den bisherigen Auflagen zwischen dem VfB und dem KSC gibt es viel Zündstoff, schon deshalb, weil Karlsruhe in der Tabelle momentan vor Stuttgart steht. Thomas Haid hat vier markante Duelle aus der Vergangenheit herausgegriffen und darüber mit den Hauptdarstellern gesprochen.


15. August 1981: KSC - VfB 0:2

Hansi Müller erinnert sich: "Anfang der 80er Jahre herrschte zwischen den beiden Clubs noch eine unglaubliche Rivalität. Das ist mit den heutigen Zeiten überhaupt nicht mehr vergleichbar. Damals war es so, dass beim VfB noch viele Stuttgarter und viele Schwaben gespielt haben - und beim KSC viele Karlsruher und viele Badener. Deshalb war die Identifikation mit dem Verein eine ganz andere. Wenn man heute Spielern wie Delpierre, Pardo, Marica oder Hajnal sagen würde, dass ein Derby auf dem Programm steht, würden die ja gar nicht mehr wissen, um was es da geht. Die würden dazu nur müde lächeln, weil sie zu solch regionalen Geschichten ja gar keinen Bezug haben können. Das war früher anders, was sich auch auf dem Platz ausgewirkt hat. Da gab es Nickligkeiten und Beschimpfungen. Das gehörte einfach dazu. Und dann erst die Fans. Ich weiß noch, dass sogar ein paar Steine geflogen sind, als ich einen Eckball ausführen wollte. Das war dann nicht mehr witzig."

KSC: Wimmer - Franz, Ulrich, Dohmen, Becker - Groß, Dittus, Trenkel (65. Wiesner), Bold - Günther, Schüler.
Trainer: Manfred Krafft.

VfB: Roleder - Martin (46. Schäfer), Szatmari, Bernd Förster - Hadwicz, Ohlicher, Hansi Müller, Allgöwer - Kelsch, Dieter Müller (65. Tüfekci), Six.
Trainer: Jürgen Sundermann.

Tore: 0:1 Kelsch (78.), 0:2 Six (82.).
Zuschauer: 40 000.


19. September 1987: VfB - KSC 2:2

Winfried Schäfer erinnert sich: "1987? Ich muss kurz überlegen. Ah, ja. In diesem Sommer sind wir wieder in die Bundesliga aufgestiegen. Das war folglich mein erstes Derby gegen den VfB. Die ganze Woche über war zu hören, dass wir zu den geizigen Schwaben gehen - aber das war nicht böse gemeint. Auf der anderen Seite wurden wir ja als Gelbfüßler bezeichnet. Da wusste ich auch nicht, warum. In Karlsruhe hieß es zu der Zeit immer, dass der VfB in jeder Beziehung bevorzugt wird, beispielsweise beim Stadionneubau. Da hätten die Politiker den Badenern viel mehr helfen müssen. Aber den Herren fehlte der Mumm. Keiner hat gesagt: Stopp, jetzt sind auch mal die Badener dran. Das habe ich nie verstanden. So wurde auch dieses Spiel im Vorfeld angeheizt. Wir hatten keine Angst vor den baden-württembergischen Hauptstädtern. Für uns war das 2:2 ein super Ergebnis. Entsprechend schön war die Heimfahrt. Die Leute auf der Tribüne hinter mir haben während der 90 Minuten ständig hineingerufen. Die habe ich in den Jahren danach immer wiedergesehen. Jedes Mal haben wir uns mit Handschlag begrüßt und wieder verabschiedet. So muss ein Derby auch sein - wie in England. Die Spieler von Chelsea und Arsenal küssen sich nach dem Spiel sogar und freuen sich schon unheimlich aufs nächste Duell."

VfB: Immel - Schäfer, Beierlorzer, Buchwald, Schröder - Schütterle (46. Poschner), Hartmann, Allgöwer, Gaudino (67. Perfetto) - Walter, Klinsmann.
Trainer: Arien Haan.

KSC: Famulla - Metz (82. Franusch), Kreuzer, Bogdan, Süss - Trapp, Pilipovic, Harforth, Spies - Hermann (59. Heisig), Glesius.
Trainer: Winfried Schäfer.

Tore: 1:0 Allgöwer (5.), 2:0 Klinsmann (35.), 2:1 Spies (48.), 2:2 Heisig (82.).
Zuschauer: 28 500.


22. Oktober 1994: VfB - KSC 4:0

Fredi Bobic erinnert sich: "Da muss ich nicht lange nachdenken: dieses 4:0 war ein tolles Erlebnis. Wir haben den KSC geradezu aus dem Stadion gefegt. Ich war ja neu beim VfB. Im Sommer war ich von den Kickers gekommen. Auf der Tribüne saß der damalige Bundestrainer Berti Vogts - und dann habe ich noch ein Tor geschossen. Wenig später wurde ich dann in die Nationalmannschaft berufen und habe in Ungarn mein erstes Länderspiel bestritten. Ein Derby war immer etwas Besonderes. Da wurde zuvor Stimmung gemacht - auf beiden Seiten. Aber wir waren viel entspannter als der KSC. Das lag am Trainer Schäfer, der immer Öl ins Feuer gegossen hat. Mich hat er während der Spiele öfter mal beleidigt, aber das hat mir nichts ausgemacht. Er hatte mehr Probleme mit mir als ich mit ihm. Als Schäfer dann zum VfB gekommen ist, bin ich gegangen. Seine Verpflichtung war der Grund für meinen Wechsel nach Dortmund. Schäfer hat versucht, Keile in unsere Mannschaft zu treiben und ein funktionierendes Gerüst zu zerschlagen. Ich war so enttäuscht."

VfB: Immel - Berthold (57. Schneider), Strunz, Foda - Buck, Poschner (75. Dinzey), Dunga, Kienle, Kögl - Bobic, Kruse.
Trainer: Jürgen Röber.

KSC: Reitmaier - Metz (49. Bähr), Wittwer (63. Carl), Bilic, Tarnat - Bonan, Reich, Häßler, Fink - Knup, Kirjakow.
Trainer: Winfried Schäfer.

Tore: 1:0 Kruse (5.), 2:0 Bobic (42.), 3:0 Kögl (55., Foulelfmeter), 4:0 Dunga (81.).
Zuschauer: 50 000.


2. Mai 1998: KSC - VfB 4:2

Guido Buchwald erinnert sich: "Für mich war das ein ungewohntes Derby. Schließlich war es das erste Spiel gegen meinen Verein - den VfB. In Stuttgart hatte ich noch viele Freunde. Aber darauf konnte ich auf dem Platz keine Rücksicht mehr nehmen. Es ging zur Sache, denn für den KSC war die Partie ganz wichtig im Abstiegskampf. Wir hatten die große Chance, einen gewaltigen Schritt nach vorne und in Richtung Klassenverbleib zu machen - und wir haben diese Chance ja auch genutzt. Leider sind wir dann trotzdem abgestiegen. Vor dem Anpfiff waren wir alle unheimlich angespannt. Fredi Bobic musste dann ziemlich bald ausgewechselt werden - nach einem Zweikampf mit mir. Die Atmosphäre war einfach knisternd, wie bei jedem Derby, bei dem ich dabei war. Der KSC war immer der Underdog und die zweite Kraft in Baden-Württemberg hinter dem VfB. Obwohl die Tabelle momentan anders aussieht, glaube ich auch, dass sich an dieser Hackordnung auf Dauer nichts ändern wird."

KSC: Jentzsch - Schepens, Ritter, Nyarko, Régis - Hengen, Buchwald, Häßler, Guié-Mien (50. Metz) - Gilewicz (62. Schroth), Zitelli (80. Reich).
Trainer: Jörg Berger.

VfB: Wohlfahrt - Spanring (73. Djordjevic), Berthold, Verlaat, Hagner (64. Ristic) - Haber, Soldo, Balakov, Poschner - Bobic (14. Lisztes), Akpoborie.
Trainer: Joachim Löw.

Tore: 1:0 Hengen (8.), 1:1 Akpoborie (46.), 2:1 Régis (48.), 3:1 Häßler (75.), 3:2 Ristic (89.), 4:2 Metz (90.).
Zuschauer: 33 600.


Die VfB-Derbybilanz:

41 Spiele, 24 Siege, 9 Unentschieden, 8 Niederlagen, 78:38 Tore

Quelle: Stuttgarter Zeitung