Ausbildung zum Profi und Schwiegersohn

Die Jugendabteilung des VfB Stuttgart blickt auf ein äußerst erfolgreiches Jahr 2007 zurück und hofft auf zusätzliche Gelder von der DFL

DFB und DFL lassen derzeit die Leistungszentren der 36 Proficlubs bewerten. Dabei kann der VfB auf eine Spitzenbeurteilung hoffen. Denn die Jugendabteilung ist so erfolgreich, dass die sportliche Leitung nur kleinere Verbesserungsvorschläge hat.

Vor kurzem musste der sportliche Leiter der VfB-Jugendabteilung zum Verhör - jedenfalls empfand es Thomas Albeck so. Ihm gegenüber saßen drei Männer in Nadelstreifenanzügen, jeder mit einem Laptop, und verlangten von ihm Statistiken, Organisationspläne und Informationen über die internen Abläufe der Jugendabteilung. "Die wollten alles ganz genau wissen", sagt Albeck, "aber wir haben ja auch einiges zu bieten."

Die Interviewer kamen von der belgischen Beraterfirma Double Pass, allerdings im Auftrag des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) und der Deutschen Fußball Liga (DFL). Die Aufgabe der Belgier, die schon bei den Vereinen ihrer Heimat und in Finnland Qualitätsmanagement durchführten: sie sollen die Jugendleistungszentren der 36 Proficlubs bewerten. Die besten Jugendabteilungen erhalten dann ein Dreisternezertifikat. Außerdem will die DFL die Gelder aus der Ausbildungsförderung der Uefa (zwei Millionen Euro) nach den Testergebnissen verteilen.

Für die genaue Beurteilung hat Double Pass einen Kriterienkatalog mit acht "Qualitätsdimensionen" aufgestellt, dazu gehören unter anderem die Ausstattung, die Positionierung und natürlich die Effektivität der Nachwuchsförderung. Auch wenn die Berater genau aufgeschlüsselt haben, welcher Punkt mit welchem Faktor in die Bewertung einfließt, für Thomas Albeck ist klar: "Am Ende zählt nur, wie viele Spieler wir für den Profikader ausbilden."

Und eben diese Bilanz ist derzeit richtig gut. In dem aktuellen Lizenzspielerkader stehen zwölf Spieler, die aus der Jugendabteilung des VfB stammen, darunter Stammspieler wie Mario Gomez, Serdar Tasci und Sami Khedira. Außerdem spielen 13 weitere ehemalige VfB-Junioren in der ersten Liga. Auch die überstrapazierte Bezeichnung die jungen Wilden stört Albeck nicht. Im Gegenteil: "Mit diesem Begriff haben wir quasi eine Marke kreiert." Die aktuelle Qualität seiner Abteilung misst Albeck an zwei weiteren, klassischen Faktoren: an der Anzahl der Juniorenspieler in Auswahlmannschaften und an der Tabellenposition jedes Teams. Auch mit diesen Zahlen ist der 51-Jährige mehr als zufrieden. Von der U 15 bis zur U 21 stellt der VfB in jeder Mannschaft mindestens fünf Nationalspieler - in der U 16 sind es sogar elf. Und die Tabellenplätze? Die A-Junioren führen die Bundesliga Süd/Südwest an, die B-Junioren liegen auf dem sechsten Platz. "Insgesamt sehe ich unsere Jugendabteilung unter den Top Fünf in Deutschland", sagt Albeck.

So richtig ins Schwärmen gerät er, wenn es um die seit Januar bestehende neue Jugendakademie im Carl-Benz-Center geht. Derzeit wohnen 16 Jugendliche in dem Internat, zu dem auch ein Kunstrasenplatz auf dem Dach des Gebäudes gehört. Zusätzlich zu der neuen Unterkunft erstellten Albeck und der Jugendleiter Frieder Schrof ein Leitbild sowie ein Verhaltens-Abc für die Junioren. Darin werden diese nicht nur daran erinnert, freundlich zu grüßen. In dem Leitbild wird ihnen auch Elternliebe, Bescheidenheit und Verantwortung eingebläut. "Diese Grundsätze regeln unser Miteinander", sagt Thomas Albeck, "wir bilden Spieler aus, die auch abseits des Rasens zu Persönlichkeiten reifen sollen." Es ist sozusagen eine Ausbildung zum Profi und perfekten Schwiegersohn.

Besonders das Teamwork der acht hauptamtlichen und mehr als 50 ehrenamtlichen Mitarbeiter im Leistungszentrum funktioniere prima, wiederholt Albeck immer wieder. Nur so kommen dann Neuerungen zustande, wie sie die Jugendabteilung zu Saisonbeginn von der U 9 bis zur U 13 an beschlossen hat. So wurden die Jugendteams aus dem Spielbetrieb herausgenommen und treten nur noch bei Freundschaftsspielen oder Turnieren an. "Die Jungs mussten immer gegen ältere und größere Spieler auflaufen", sagt Albeck, "sie haben zwar meistens gewonnen, konnten aber nie ein Spielsystem verinnerlichen, weil sie nur schnell passen mussten."
In der U 9 verringerte der VfB Stuttgart zudem die Mannschaftsstärke auf nur noch vier Feldspieler und einen Torwart, weil die Kinder in diesem Alter über eine begrenzte Spielübersicht verfügen und sonst überfordert wären. Dabei sind die VfB-Junioren so weit in der Vorreiterrolle, dass es in Deutschland nur wenige Vereine gibt, die ebenfalls in Fünferteams spielen.

Auf die Ergebnisse des Zertifizierungsverfahrens von DFB und DFL muss Albeck noch bis Ende Januar 2008 warten. Aber was könnte der VfB denn noch besser machen? Eines fällt Thomas Albeck auf diese Frage sofort ein: "Der Verein hat 100 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet. Das Budget für die Jugend- und Amateurabteilung beträgt 3,5 Millionen Euro. Ich gehe davon aus, dass der Etat entsprechend erhöht wird, damit wir national und international konkurrenzfähig bleiben können." In großen Unternehmen werden normalerweise zehn Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung gesteckt. Der VfB hat also noch Reserven.

Quelle: Stuttgarter Zeitung