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Brav und bieder - die Roten sind auswärts gegen die Topteams ein Spielball

Auswärts ist der VfB Stuttgart ein Fall für sich. Ein Pflegefall - vor allem gegen die Topteams. Beim 1:4 gegen Bayern München fehlte vor allem wieder eins - Abgeklärtheit.

Mario Gomez und Lukas Podolski nutzten die Wartezeit bis zu ihren Fernsehinterviews zum Trikottausch. Auf diesen Moment hatte Uli Hoeneß gewartet. Von der Seite schlich sich der Bayern-Manager an Gomez heran und flüsterte dem VfB-Torjäger etwas von der Art ins Ohr: "Ist auch ein schönes Trikot, oder?" Was prompt Horst Heldt auf den Plan rief. "Was mit Sicherheit nicht passiert, ist, dass Gomez nach München wechselt", versicherte der VfB-Manager.

Einen guten Grund hätte er bestimmt: Irgendwann will auch er einmal in der Allianz-Arena gewinnen. Der VfB tut sich damit chronisch schwer, wie er überhaupt in dieser Saison nur ein Spielball ist, wenn er bei den Topteams der Liga antritt: in Bremen 1:4, in Hamburg 1:4, in Schalke 1:4, in Leverkusen 0:3, und nun in München 1:4. Die Gründe mögen variieren, die Erkenntnis bleibt immer gleich: Die Roten sind zu grün.

Die Außenpositionen: Ricardo Osorio blieb den Nachweis schuldig, dass er der bessere Andy Beck ist. Der Mexikaner, der den Vorzug erhalten hatte, schaute interessiert zu, wie Marcell Jansen das 0:1 einleitete. Auch sonst fiel er nicht durch ein zupackendes Wesen auf.

Die Schaltzentrale: Den Posten besetzt Yildiray Bastürk - aber er füllt ihn nicht aus. Der Türke dreht sich lieber fünfmal zu viel um die eigene Achse, bevor er den Ball schnell und akkurat weiterpasst.

Die Verletzungen: Ausfälle von festen Größen wie Thomas Hitzlsperger kompensiert der VfB nur schwer. Dann treten die Mängel anderer - wie Bastürk - noch deutlicher zutage. Zweites Beispiel: Serdar Tasci vertrat Fernando Meira in der Innenverteidigung bestens, aber ohne den Kapitän war Matthieu Delpierre ein Schatten - nur Zufall?

Die Abgeklärtheit: Beim Freistoß zur Münchner 2:1-Führung hatte Mark van Bommel allen Raum der Welt. Warum hatte Raphael Schäfer nur eine mickrige Vier-Mann-Mauer gestellt? Den Torwart traf die geringste Schuld - nach der Verletzung von Ludovic Magnin war die (Zu-)Ordnung verloren gegangen. Statt Magnin sollte Ricardo Osorio in die Mauer stehen - doch Arthur Boka vergaß bei seiner Einwechslung, die Direktive von der Bank an den Mexikaner weiterzugeben. Alle anderen waren fest ihren Gegenspielern zugeteilt. Schäfer: "Da konnte ich keinen abkommandieren."

Die mentale Schwäche: Bis zur Pause agierte der VfB mutig, danach überkam ihn die Angst vor der eigenen Courage - das München-Syndrom. Der VfB, von leidvoller Erfahrung geprägt, befürchtet eigene Fehler - und beschwört so aufziehendes Unheil.

Die Personaldecke: Beim VfB kamen Arthur Boka und Ciprian Marica ins Spiel - beide blieben wirkungslos. Beim FC Bayern kam Franck Ribéry - er entschied das Spiel. "Da schaust du neidisch hin", sagte Horst Heldt über die ungleichen finanziellen Möglichkeiten der Clubs. Dumm nur, dass sich daran so schnell wenig ändern wird. Der VfB muss anderweitig Antworten finden.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten