"Ich liebe diesen Verein, ich liebe diese Stadt"

Seit Mittwoch arbeitet Joe West wieder als Trainer beim Eishockey-Zweitligisten Hannover Indians. Der Aufstiegstrainer, der aus Kanada zurückkam, hatte gleich Zeit für ein großes NP-Interview.


Von Philipp Schaper

Herr West, wie fühlt es sich an, wieder zu Hause zu sein?

Gut. Hannover ist meine zweite Heimat. Ich habe 14 Jahre hier gelebt. Es ist fast normal. Die Aufregung ist nicht so groß, als wenn ich zu einem neuen Verein in einer neuen Stadt mit neuen Spielern gehen würde.

Ganz einfach war der Abschied von Ihrer Familie aber nicht?

Es hat weh getan, mich in Winnipeg von meiner Familie zu verabschieden. Aber meine Frau und mein Sohn haben gesagt: "Du bist Eishockeytrainer. Mach das." Und sie werden mich Weihnachten hier besuchen.

Wie war die Zeit in Kanada?

Ich habe die letzten vier Monate in Kanada richtig genossen. Es war eine richtig schöne Zeit. 25 Stunden die Woche habe ich auf einem Golfplatz gearbeitet. Das hat mir gut gefallen. Es war ein lockerer Job.

Und gefährlich war es auch ein bisschen. Erzählen Sie uns die Geschichte mit dem Schwarzbären in ihrem Garten.

Es gibt viele Schwarzbären bei uns. Und ein Bär hat mich in meinem Garten besucht. Einen Abend ist er über den Zaun geklettert und wollte an unseren Kompost. Ich habe dann Licht angeschaltet und bin raus gegangen. Da stand er acht Meter von mir entfernt. Ich habe dann Abstand gehalten und ein paar Holzklötze nach ihm geworfen. Einen hat er abbekommen - und er hat sich entschieden, wieder über den Zaun zum Nachbarn zu klettern. Das war im Juni.

Warum hat es zu Hause nicht mit einem Trainerjob geklappt?

Hätte ich einen Trainerjob dort gefunden, wäre ich nicht hierher gekommen. Ich hätte keinen Job für den anderen verlassen. Mein Problem in Kanada war, dass ich noch nie in Kanada trainiert habe. Und ich habe nicht die Kontakte dafür. Viele Leute haben gesagt, mach den Assistenztrainer und in zwei, drei Jahren wirst du Hauptcoach. Aber ich wollte nicht wieder als Assistenztrainer arbeiten. Ich wollte die volle Verantwortung. Darum habe ich das nicht gemacht.

Haben Sie gar nicht auf dem Eis gestanden?

Doch, ich habe mit einigen NHL-Profis Eishockeyschule gemacht. Carey Wilson, Stanleycupsieger und Weltmeister mit Kanada, hat mich in seine Eishockeyschule eingeladen. Wir kennen uns seit 20 Jahren. Wir haben viel Spaß gehabt, es war sehr geil. Ich war sechs Stunden auf dem Eis, fünf Tage in Folge. Meine Füße, die letzte Stunde habe ich gedacht: „Oh, mein Gott“.

Waren Sie in Kanada immer über die Ergebnisse der Indians informiert?

Nicht die ganzen 60 Minuten. Aber ich habe mir immer nach den Spielen die Statistik und die Strafzeiten angeschaut und wer die Tore geschossen hat.

Wie war das, als Indians-Boss Dirk Wroblewski Sie dann mit der Bitte anrief, die Indians aus der Krise zu führen?

Das war ein komisches Gefühl. Ich war in Winnipeg einkaufen und von einem Moment zum nächsten bist du wieder im Geschäft. Aber als Dirk mich gefragt hat, habe ich sofort zugestimmt.

Was hat die Entscheidung beeinflusst, nach Hannover zurück zu kommen?

Ausschlaggebend war: Ich liebe diesen Verein, ich liebe diese Stadt. Und ich kenne viele von den Spielern und den Charakter dieser Spieler. Ich bin zuversichtlich, dass die Spieler den Kopf frei bekommen, den Spaß am Hockeyspielen wiederfinden und einfach zeigen, was in ihnen steckt.

Ist das auch der Grund, warum die Wahl letztendlich auf Joe West gefallen ist?

Der Vorteil für mich ist, dass ich zwei Drittel der Mannschaft über Jahre trainiert habe. Und die neuen Spieler habe ich kennengelernt, als ich zum Abschiedsspiel hier war. Ich werde mit den Jungs darüber reden, wie wir in der nächsten Zeit trainieren. Wo mein Schwerpunkt liegt.

Wie schnell kriegt die Mannschaft die Kurve?

Das ist schwierig zu sagen. Ich habe keine Vorbereitungszeit. Normal hast du vor einer Saison einen Monat, das fehlt mir. Es wird drei bis vier Wochen dauern, bis sie spielen, was ich will. Und jeder weiß, was ich will. Das ist wichtig. Jeder muss Klarheit haben. Jeder muss wissen, was von ihm erwartet wird. Das dauert.

Was ist in den nächsten Tagen die vorrangige Aufgabe?

Meine erste Aufgabe ist, den Kopf bei den Spielern frei zu bekommen. Jeder kann Fehler machen. Man kann mal verlieren, keine Frage. Es ist die Art und Weise. Es hat vielen Leuten nicht gefallen, dass die Jungs kampflos aufgegeben haben. Ich werde das nicht zulassen. So eine willenlose und kampflose Mannschaft gibts bei mir nicht.

Warum ist Craig Streu gescheitert?

Schwer zu sagen. Irgendetwas scheint zwischen Trainer und Spielern nicht gestimmt zu haben. Letztendlich war ich nicht hier, ich kann das nicht beurteilen.

Was ist schief gelaufen?

Die Jungs haben ein betreutes Leben hier. Es ist alles sehr, sehr professionell. Und letztendlich müssen sie wissen, dass es nicht immer so gehen kann, ohne gutes Eishockey zu spielen. Die Jungs müssen ihre Leistung bringen. Und das ist meine Aufgabe, die Jungs dahin zu bringen, dass sie alles geben.

Was vermitteln Sie der Mannschaft als erstes?

Die Jungs müssen wissen, dass wir nicht an einem Wochenende den großen Wurf machen können. Wir müssen Stück für Stück arbeiten. Das wird schwierig.

Kommt Kaufbeuren als nächster Gegner gerade richtig?

Warum nicht. Kenny Latta (Kaufbeurens Trainer und West-Freund, die Red.) hat mich angerufen und gesagt: „Was, ich dachte, die warten bis Sonnabend. So ein Mist.“ Das war lustig. (lacht) Im Ernst. Kaufbeuren hatte einen überragenden Auftakt. Wir müssen sowieso gegen alle spielen.

Wo landen die Indians am Ende?

Normalerweise tippe ich so etwas nicht. Ich möchte gerne die Pre-Playoffs schaffen. Der zehnte Platz muss unser Ziel sein. Wir können unsere Ziele immer noch korrigieren.

Was haben Sie an Hannover vermisst?

Die Leute. Die Leute, die ich über die Jahre hier kennen gelernt habe. Ich habe den Kontakt zu Menschen wie Dirk vermisst, die Jungs in der Kabine. Mir hat einfach mein Beruf gefehlt, ins Eisstadion zu kommen, mit Leuten zu arbeiten, ein Ziel zu haben und konsequent für das Ziel zu arbeiten.

Wie lange bleibt Joe West dieses Mal in Hannover?

Meine Arbeit ist hier wieder gewünscht. Und wenn es gut läuft, kann ich mir vorstellen, noch ein Jahr zu bleiben. Man weiß nie.


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